G R O U N D F E V E R
  Polen
 

27.-28.10.2012 --- Polen mit Hindernissen
 
Da ich in Polen extremen Nachholbedarf habe, wühlte ich irgendwann im Juli mal das Flugangebot von Wizzair durch, die ja ab Dortmund eine Vielfalt an Destinationen in Polen anbieten. Schnell wurde man fündig. Ein Hinflug nach Lodz am Samstag-Morgen und ein früher Rückflug am Montag-Morgen waren fix gebucht. Das ganze an den einschlägigen Bekanntenkreis kommuniziert und schon war Christian aus Herschbach mit im Boot. Später fand sich dann auch noch Dominik aus Neukirchen-Vluyn in die Reisegruppe ein.

Sa. 27.11. 18:00 - Lech Poznan vs Jagiellonia Bialystock 0:2 (Ekstraklasa), 21.487 Zuschauer (30 Gäste)

Stell Dir vor, Du buchst nen Flug und landest gar nicht da, wo Du hin wolltest. Mit Dominik vereinigte ich mich früh morgens in Essen und Christian trafen wir am Airport in Dortmund. Pünktlich ging es los und befanden uns im Landeanflug auf Lodz, als der Captain die Maschine plötzlich wieder beschleunigte und hochzog. Die kurz darauf folgende Durchsage klärte uns auf, dass wetterbedingt momentan keine Landung möglich sei. Man wolle ein wenig kreisend abwarten. Eine Viertelstunde später war klar, dass unser Ziel nicht Lodz sein würde. Also ab nach Warszawa. Dort erwartete uns auch kein karibischer Sommer. Schneefall bei heftigem Wind war angesagt. Bild Zunächst mal ins benachbarte Marriott-Hotel, um sich ein wenig mit der Online-Welt zu befassen. Umplanen war angesagt. Da Warszawa noch deutlich weiter von Poznan entfernt ist, erschien uns das Erreichen des Abend-Spiels von Lech unmöglich, da allein die Verbindung von Lodz schon annähernd fünf stunden Bahnfahrt bedeutet hätte. Also parallel die Homepages der Fußball-Ligen und der polnischen Bahn abgeglichen, was denn wohl alternativ möglich ist, und es schien lediglich ein Drittliga-Kick vor den Toren der Hauptstadt möglich. Christian, neben mir ebenfalls das Internet checkend, unterbrach meine Gedanken plötzlich mit der Frage, warum wir nicht den Intercity von Warszawa Centralna nach Poznan um 12:00 nehmen würden, der nur drei Stunden nach Poznan benötigt. Guter Junge!! Und ganz schön peinlich nicht selbst das nahe liegende zuerst geprüft zu haben. Au mann....!! Also von Herrn Marriott verabschiedet und mit dem Taxi zum Centralna. Ticketkauf unproblematisch und mit circa 50 Zloty (etwa 12,50 EUR) pro Nase erstaunlich günstig. Problematisch dagegen die Fahrbier-Beschaffung. Im Bahnhof darf offenbar kein Alkohol verkauft werden. Ein Supermarkt in den benachbarten unterirdischen Ladenzeilen schaffte Abhilfe.

Bild Bild Fast pünktlich trudelten wir am Poznan Glowny ein. Nun gings mit dem Taxi zum 'Arte Hostel', wo wir vorab ein Dreier-Zimmer für 165 Zloty (= knappe 40 Eusen) gebucht hatten. Die Hütte ist zu empfehlen. Unmittelbare Nähe zum Alten Markt, neu eingerichtet und die saubersten Sanitärräume, die ich in nem Hostel je erlebt habe. Nachdem wir uns sortiert hatten, war es Zeit zum 'Stadion Miejsky' aufzubrechen. Wir wollten frühzeitig dort sein, da der Ticketkauf noch zu erledigen war, wozu man ja erst diese dämliche 'Karta Kibica' benötigt. 'Karta Kibica' bedeutet nix anderes als 'Fankarte'. Da in unserem östlichen Nachbarland Fußballspiele je gerne mal zu Bürgerkriegen ausarten, hat sich der Verband zur besseren Kontrolle die phantastische Maßnahme einfallen lassen, dass jede(r), der ein Spiel im Stadion sehen will, registriert sein muss. Kennt man ja schon aus anderen Ländern, aber in Polen nimmt die ganze Geschichte deutlich mehr Zeit in Anspruch. Mein letzter Polen-Besuch war noch vor der Karta-Zeit, daher mussten wir auf Erfahrungen anderer vertrauen, die besagten, dass die Registrierung je nach Andrang auch mal mehr als eine Stunde dauern kann. Mit der Tramwaj fuhren wir kostenneutral zum Stadion. Ticket hatten wir zwar gezogen, aber das Stangentaxi war schlicht zu voll. Bild Eine gute Stunde vor dem Kick off waren wir dann am Ground der ja wirklich besonders aussieht, von außen ungefähr wie eine Muschel. Es gab mehrere Schalter zur Registrierung. Am von uns gewählten standen etwa zehn Leute vor uns. Zur Datenerfassung muss man seinen Personalausweis vorlegen und es wird mittels Webcam ein Foto vom 'Kunden ' gemacht. Viel zu lange 40 Minuten später hatten wir die mit dem heutigen Spiel aufgeladene Karta Kibica in der Hand. Dieses System gibt es nun seit Beginn der letzten Saison. Es ist mir ein Rätsel warum es immer noch derart viele nicht registrierte Besucher gibt. Ist doch eigentlich immer wiederkehrende Klientel, die sich zu den Heimspielen der jeweiligen Vereine begibt, die müssen doch langsam mal alle erfasst sein. Auf diese Karte wurde nun das heutige Spiel geladen und als Kaufnachweis gab es dann einen Kassenbon. Papierticket Fehlanzeige. Bild Eine gute Viertelstunde vor dem Beginn waren wir dann endlich im Stadion, dass von innen genauso zu begeistern weiß, wie von außen. Die Dachkonstruktion und die dreistöckige Heimkurve machen es einfach aus. Der obere Rang der Heimkurve ist bei 'normalen' Spielen gesperrt. Optisch sehr diszipliniert tragen die im mittleren Rang befindliche Anhänger weiße und die im unteren blaue T-Shirts. Schönes Bild. Der Lech-Anhang dann auch brachial laut, aber irgendwie hat mir der Support nicht gefallen. Der Capo über Mikro viel zu laut, die Gesänge und Schlachtrufe viel zu statisch, zu künstlich, zu unemotional. Hat mich an nen Kirchenchor erinnert, der die Texte aus dem Gesangsbuch herunter trällert. Dazu der Support nicht spielbezogen, aber dass ist ja beileibe nicht nur eine polnisches Unart. Bild Optisch gab's lediglich ne gescheite Schalparade zu sehen. Der Gast war nur mit 30 unhörbaren Mann vor Ort, die alle im direkt neben dem Gästeblock befindlichen Sektor von Ordnern abgeschirmt untergebracht waren. Der Gästebereich selbst war leer, da es wohl noch eine Sperre abzusitzen gab, die aus vorherigen Vorfällen resultierte. Das Spiel selbst viel unter den Sammelbegriff unansehnlicher Langweiler - unglaublich, was die 22 Mann sich da zusammenkickten. Immerhin hatte Jagiellonia zwei lichte Momente und nahm die Punkte überraschend mit an die weißrussische Grenze. Bild Wir verschwanden auch direkt mit dem Abpfiff, da es arschkalt war. Nach dem Spiel ging es zurück in die Altstadt. Wir enterten nach ein wenig Rumgeirre ein Restaurant und verleibten uns ne ordentliche Portion Fleisch ein. Dabei überlegten wir, wie der weiter Abend verlaufen sollte und fällten letztlich einstimmig die Entscheidung ‚Zimmersuff‘. Also ab in den nächsten Mini-Markt und nen Korb voll Bier, ne Flasche Wodka und Tonic Water zum Verdünnen erworben. War dann auch ne kurzweilige Geschichte in unserem Gemach. Schön über Gott und die Welt gelabert und gut einen genommen. Gegen zwei Uhr waren dann Bier und Fusel alle. Nun schlug Christians große Stunde, der unbedingt noch vor die Tür wollte. Ich war allerdings satt und bettschwer genug, um mich einfach nur noch abzulegen. Also zog er allein los.

So. 28.10. 14:30 – Slask Wroclaw vs Zaglebie Lubin 0:2 (Ekstraklasa), 20.125 Zuschauer (800 Gäste)

Bild Bild Als der Handy-Wecker um halb acht klingelte kurz zur Seite geblinzelt und festgestellt, dass Christian noch nicht zurückgekehrt war. Grund sich Sorgen zu machen, sah ich eigentlich nicht. Zum einen kenn ich ihn ja nun langsam ganz gut und zum anderen war mein Handy die ganze Nacht eingeschaltet. Ich setzte einfach mal voraus, dass er sich bei tiefergehenden Problemen gemeldet hätte. Also ging ich erstmal in Ruhe duschen. Als ich zurück kam, war Christian dann zurück - und unsere Gruppe um eine Person angewachsen. Piotr, nach eigenen Angaben Lech-Hooligan, saß bei uns im Raum. Christian hatte ihn auf seiner Streiftour kennengelernt und einfach mal mitgebracht. Nachdem wir uns alle fertig gemacht hatten (wobei ‚fertig‘ auf Christian auch im wahrsten Sinne des Wortes zutraf), und das Hostel verließen, konnten wir Piotr aber zum Glück problemlos verabschieden. Er entließ uns aber nicht ohne noch die Einladung auszusprechen, in drei Wochen zum Spiel gegen Legia wiederzukommen und im ‚Rahmenprogramm‘ mitzumischen. Ja nee, is klar. Wir latschten zum Bahnhof um den Zug um 9:27 Uhr nach Wroclaw zu nehmen. Wir hatten ja genug Zeit. Dachte ich. Da Christian in seinem Zustand ein paar Schritte mehr machen musste als Dominik und ich, ging ich schon mal vor, um die Zug-Tickets zu besorgen. Als ich so in der Warteschlange am Schalter vor mich hin träumte und der Blick zur Anzeigetafel mit den Abfahrtszeiten wanderte, fiel mir auf, dass es gar keinen Zug um 9:27 Uhr gab. Rotzdreck! Was war da los? Der Blick auf meinen Notizzettel bestätigte allerdings die Meinung der Anzeige. Keine Ahnung, was ich da im Hinterkopf hatte. Manchmal wär es ratsam, ab und an auch mal auf den Zettel zu schauen, wenn man schon einen anfertigt. Halbwegs egal, da zwanzig Minuten später der nächste Zug ging. Das war dann so'n Teil Marke Bimmelbahn, die an jeder Kuhweide hielt. Dreieinhalb Stunden Fahrzeit für 170 Kilometer. Christian war's egal - der schlief erstmal die anstrengende Nacht aus dem Körper. An der Station Wroclaw-Mikolajow sprangen wir aus dem Zug und bewegten uns mit der Tramwaj zum Stadion. Als wir einstiegen, war das Ding eigentlich schon überfüllt. Trotzdem quetschten sich an den folgenden Stationen weitere Leute in die Bahn. So ähnlich dürften sich Zahnstocher in diesen kleinen Plastikdöschen fühlen. Am Stadion dann direkt zu den Kassen. Aber wieso Stadion? Das Ding sieht von außen aus wie, nun,... na irgendwie siehts halt aus, aber nicht wie ein Stadion. Eher wie eine überdimensionale Kuchenform. Die Fassade ist im Grunde keine Fassade, sondern ein riesengroßer Vorhang aus kräftiger Textilfaser. Hab ich so auch noch nirgendwo gesehen. An den Ticketschaltern dann dasselbe Spiel wie in Poznan. Ging vielleicht ne Spur schneller als am Vortag, ändert aber nix daran, dass entweder das Datensystem oder die Tanten, die es bedienen, einfach nur langsam sind. Unfassbar. Trotzdem nur halb so wild wie prognostiziert. Nach ner knappen halben Stunden hielten wir die Zutrittsermächtigungen in den Händen. Dieses Mal war es sogar ein Papierticket und kein Kassenbon nach vorheriger Ausgabe einer Plastikkarte.

Bild Bild Das Stadion Miejski ist eine einrangig gebaute riesige Schüssel mit einem Fassungsvermögen von knapp 43tausend Zuschauern. Der Rang kommt recht steil daher. Jedenfalls kommt man ganz gut ins Pusten, wenn man es ebenerdig betritt und dann relativ weit nach oben will. Sitze komplett in grün, naja fast - der weiß abgesetzte Vereinsname darf ja nicht fehlen. Gäste waren heut zugelassen, etwa 800 waren aus dem nahen Lubin angereist. Der Kick gilt ja auch als Derby. Bild Die aktive Heimseite sehr gut gefüllt. Wirklich ansprechende Kurve. Zu Beginn gab es von Slask eine riesige recht aufwendig gemalte Blockfahne. Das dazugehörige Spruchband war leider teilweise verdeckt. Auch Zaglebie eröffnete mit einer kleinen Choreo. Auffallend (wie in Poznan), dass der Support auch wirklich erst mit Spielbeginn einsetzt. Die Slask-Kurve zeigte sich von der allerbesten Seite. Richtig guter und lauter Support. Dazu ein großes rot-weiß-grünes Fahnenmeer. Bild Sehr schön. Die Gäste verlegten sich mit dem Einlaufen der Teams aufs Böllerwerfen. Rückblickend denke ich, war es Weltrekord. Ich übertreibe nicht, wenn ich behaupte, dass in den 108 Minuten (selbst in der Pause hörte es nicht auf) annähernd 300 Böllerwürfe über die Bühne gingen. Es flog zwar nicht einer auf das Spielfeld, aber es landeten bestimmt zwei Drittel zwischen der Kette aus Ordnern und Staatsmacht, die - man mag es kaum glauben - nichts aber auch gar nichts dagegen unternahmen, geschweige denn, sich regten. Unglaubliches Szenario. In unserer phantastischen Republik wäre der Kick wohl gar nicht erst angepfiffen worden oder ein behelmter Knüppeltrupp in den Block gerast. Bild Auch Slask-Fans, die sich zwecks Provokation mittels obszöner Gesten direkt neben Uniformierte oder Ordner stellten, ließ man völlig unbehelligt walten. Merk- und auch fragwürdige Deeskalationsstrategie. Uns war es recht. So wurde die Partie äußerst kurzweilig. In Hälfte zwei gab es von Zaglebie eine weiter Choreo, die von reichlich Bengal-Fackeln flankiert wurde. Ich blicke in Polen nicht wirklich durch, was sich der Mob erlauben darf und was nicht, aber man bekam den Eindruck, dass dieser Auftritt der letzte überhaupt bei einem Auswärtsspiel von Zaglebie gewesen ist. Dazu wie auf der Heimseite schöne laute Gesänge. Unterschied zu Poznan: emotionaler, glaubwürdiger. Ach ja - gekickt wurde ja auch noch. Das abstiegsbedrohte Gäste-Team errang einen überraschenden Away-Erfolg gegen die Abstiegsgefahr..

Nun mussten wir zum Hauptbahnhof Wroclaw Glowny. Alles ganz entspannt, da wir eine gute Stunde Zeit bis zur Abfahrt des Zuges nach Katowice hatten. Aber leichter gesagt als getan. als wir an der Bahnhaltestelle ankamen, standen dort gerade mal zwei Trams für mehrere hundert Menschen. Was für ne beschissene Orga. Keine Chance. Also erstmal per pedes los und nach gut einem Kilometer Fußweg fanden wir ein freies Taxi. Obwohl der Fahrer alles gab (wusste gar nicht dass Robert Kubica nach Beendigung seiner aktiven Formel 1-Karriere aufs Taxi umgestiegen ist), hatten wir durch den Zeitaufwand beim Kauf der Zugtickets keine Chance. Bild Wir verpassten die Schaukel um fünf Minuten. Mann, es ist aber auch irgendwie der Wurm drin. Also hieß es, eine Stunde warten. Gibt schlimmeres. Der Bahnhof ist ein echtes Schmuckstück, innen wie außen. Im neugotischen Stil wurde er Mitte des 19.Jahrhunderts erbaut und erst Mitte 2012 pünktlich zur EM die Sanierung abgeschlossen. Die dreistündige Fahrt wurde mit ein paar Bieren versüßt. Das gebuchte Hostel in Katowice 'Hostel Katowice Centrum' befand sich keine 100 Meter vom Bahnhof entfernt und wie liefen trotzdem zunächst falsch. Das 3er-Zimmer für 126 Zloty (30 Euronen), funktional aber sauber. Nach wenig Schlaf mussten wir um 4:30 Uhr zum Flughafen starten. Der Rückflug war aufgrund eines fehlenden auszutauschenden Teils leider verspätet. Etwa 75 Minuten nach der planmäßigten ETD kam der Kurier mit dem Teil. Sieben Personen waren damit beschäftigt dieses einzubauen. Einer stand auf der Leiter und schraubte. Ein anderer hielt diese fest. Und fünf Mann standen drum herum und guckten! Teamwork auf polnisch. Irgendwie auch ein halbseidenes Gefühl, wenn man aus dem Terminal beobachten darf, wie hektisch irgendwas an der Maschine, mit der man gleich abheben soll, herumgefrickelt wird. Aber runter kommt man ja immer. War auch so. Gute zwei Stunden verspätet landeten wir in Dortmund und eine kurze wie auch kurzweilige Tour fand ihr Ende.

 
 
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(Manni Breuckmann)


 
 
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