G R O U N D F E V E R
  Balkan
 

10.-19.03.2012 --- Quer über den Balkan
 
Bild Sechs Tage Resturlaub – was damit tun? Da ich mir ja immer ein paar Partien mit dazugehörigem (geplanten) Spieltermin aufschreibe, wurden diese Infos also mal bemüht und schau an, im März bot sich auf dem Balkan eine Woche, in der in mehreren Ländern ein Mittwochs-Spieltag über die Bühne gehen sollte. Darunter war die mazedonische Brisanz-Partie in Tetovo, zwischen Shkendija, dem Club der albanischen Minderheit, und Teteks, dem Verein der der slawisch geprägten Arbeiterklasse. Und mit dem kroatischen Prestige-Duell zwischen Dinamo Zagreb und Hajduk Split war auch ein ordentliches Zielspiel für das Schluss-Wochenende angesagt. Da ich auch schon länger den Wunsch hatte, den Kosovo mal zu besuchen, sollte die Tour dort beginnen. Der KF Pristina, der Club mit der besten Szene des Landes, sollte heimspielen. Natürlich wäre Planung nicht Planung, wenn nicht alles noch einmal durcheinander gehauen würde. Durch den massiven Winter auf dem zentralen Balkan wurden Spieltage in den einzelnen Ligen fröhlich hin und her geschoben. Nichts blieb wie es war, lediglich die kroatische Top-Partie blieb am geplanten Wochenende stehen und bekam auch meinen Wunschtermin am Samstag-Abend.

Sa. 10.03. 13:15 – KF Drita Gilan vs Trepca Mitrovice 1:2 (Superliga), 800 Zuschauer (5 Gäste)

Trotz agressiver Akquise konnte ich leider keinen Mitreisenden gewinnen (Ihr Luschen!) und so startete ich am frühen Samstag-Morgen mit dem Zug von Essen nach Köln um von dort den Flug um 6:50 nach Pristina zu nehmen. Bedient wird dieser Flug von Germanwings, buchen kann man ihn aber auch über Kosova Airlines, die als Agent fungieren und den Flug günstiger anbieten. Da ich leider relativ lang warten musste um zu sehen wer jetzt wo spielt, ließ ich mir einen Tag zu lang Zeit und zahlte statt 49 nun 109 Euro. Pech, aber so war et halt. Die Geschichte war dann der klassische ‚Zigeunerflug’. Ich bin der Meinung, dass ich der einzige deutsche in der Maschine war. Nicht falsch verstehen – ich habe grundsätzlich nicht gegen diesen Menschenschlag, sonst würde ich diese Region ja auch nicht so gern bereisen, aber die Kosovaren scheinen schon ein spezielles Volk zu sein. An Disziplin mangelt es jedenfalls gewaltig, anders ist nicht zu erklären, dass bei Steig- und Sinkflug bei eingeschalteten Anschnallzeichen immer wieder Personen aufstanden, um zur Toilette gehen zu wollen. Immerhin bekam ich den gewünschten Platz am Notausgang und hatte die Reihe sogar allein. Also konnte ich mich über drei Sitze lang machen und verschlief fast die ganze Reise. Überpünktlich landeten wir in Pristina. Den Grenzbeamten wurde klar gemacht, dass ich wegen späteren Transits durch Serbien keinen kosovarischen Stempel im Pass haben möchte, da dieses aufgrund des bekannten Konflikts Probleme mit den serbischen Behörden bedeuten kann, und so bekam ich einen separaten Einreiseschein ausgestellt. Bild Die erste Herausforderung besteht im Transfer zur Stadt, das der Airport gute 20 km außerhalb liegt. Im Internet steht etwas von einem stündlich operierenden Bus, aber den scheint es nicht zu geben. Ich habe mehrere Personen befragt, u.a. Polizei und Shopbesitzer, aber niemand wusste von einem Bus und ich habe auch keinen gesehen. Wenn man dann den Slalom durch die heranstürzende Taxi-Mafia erfolgreich bewältigt hat, stehen etwas weiter abseits Leute, die anbieten, die Tour mit ihrem privatem Pkw für etwas weniger Geld zu übernehmen. Ich erwischte einen des Deutschen mächtigen Mann, der einige Jahre in Hannover verbracht hatte, und der mich für 15 Euro in die Stadt brachte. Der Euro ist im Kosovo übrigens offizielle Währung, ohne dass die Republik Mitglied in der europäischen Union ist.

Der Kosovo ist eine Republik im Süden des ehemaligen jugoslawischen Staatsgebietes, dessen Territorium durch den gleichnamigen bewaffneten Konflikt Ende des letzten Jahrtausends traurige Berühmtheit erlangte. Der sogenannte Kosovokrieg zwischen der Rebellenorganisation UCK (übersetzt: Befreiungsarmee des Kosovo) und der Armee der Bundesrepublik Jugoslawien war, vereinfacht gesagt, das Resultat aus dem Jahrhunderte alten Wunsch und Streben der albanisch geprägten Bevölkerung nach Autonomie und einem eigenen Staat. Die Bundesrepublik Jugoslawien war der Nachfolgestaat der Sozialistischen Republik Jugoslawien und bestand nur noch aus den Teilstaaten Serbien und Montenegro. Diese wollten die Autonomiebestrebungen der Kosovaren mit Waffengewalt verhindern. Bild Das Ende dieser etwa 18 Monate dauernden Auseinandersetzungen wurde durch die NATO herbeigeführt, die, um eine humanitäre Katastrophe abzuwenden, in den Konflikt ohne entsprechendes UN-Mandat eingriff, nachdem die streitenden Partien in Verhandlungen keine Einigung erzielen konnten. Bild In der Folge bombardierte die NATO strategische Ziele in Ex-Jugoslawien und der Kosovo wurde von den internationalen KFOR-Truppen (KFOR = Kosovo Force) besetzt, nun unter Verwaltung der Vereinten Nationen. Aufgrund der führenden Position der USA besitzt der damals regierende US-Präsident Clinton eine hohes Ansehen. Ihm wurde in Pristina sogar ein Denkmal errichtet. Im Gegensatz dazu war Russlands Rolle während des Konfliktes äußerst grenzwertig, da die Bolschewiki ihrem ehemaligen Verbündeten Jugoslawien natürlich wohlgesonnen waren und es halbherzige weitgehend passive Unterstützungsversuche gab, die unter dem Druck der UN aber eingestellt wurden. Im Jahre 2008 erklärte sich die Republik Kosovo für unabhängig und souverän. Knapp 90 UN-Mitgliedsstaaten erkennen diese Erklärung an. Ein angestrebter Beitritt zur UN (Widerstand Russlands) oder zur EU (nicht alle EU-Staaten erkennen die Unabhängigkeitserklärung an) liegt aber wohl noch in weiter Ferne. Annähernd 90% der Bevölkerung sind albanischen Ursprungs. Die serbische Minderheit hat nach Vertreibung im nördlichen Kosovo Fuß gefasst, eine Region die de facto nicht von der kosovarischen Regierung kontrolliert wird. Das rührt auch daher, weil die Kosovo-Serben jegliche Zusammenarbeit mit der Regierung der Republik ablehnen. Die jüngste Geschichte der Region ist also äußerst bewegt und es wird spannend sein, die weitere Entwicklung des Landes zu beobachten.

Bild Am Busbahnhof stieg ich aus, um mich zunächst mal über die Weiterreise nach Tirana am nächsten Tag zu erkundigen. Morgens fahren Busse um vier, fünf und sechs Uhr und dann erst nachmittags wieder. Der 6:00-Bus sollte reichen, also direkt mal das Ticket für 16 Euro geholt. Nun lief ich den guten Kilometer zu meiner Unterkunft. Günstige Übernachtung zu bekommen ist in Pristina nicht so einfach, da schlicht nicht sehr zahlreich vorhanden. Ich hatte mich für 10 Euro für ein Bett im ‚Trip House’ entschieden. Der Eindruck den ich auf der Buchungsseite im Internet bekommen hatte, bestätigte sich. Altin und sein Mitbewohner vermietet zwei Zimmer seiner Privatwohnung, die sich in einem herrlich verrotzten Wohnblock befindet. Bild Allein das Treppenhaus ist ein Traum. Die beiden vorhandenen Aufzüge funktionieren nach Altins Aussage mal und mal nicht. Um meine Woche Urlaub nicht im Aufzug eines alten Plattenbaus zu verbringen, wählte ich lieber für jeden meiner Gänge in den fünften Stock die Treppe. Seine Wohnung weiß Altin aber in einer Mischung aus ungewolltem 70er-Jahre-Stil und sozialistischer Moderne ganz gemütlich zu gestalten. Und auch weil er wirklich ein netter Kerl ist, habe ich mich bei ihm absolut wohl gefühlt. Ich warf also kurz meine Sachen in sein Appartment, trank einen Kaffee mit ihm, quatschte kurz mit ihm einen aus und dann musste ich auch schon wieder los zum ersten Spiel der Tour. Der kosovarische Verband hatte mir das Heimspiel des KF Pristina ja geklaut, in dem es auf Freitag vorgezogen wurde (im Kosovo wird im Grunde nie Freitags gespielt, aber war wieder klar, dass das Spiel dass ich sehen will diesen seltenen Termin genießen darf), also hieß mein Ziel Gjilan, einer 80tsd-Einwohner-Stadt südöstlich von Pristina. Im dortigen ‚Stadiumi i Qytetit’ trafen der KF Drita und Trepca Mitrovice aufeinander. Ein Spiel von dem nicht wirklich viel zu erwarten war und ich hatte ja eh keine Ahnung, was Fussi im Kosovo taugen würde. Vom Busbahnhof Pristina fahren alle 20 Minuten Busse nach Gjilan, Fahrpreis zwei Euro für etwa eine Stunde Fahrt. Dem Busfahrer wurde mit Händen und Füßen mitgeteilt, dass er mich an der richtigen Stelle rausschmeißen soll. Gjilan scheint eine ganz schön quirlige Stadt zu sein, war jedenfalls ne ganze Menge los auf den Straßen. Nach ein paar Minuten Fußweg, stand ich dann auch schon am Stadion, dass ich gegen zwei Euro Eintritt betreten durfte. Unüberdachtes altes Teil. Je eine mehrstufige Gerade, die auf einer Seite vom Sozialgebäude begrenzt wird, und hinter den Toren nichts. Während ich keine Gäste ausmachen konnte, war ich vom Auftritt des Heimanhangs überrascht. Von den gut 800 Zuschauern, war die Hälfte am aktiven Support beteiligt. Optisch wurde zwar außer zwei Zaunfahnen nichts geboten, aber die Lautstärke war recht beeindruckend. Bild Laute Gesänge und Schlachtrufe, die von den umliegenden Häusern brachial zurückgeworfen wurden. Dazu immer wieder rhythmische Hüpf- und Klatscheinlagen der ganzen Gruppe. Auch der Kick war gar nicht so schlecht, wie ich es befürchtet hatte. Trepca ging früh mit zwei Toren in Führung, Drita erzielte kurz nach dem Wechsel den Anschluss. Ab da wurd es hitzig. Drita drängte auf den Ausgleich. Ein wegen Abseits nicht anerkanntes Tor, sowie zwei strittige Szenen im Sechzehner ohne Elferpfiff brachten den Kick an den Rand des Abbruchs. Gut fünfzig Mann auf dem Zaun und einer auch schon darüber hinweg, ein Plastikflaschenhagel auf den Lines-Man, gefüllte wie ungefüllte Flaschen, alles war im Angebot. Die Spieler ließen sich davon anstecken und gingen sogar den Referee tätlich an, in dem sie ihn mehrfach mit beiden Händen wegstießen. Statt Platzverweisen, gab es aber einfach mal nix. Die Szenerie erhielt einen etwas bizarren Rahmen, als ausgerechnet während der Tumulte der Muezzin der benachbarten Moschee zum Gebet rief. Die Lage beruhigte sich dann aber doch wieder und die Gäste nahmen die Punkte am Ende überraschend wie glücklich mit in den Norden des Landes. Überhaupt nicht zum ganzen Gehabe passte, dass die Gastmannschaft sowohl beim Einlaufen, als auch nach dem Schlusspfiff, mit Applaus bedacht wurde. Schließlich wurde 93 Minuten Gift und Galle auf das Trepca-Team gespuckt. Letztlich zeigt das aber, dass alles irgendwie doch ein Spiel bleibt, wenn auch mit sehr großzügigen Spielregeln.

Mit dem nächsten Bus ging es zurück nach Pristina. Ich lief mal ein wenig durch die Stadt und wenn man das Zentrum mal ausnimmt, bietet sich immer dasselbe Bild. Es folgt auf eine Autowerkstatt ein Autowaschbetrieb, dann wieder eine Werkstatt, dann eine Tankstelle und dann ein Waschbetrieb und nun geht’s wieder von vorn los. Ich habe keine Ahnung was die Kosovaren mit diesem Überangebot der genannten Dienstleistungen anfangen wollen. Bild Zumal Entsorgung auf Kosovarisch heißt, sein kaputtes Fahrzeug einfach am Straßenrand abzustellen und verrosten zu lassen. Zudem hat man in der Stadt immer wieder den Geruch von Ruß, Rauch und Abgasen in der Nase. Nee, Pristina fand ich nicht so toll, auch wenn die Menschen sehr freundlich und hilfsbereit sind und es auch durchaus wirtschaftliche Entwicklung in Form von neuartigen Glasbauten inner- und außerhalb der Stadt zu entdecken gibt. Ich lief mal am Stadion vorbei, das mit dieser ungedeckten Dachkonstruktion ja auch einen ganz eigenen Charakter hat, und setzte mich dann in ein recht ansprechendes Restaurant, in dem auch nur Westeuropäer zu speisen schienen. Für zehn Euro gab es Tomatencremesuppe, Brot mit Dipp, unfassbar viel gegrillte Hühnerbrust, Gemüse und Kartoffelspalten und einen halben Liter Gezapftes. Völlig vollgestopft ging ich dann zurück zu Altins Bude, nahm mir noch zwei Fläschchen Bier mit und setzte mich zu Altin und seinem Kumpel in die Wohnküche, schaute ein bisschen ins Internet und unterhielt mich mit den Beiden. Gegen Mitternacht hieß es dann ab in die Falle. Schließlich musste ich um fünf Uhr wieder aufstehen.

So. 11.03. 17:00 – Dinamo Tirana vs Tomori Berat 4:1 (Superliga), 1.500 Zuschauer (1.000 Gäste)

Also quälte ich mich in aller Herrgottsfrühe aus der Pofe. Entgegen der Ankündigung von Altin gab es bis zum Verlassen der Wohnung kein warmes Wasser, wodurch Haare waschen entfiel. Um zwanzig vor sechs war ich bei diesigem leicht schneestaubigem Wetter am Busbahnhof. Oh nein, steht da doch ein Minibus mit unbequemen Sitzen mit niedriger Rückenlehne. Hatte mich auf einen vernünftigen Reisebus gefreut, um weiterzupennen. Der Fahrer sprach kaum Englisch aber gutes Deutsch, da er mehrere Jahre im Schwarzwald gelebt hatte. Das erleichterte mir, meinen Wunsch zu äußern, dass ich eine gute Stunde vor Ankunft in Tirana, Höhe Lac aus dem Bus springen wollte, da ja dort um 13:00 ein Erstliga-Kick über die Bühne gehen sollte. In Prizren wurde eine kleine Pause gemacht und ein Kaffee getrunken, der auf Rechung des Fahrers ging. Danke dafür. Außerdem fand hier ein Kutscherwechsel stand. Ein anderer, etwas unsympathisch wirkender Mann übernahm das Steuer, der deutschsprachige blieb in Prizren, übermittelte dem neuen Fahrzeugführer aber mein Aussteigeanliegen. Bild Hinter Prizren beginnt die neue Autobahn die durch die Berge gehauen wurde und die Fahrzeit für die Strecken Pristina-Tirana von zehn auf fünf Stunden halbiert. Der Grenzübertritt war Formsache, meinen Kosovo-Einreiseschein interessierte erwartungsgemäß keine Sau. Das Wetter besserte sich zusehends und die Gebirgslandschaft im Grenzgebiet ist wirklich faszinierend. Unterwegs hielt der Fahrer zweimal kurz an. Zunächst kaufte er in einem Shop eine Packung Schokoriegel für und dann an einem Obststand noch eine Tüte Birnen für die Passagiere. Alles ‚on the house’ – sehr nett!! Hatte mich in dem Mann sowieso getäuscht. Als ich dann ausstieg, verabschiedete er sich mit Handschlag von mir und ich ging meines Weges. Nach einigen Metern hupt es. Ich drehe mich und sehe wie der Fahrer auf mich zugerannt kommt. Ohje, was ist nun? Ach so, nur seine Visitenkarte, falls ich mal wieder in Albanien bin und einen Personentransport brauche. Bild Hatte nun etwa 3 km Fußweg nach Lac vor mir, die sich zogen wie Kaugummi. Zudem war es mittlerweile bei blauem Himmel ganz schön warm. Zunächst kam mir aber erstmal eine Schafherde entgegen. Irgendwann nähert sich von hinten ein Traktor Marke Vorkriegsmodell. Der alte Bauer bedeutete mir aufzusteigen, was ich natürlich gerne annahm. Klasse – wir unterhielten uns in unterschiedlichen Sprachen. Das Gefährt – ein altes russisches, wie ich erfuhr – war so dermaßen fertig, dass er ständig nach links und rechts gegenlenken musste, damit wir überhaupt annähernd in der Spur blieben. Kurz vor dem Ortsbeginn stieg ich wieder ab, da er in ein Feld abbog. Irgendwas wollte er aber noch und ich denke „Oh, Geld“. Als ich einen Euro hervorzog, reagierte er aber total beleidigt und hatte plötzlich sein Handy in der Hand. Komisches Bild – ein uralter Mann auf einem noch älteren Traktor mit einem halbwegs neuwertigen Handy. Nummern tauschen war mir aber zu viel des Guten (in welcher Sprache hätten wir auch telefonieren sollen) und ich bedeutete, kein Handy zu besitzen. Trotzdem Danke, guter Mann. Das war doch schon ne tolle Gastfreundschaftsgeste.

Bild In Lac dann albanische Lek am Automaten besorgt und ein wenig auf einer Bank in der Sonne gechillt. Dann brach ich zum Stadion auf. Neben diesem, einem kleinen reinem Fußballstadion, befindet sich eine vor sich hin gammelnde Industrieruine, die eine gewisse Endzeitstimmung vermittelt. Bild Das Stadion war offen, aber es war gut 30 Minuten vor Spielbeginn überhaupt nix los. Verdächtig! Also mal im Shop nebenan gefragt. Die Dame konnte kein Englisch, verstand aber meine Frage trotzdem und fing an zu telefonieren. Plötzlich taucht fünf Meter neben mir ein verzweifelt telefonierender Typ mit einschlägiger Literatur in der Hand auf. Klarer Fall – ein Gleichgesinnter. Mal wieder fast unglaublich – selbst hier in diesem Kaff bei einem Ananas-Kick. Matthias aus Wiesbaden, auch auf den Namen ‚Fump’ hörend, war für drei Wochen mit dem eigenen Auto in Südost-Europa unterwegs. Das macht zwar flexibel, aber ist doch irgendwie auch wahnsinnig. Aber ein wenig irre sind wir ja alle. Während wir uns gegenseitig ansprachen, hatte die Shopbesitzerin kurzerhand mit dem Präsidenten des KF Lac telefoniert. Das Spiel fand wegen Zuschauerrandale unter Ausschluss der Öffentlichkeit im 60 km entfernten Shkoder statt. Für uns nun also unerreichbar und auch nicht mit dem späteren Spiel in Tirana zu verbinden. Also kurz Frust geschoben und dann fuhr ich mit Matthias nach Tirana. Bei der Quatscherei während der Fahrt fiel dann auch beidseitig der Groschen: Wir hatten uns Ende des letzten Jahres bei einem Amateurspiel in Essen schon mal gesehen. Allerdings ohne näher in Kontakt zu treten. Fump hatte sich bereits am Vortag im ‚Tirana Backpackers’ im 6er-Dorm eingebucht. Ich tat es ihm für12 Euro je Nacht gleich. Er wusste noch mit der Info zu glänzen, dass der Kick von Dinamo nicht im kleineren ‚Stadiumi Selman Stermasi’ sondern im Nationalstadion ‚Qemal Stafa’ angepfiffen wird. Hätt ich noch mal vorm falschen Ground gestanden, allerdings sind die beiden nur einige hundert Meter voneinander entfernt. Wir suchten und fanden ein ansprechendes Etablissement zur Nahrungsaufnahme. Eine kleine Grill-Bar bekam den Zuschlag. Der Wirt war auch super. Der war nur am Lachen und machte ständig Faxen. Da wir ein Verständigungsproblem hatten, nahm er mich kurzerhand mit in die Küche, damit ich auf das zeigen konnte, was wir wollten. Zwei Spieße, zwei Cevapcici, dazu ein bisschen Gemüse, Oliven und Brot mit Feta-Dipp – ein Traum!! Zwei halbe Liter einheimischer Gerstensaft zischten dazu in der Sonne herrlich und das Ganze all-in für uns beide für zusammen umgerechnet zehn Euro. Albanien stellte sich sowieso als das bisher günstigste bereiste Land heraus. Bild Nun ging es zum Stadion, dass ja von Länderspielen aus dem TV bekannt ist. Ist aber ein ganz schön vergammeltes Ding. Unfassbar, dass die UEFA das für Quali-Spiele freigibt. Ticket für die Gegengerade gab es für 300 Lek (= ca 2,10 Euro). Dann mal rein in die Schüssel. Allseater mit Umlaufbahn, relativ niedrige Haupttribüne und kurven aber eine richtig hohe und steile Gegengerade. Diese war in der Mitte geteilt – eine Seite für die etwa 30 aktiven Heimfans und die andere für die Gäste, die mit etwa 1000 Leuten erstaunlich zahlreich vor Ort waren und damit zwei Drittel des Publikums stellten. Bild Die Entfernung nach Berat beträgt gute 100 km und man kommt in Albanien ja nicht grad schnell vom Fleck. Allerdings fiel mir bei späterer Recherche auf dass Tomori bei Heimspielen auch immer gute 5000-6000 Fans begrüßt. Für albanische Verhältnisse bemerkenswert, zumal der Club in der Tabelle auch nicht grad gut dasteht. Die Tomori-Fans legten auch ganz gut los. Von den Heimfans war nix zu hören. Dinamo hatte aber in der ganzen Saison bisher nicht gewonnen und nur fünf Remis geschafft und war damit abgeschlagen Letzter. Von den fünf traurigen Pünktchen wurden auch noch drei wegen finanzieller Probleme aberkannt. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Dinamo schoss sich in der ersten halben Stunde eine 4:0-Führung heraus. Nach der Pause versuchten die Gäste-Anhänger ihr Team noch mal zu pushen, aber es gibt so Tage, da geht einfach nicht viel und es reichte nur zum Ehrentreffer. Ich hatte noch ein wenig Schwein. Als ich durch den Ground turnte, um Bilder zu machen, trat ich auf eine unbefestigte Sitzschale und legt mich ziemlich heftig auf den Bart. Ist aber soweit nix passiert, lediglich der Zeigefinger der rechte Hand wurde in Mitleidenschaft gezogen und wohl ein wenig geprellt. Schwoll jedenfalls ziemlich an, aber nach zwei Tagen ging es dem Tentakel schon wieder deutlich besser. Die Heimmannschaft nahm den ersten Saisonsieg eher gelangweilt zur Kenntnis und verschwand nach dem Abpfiff sofort in der Kabine. Wir dagegen verschwanden noch in einem Kebab-Grill und danach im Hostel. Die Betreiber sind ganz lockere und nette Leute und vermitteln eine entspannte Atmosphäre. Es wurden noch ein paar Bier in Ruhe geschlürft, ich schaute im Internet noch nach Heimflug-Verbindungen, konnte mich aber noch nicht so recht entscheiden. Danach ging es dann ab in die Heia.

Mo. 12.03. – Off-Day

Hm. Heute kein Fußball. Hilfe, fühl ich mich leer. Erstmal bis 10:00 ausgepennt. Das war bitter nötig nach zwei kurzen Nächten. Außerdem lag ich zwischendurch mal ein Stündchen wach, da Colin, der Engländer der unter mir im Etagenbett lag, ordentlich den Schnarchapparat angeschmissen hatte. Matthias brach dann zeitig auf in Richtung Mazedonien. Bild Nach ein wenig Internetkonsum – ich wurde mir einfach nicht klar, wie ich den Schluss der Tour und die Abreise gestalten sollte, egal, Entscheidung erstmal wieder vertagt – startete ich bei 17 Grad und Sonnenschein nach ausgiebiger Körperpflege – Duschen kann so unglaublich runderneuernd wirken – eine Sightseeing-Runde durch Tirana. Die Stadt hat mit Agglomeration etwa 800tsd Einwohner. Bild Die Stadt litt, wie auch das ganze Land, stark unter der durch den kommunistischen Diktator Enver Hoxha auferlegten Isolation, die auch ein totales Religionsverbot beinhaltete. Erst nach dessen Tod im Jahre 1985 besserte sich die Situation des Landes und seit der Abwendung vom Kommunismus in 1990 geht es auch wirtschaftlich langsam nach oben. Allerdings ist der Übergang von der sozialistischen Plan- zur offenen Marktwirtschaft ein zäher Prozess, da vor allem die Infrastruktur des Landes, Verkehrswege, Strom- und Wassernetz, noch völlig zerschossen sind. Bild Aber der erste Eindruck bestätigte sich. Die Stadt ist gar nicht so übel und es hat sich nach der Wende zur Demokratie schon einiges getan. Trotzdem gibt es natürlich zwischendurch immer wieder Merkmale bitterer Armut. Diesbezügliches 'Downlight' war eine Familie, die ein ausgedientes Omnibus-Wrack als Wohnung nutzte. In der zentralen kleinen Grünanlage lies ich mich nieder um ein wenig in dem mitgebrachten Hopping-Mag zu lesen. Bild Nach kurzer Zeit setzte sich ein völlig normal aussehender Mann auf die Bank neben meiner, musterte mich und sprach mich an, ob ich Tourist sei. Ich machte den Anfängerfehler und antwortete. Und schwups, saß er schon neben mir und wollte in einem unglaublichen Sprachgemisch einiges Wissen. Allerdings eher auf die unsympathische Art, der Kerl wirkte irgendwie schmierig und listig. Ich blieb hartnäckig bei meiner Muttersprache und sagte mehrfach nachhaltig, dass ich lesen wolle und irgendwann schlich er sich dann. Doch keine drei Minuten danach stand son Opa vor mir und laberte mich an. Dieses Mal brachte Nichtbeachtung den sofortigen Erfolg und weg war er. Kleine nervige Geschichte. Es kann ja nicht alles nur Friede-Freude-Eierkuchen sein. Um diese Nummer aber nicht mit jedem in diesem Park befindlichen Menschen durchzuspielen, zog ich weiter. In ner Bäckerei ein superleckeres Blätterteighörnchen mit Blattspinatfüllung für 35 Lek (= 25 Cent) geholt und dann ab zum Bahnhof. Hatte mich entschieden in die Hafenstadt Durres zu fahren. Zum einen um mal das Meer zu riechen, zum anderen weil ja Bahnfahren in Albanien ein Erlebnis sein soll. Die gute Stunde Fahrt (40 km) ist für 70 Lek (= 50 Cent) zu haben. Bis zur Abfahrt des Zuges war noch Zeit. Neben dem Ticketschalter grillte ein Frau auf einem Uralt-Grill Cevapcici. Ich genehmigte mir für 70 Lek ein Cevapcici-Brötchen. Danach schlörte ich über den benachbarten Markt und erstand für umgerechnet 6 Cent einen Kugelschreiber. Ich kam an zwei Männern vorbei, die vor einem Mini-Markt auf umgedrehten Bierkisten saßen und Backgammon spielten. Eine ganz schöne Szene und ich fragte ob ich ein Foto machen dürfe. Klar, kein Ding, woher ich käme? Deutschland? Ach so. Und weiter gings in deutscher Sprache. Wieder ein echt netter Typ. Hatte ne Zeit lang in Kassel gelebt und noch ne Schwester in Deutschland. Ob ich was trinken wolle? Nein, leider keine Zeit, der Zug fährt. Ok, machs gut und grüß Deutschland von mir. Alles klar, mach ich. Irgendwie reihte sich hier eine nette Begegnung an die nächste.

Bild Der Zug war dann auch der Kracher. Alte, teilweise deutsche Waggons. Alle Scheiben waren gesprungen und die, die nicht gesprungen waren, waren gar nicht mehr im Rahmen drin. Frischluft-Garantie! Ich setzte mich in ein Abteil zu einer Dame mittleren Alters und einem älteren Herrn und ich saß noch nicht ganz, da lachte und sprach sie mich schon an. Sie sprach kein Wort Deutsch oder Englisch, ich kein Albanisch oder Italienisch und doch entwickelte sich eine wunderbare Unterhaltung mit Händen und Füßen. Schon interessant, was man voneinander erfahren kann ohne eine gemeinsame sprachliche Grundlage zu haben. Herrlich. Die Fahrt war auch ein echtes Erlebnis. Der Zug fährt höchstens mal 50 km/h, eher weniger, aber der Versatz zwischen den Schienen ist so groß und die Kurvenlage so überextrem für das mäßige Tempo, dass man ständig meint, gleich kippt der Zug aus den Schienen. Ich hatte keinen Plan von Durres und mich vorher nicht dafür interessiert, wie die Stadt liegt, mein Orientierungssinn lässt mich ja selten im Stich. Also aus dem Bahnhof raus, nach dem Stand der Sonne gerichtet und einfach losgelaufen, aber es kam kein Meer in Sicht. Ich erklomm einen etwas höher gelegenen Stadtteil und sah dann, dass ich in die völig falsche Richtung gelatscht war. Verdammt. Die Küstenlinie hat bei Durres so ne Art ‚Hakennase’ und ich hätte mich südlicher halten müssen. Also neue Richtung, gleiches Ziel. Als ich dann endlich am Meer ankam, war mir der Industriehafen im Weg. Dann immer schön parallel zum Hafengelände, aber dass nahm und nahm kein Ende und plötzlich stand ich wieder vorm Bahnhof. Dieses Dämels-Meer liegt echt nur 100 Meter vom Bahnhof entfernt. Ich hätte mich nach dem Aussteigen nur für die andere Richtung entscheiden müssen. Nun war ich von der vielen Lauferei des Tages kaputt und das Meer konnte mich mal. Also ab in den nächsten Bus zurück nach Tirana, 130 Lek (= 95 Cent). Wucher!!!

In Tirana führte mich der Weg dann zur Grill-Bar meines Vertrauens. Leider war der lustige Besitzer vom Vortag nicht da, sondern ein junger aber sehr netter Mitarbeiter führte den Laden. Wieder ne Ladung Fleischspieße und Würste geordert und zwei schöne leckere Zapfbier. Die Bar war gut gefüllt, ich fiel wieder als Ausländer auf und direkt war ich wieder im Gespräch. Ein Mann sprach auf mich ein. Es hingen verschiedene mit Fußball zusammenhängende Bilder an der Wand, auf die er mich hinwies und mir irgendwas erklärte. Die Frage, die ich mir aber eigentlich stellte war: „Hab ich eigentlich Fußball auf der Stirn stehen???“ Danach in Ruhe durch das abendliche Tirana zum Hostel zurückspaziert und bei ein paar Bier dem World Wide Web gefrönt. Beim Check der Ansetzungen des montenegrinischen Mittwochs-Spieltages, stellte ich dann fest, dass der Kick von Podgorica auf 17:00 gelegt wurde. Sehr schön, dass ermöglichte vorher noch ein weiteres Spiel. Gegen Mitternacht fiel ich dann ins Bett. Mal wieder fiel zu spät, da ich ja früh wieder raus musste. Colin schnarchte wieder vor sich hin. Mir war’s egal – die Müdigkeit siegte schnell.

Di. 13.03. – Reisetag

Die innere Uhr funzte wieder vorzüglich. Eigentlich zu vorzüglich und so war ich bereits um 4:30 wach. Kurz das Schnäuzchen geputzt, Sachen gegriffen, mich vom Hostelwirt, ein echt cooler Typ, und seiner Hündin, die beide im Aufenthaltsraum nächtigten, verabschiedet und dann mal ab zum beschriebenen Ort, wo die Furgons nach Shkoder abfahren sollten. Und da stand auch son Ding, schon vollgepackt bis unters Dach mit irgendwelchem Krempel und auch menschlich fast komplett besetzt. 500 Lek sollte es kosten und damit 100 mehr als von der Hosteltante kommuniziert. Die Fahrt war unspektakulär und ich achtete drauf, ob andere weniger bezahlten (man löhnt erst beim Aussteigen), aber ständig stieg auf der Strecke einer aus oder ein und es flog die Kohle kreuz und quer durch den Bus, sodass ich den Überblick verlor. Und 500 von den Dingern sind grad mal 3,20 EUR für 90 Minuten Fahrt (96 Kilometer), also scheiß drauf. Um das Sitzplatzangebot zu optimieren wurde durch den Fahrer auch noch ein Plastikhocker in den Gang gestellt. Sollte man in Deutschland auch mal versuchen. Würd mich interessieren, was die Bullerei im Zweifelsfall dazu sagt. In Shkoder quatschte ich einen Mitaussteiger an, der mich an die Stelle brachte, von wo der Bus nach Ulcinj fährt. Die Möhre stand auch schon da, aber fuhr halt erst um 9:00. Also mal zum nahen ‚Stadiumi Loro Borici’ gelatscht und siehe da eine Tür war offen und der freundliche ältere Herr hinter eben dieser bat mich auf Nachfrage herein. Bild Es war kurz vor acht und irgendwelche Nachwuchsteams bereiteten sich auf ein Spiel vor. Himmel, so früh musste ich selbst als Kreisliga C-Fußballgott nicht antreten. Das ‚Loro Borici’ des KS Vllaznia ist auch supergeiles vergammeltes Teil. Bild Ein Gerade und eine Kurve hochausgebaut, blaue verblichene Schalen, in denen weiße den Vereinsnamen abheben. Die andere Gerade deutlich flacher und die verbleibende Kurve unausgebaut, alles unüberdacht. Eigenartiges aber kultiges Ding. Kurz abgeknipst und dann zurück zum Bus. Irgendwann ging es dann mit nur fünf Passagieren völlig unterbesetzt los – kann sich bei fünf Euro Fahrpreis doch auch nicht lohnen. Mir egal. Die Grenze problemlos bewältigt und „Welcome to Montenegro“. Was bedeutet das eigentlich übersetzt? Schwarzberg? Ach nee, wortwörtlich wohl eher ‚Bergschwarzien’. Da die Straße gelinde gesagt beschissen ist, braucht der Bus für die 43 Kilometer fast zwei Stunden. Schön fand ich noch, dass hinter Shkoder ein offizielles Schild steht, auf dem Vienna, Prague und Berlin mit Entfernungsangabe aufgeführt sind. In die deutsche Hauptstadt sind es von dort übrigens 1906 Kilometer.

Bild Bild Um viertel vor elf trafen wir in Ulcinj ein, dort musste ich erneut den Bus wechseln. Montenegro genießt seit dem Austritt aus der Föderation Serbien-Montenegro im Jahr 2006 Unabhängigkeit. Im Gegensatz zu Abspaltungen anderer ehemals jugoslawischer Staaten, verlief die Trennung von Serbien völlig geräuschlos. Währung ist wie im Kosovo der Euro. Da man aber ebenfalls kein Mitgliedsstaat ist, hat auch Montenegro (wie der Kosovo auch) kein Recht, eigene Münzen zu prägen. Der nächste Bus nach Podgorica fuhr um 12:00. Also hatte ich ein wenig Zeit, die ich mir mit zwei Espresso in einem Cafe verkürzte. Der Bus fuhr dann pünktlich los. Ich sprach einen der Mitfahrer auf Englisch an, wie lang die Fahrt dauern würde und nach seiner Frage, woher ich käme, konnten wir uns dann auf Deutsch unterhalten. Bild Er hatte die deutsche Sprache und deutsche Geschichte studiert. Die Fahrt ging zunächst von Ulcinj nach Bar an der Adria-Küste entlang. Da wir wieder blauen Himmel und angenehme Temperaturen zu vermelden hatten, war die Strecke natürlich ein Traum. Wie überhaupt die ganze Fahrt. Montenegro ist wirklich wunderschön und weiß landschaftlich, mit seinen noch schneebedeckten Gebirgsketten, die zum Dinarischen Gebirge gehören, zu gefallen. Um 14:00 trafen wir dann in Podgorica ein. Das von mir gewählte ‚Montenegro Hostel’ befindet sich in einer Nebenstraße unweit des Bahnhofs und war schnell erreicht. Pedro empfing mich sehr freundlich und aus meinem gebuchten Bett für 13 Euro pro Nacht im 4er-Dorm war eins im 2er geworden. Diesen Raum hatte ich luxuriöserweise allein zur Verfügung. Hab ich mich nicht gegen gewehrt. Bild Nachdem ich mich sortiert hatte, buchte ich dann endlich mal meinen Rückflug. Derjenige von Budapest bekam den Zuschlag. Zum einen mit 37 Euro einfach supergünstig, zum anderen versprach es für Sonntag noch zwei Spiele, da ich dank eines Tips aus dem Forum nun endlich eine brauchbare Nachtverbindung von Zagreb nach Budapest wusste. Pedro zeichnete mir auf einer Karte noch ein paar sehenswerte Punkte ein und dann ging es auf einen entspannten Rundgang durch die 150tsd-Einwohner-Stadt. Podgorica ist die Hauptstadt Montenegros. Als Montenegro noch Teil Jugoslawiens war, hieß die Stadt Titograd, zu Ehren des damaligen Machthabers, der Podgorica 1944 aus den Fängen der Nazis befreit hat. Podgorica bedeutet frei übersetzt ‚unterhalb des Hügels’. Bild Bild Das trifft mehr als den Punkt und ist untertrieben, den einige Kilometer außerhalb liegen fast um die gesamte Stadt herum, beeindruckende Berge. Podgorica weiß zu gefallen. Bild Zwar sieht man zwischendurch immer wieder ein wenig sozialistisch angehauchte Architekturscheiße, die sich übermäßig durch Plattenbauten optisch bemerkbar macht, aber selbst diese sind teilweise saniert. Ansonsten gibt die Stadt Vollgas. Es wird an mehreren Stellen gebaut und überwiegend sieht man bereits moderne und neue Wohn- und verglaste Geschäftsbebauung. Prinzipiell kann man die City mit ostdeutschen Städten vergleichen. Nach der Wende hat sich gut was getan, aber alles auf einmal geht halt nicht.

Mein Weg führte mich zufällig durch ein Plattenbau-Viertel, das haufenweise mit Buducnost-Graffitis geschmückt war – Bild Bild Bild Bild ich fühlte mich fast wie im Graffiti-Paradies und kam aus dem Knipsen kaum raus. Allerdings meldete sich mein Magen deutlich, denn wirklich viel zu mir genommen hatte ich ja heute bisher nicht. Als ich so die auf die Karte schaute, die mir Pedro gegeben hatte, fiel mir ‚Ninos Grill’ ins Auge, denn dahinter war das magische Wort „cheap“ notiert. Dazu war der Laden in unmittelbarer Nähe des Hostels. Auf dem Weg dorthin noch in diversen (Sports-)Bars gefragt ob abends Chamions League gezeigt würde, was alle bejahten, aber unbedingt Inter zeigen wollten. Dabei hätte mich der Bayern-Kick aufgrund eines möglichen sensationellen Ausscheidens derer (Anmerkung der Redaktion: War wohl leider nix) deutlich mehr interessierte. ‚Ninos Grill’ erinnerte an eine überdimensionierte Blockhütte mit Wintergarten. Die Speisekarte wusste mit allen Köstlichkeiten der Balkanküche zu glänzen. Also wurde ein ‚Pljeskavica’ bestellt und keine zehn Minuten später lag der Hackfleisch-Frisbee vor mir. Dazu die obligatorischen gehackten Zwiebeln, Brot und frisch geschnittene Pommes. Ein Traum! Hab ich schon mal erwähnt, dass ich dieses Zeug liebe. Zusammen mit zwei halben Litern ‚Jelen Pivo’ grad mal 7,90 Euro. Das geht. Nach dem Schlachtfest ging es die 100 Meter zum Hostel. Vorher noch zwei Dosen Bier aus dem Mini-Shop geholt. Der Inhaber sprach nur bedingt Englisch und frug mich nach meiner Herkunft. Als ich diese mit ‚Nemacka’ angab, sagte er: „Ach sag das doch gleich…“ Soviel dazu…. Im Hostel kommen dann zwei Typen rein und quatschen den Wirt auf Englisch an. Konnten eigentlich nur Landsleute sein. Und siehe da, es waren zwei von den drei Duisburger Jungs, von denen ich wusste, dass sie auch auf dem Balkan unterwegs sind. Die Hopping-Welt ist und bleibt halt irgendwie überschaubar. Der Abend klang dann im Hostel beim Champions League-Fußball im TV aus und ich war auch froh, als ich endlich in der Falle lag.

Mi. 14.03. 14:30 – FK Zeta Golubovci vs FK Sutjeska Niksic 0:0 (Prva Liga), 400 Zuschauer (50 Gäste)
Mi. 14.03. 17:00 – FK Buducnost Podgorica vs FK Rudar Pljevlja 0:2 (Prva Liga), 5.000 Zuschauer (300 Gäste)


Am nächsten Morgen war erst einmal Auspennen angesagt. Mit den Duisburgern (Frederic, Martin, Sebastian) einigte ich mich auf einen Treffpunkt um 13:00 am Busbahnhof, um dann gemeinsam ins etwa 12 km entfernte Golubovci zu fahren, um dem dortigen Erstligakick zu frönen. Bild Nachdem ich mich dann einigermaßen sortiert hatte, latschte ich am Stadion vorbei auf eine Anhöhe, von der man die Stadt ganz gut überblicken konnte. Ganz nett, hätte die zeit aber sinnvoller nutzen können. Eigentlich wollte ich nämlich im Shopping-Viertel nach einem neuen T-Shirt Ausschau halten. Da ich unerklärlicherweise nur zwei Shirts eingepackt hatte, waren die mittlerweile hart am Rande der Tragbarkeit und ich brauchte dringend was Frisches. Die Zeit wurde dann aber doch zu knapp und ich entschied mich zum Treffpunkt zu laufen. Vorher wollte ich mir noch das Bahnticket für den Tagzug nach Belgrad für den Donnerstag holen. Gut das ich das vorhatte, denn es stellte sich heraus, dass momentan nur der Nachtzug fährt. Warum konnte ich allerdings nicht in Erfahrung bringen. Den Nachtzug mit Abfahrt 20:05 wollte auch Fraktion Duisburg nutzen, so dass die Planänderung letztlich nicht so schlimm war. Zwar bekam ich das Geld für die zweite Übernachtung nicht zurück und ich hätte die offenbar sehr schöne Strecke durch das Dinarische Gebirge, dass sich bis auf 2500 Meter erhebt, auch gern bei Tag zurückgelegt. Aber so hatte ich wenigstens angenehme Gesellschaft für die etwa zehnstündige Fahrt, also für 19,20 Euro das Ticket für den Sitz-Abteilwagen erstanden.

Nun ging es aber zunächst nach Golubovci. Uns wurde mitgeteilt, dass Nahverkehrsbusse dorthin verkehren. Also mal an die Haltestelle begeben und die dortigen Schul-Teenies interviewt. Bus Nr 22 sollte es sein. Da wir keine Geduld hatten wurde aber der erstbeste Minibus geentert, der das Ziel auf seiner Fahrstreckenanzeige aufführte. An irgendeiner Kreuzung wurde uns bedeutet auszusteigen. Ich hatte mir vorher bei Google Maps die Lage des Stadions angeschaut und wusste also in welche Richtung wir uns wenden mussten. Unterwegs noch von einen Einheimischen (der ‚natürlich’ ein paar Brocken Deutsch konnte) den Weg bestätigen lassen und nach etwa 25 Minuten trafen wir am Ground ein. Bild Der Eintritt war zurecht kostenlos, denn die Spielstätte kann mal nicht viel. Auf einer Geraden erhebt sich eine etwa 15-stufige Tribüne, die im Grunde, bis auf einen kleinen überdachten Bereich, keine expliziten Sitzgelegenheiten bietet, aber eben doch in dieser Weise genutzt wird. Bild Die Gästefans, eine Busladung voll, die erst kurz vor Beginn ins Stadion gelassen wurde, musste mit dem kleinen Graswall auf der anderen Seite Vorlieb nehmen. Auf der Heimseite existiert keine organisierte Szene, die Jungs aus Niksic supporteten aber konstant im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Dem gebührt eigentlich alle Achtung denn der Kick war absolut zum abgewöhnen. Das war aber zu einem sehr guten Teil den Platzverhältnissen geschuldet, denn das Geläuf erreichte maximal das Niveau eines biederen Dorfbolzplatzes. Eine Viertelstunde vor Schluss verließen wir den Ort der sportlichen Magerkost (letztlich konnte das Gerumpel nur torlos ausgehen und dem war dann auch so) und machten uns schnellen Fußes auf den Weg zurück zur Durchgangsstraße nach Podgorica. Dort eine alte Taxi-E-Klasse bestiegen und für fünf Euro ging es zurück in die montenegrinische Hauptstadt. Amüsant war noch der Pitstop, als der Fahrer mit einem Affenzahn auf das Tankstellengelände einbog, bei laufendem Motor dem Tankwart einen Schein in die Hand drückte und nach Entfernen der Zapfpistole umgehend wieder los jagte. Irgendwie hab ich nur die Jungs in den feuerfesten Overalls vermisst. Zeitiger als erwartet waren wir dann am Stadion ‚Pod Goricom’, welches auch von der Nationelf des Landes bespielt wird.

Bild Bild Unerklärlicherweise musste auch hier kein Eintrittsgeld entrichtet werden, obwohl der Tabellenführer gegen den direkten Verfolger spielte. Das ‚Pod Goricom’ ist ein reines Fußballstadion mit vier frei stehenden Tribünen. Die einrangige Haupt- und die doppelrangigen Hintertortribünen sind überdacht. Lediglich die sehr niedrige Gegengerade ist unüberdacht. Sollte letztere auch einmal im Stile des Main-Stand ausgebaut werden, ist der Ground durchaus ‚hexenkesselfähig’. Aber auch so hat die Kiste in der Zeit, als Podgorica noch die Liga mit Balkan-Größen wie Partizan, Crvena Zvezda, Dinamo, Hajduk usw teilte schon einige Schlachten erlebt, wie man auf älteren Bildern sehen kann. 5000 Leute wollten die heutige Spitzenpartie sehen. Zu normalen Spielen finden sich 1000 bis 1500 Zuschauer im Stadion ein. Die heimische Ultra-Gruppierung ‚Varvari’ (Barbaren) platziert sich im Oberrang der Nordtribüne. Es gab ordentliche Zaunbeflaggung und etwa 300 Mann gaben dann ganz ansprechenden Singsang zum Besten. Für Pyro war auch gesorgt. Bild Leider fackelte man das Zeug aber nicht geschlossen ab, sondern es wurde immer mal wieder ein Bengalo entfacht und dann meist auf den Rasen in Richtung des Gäste-Keepers entsorgt. Das ließ den, wie auch den Referee, aber ziemlich kalt, obwohl dieses Spiel bestimmt sieben oder acht Mal wiederholt wurde. Während in Deutschland der Kick sicherlich länger unter- oder ganz abgebrochen würde, wurden die Fackeln einfach vom Ordnungspersonal entsorgt und dann ging es weiter. Nach einigen Bengal-Weitwürfen zeigte sich dann die behelmte Ordnungsmacht etwa zwanzigköpfig im Oberrang, deutete auch ein Einschreiten an, aber nachdem diesen dann selbst die Leuchtfackeln um die Ohren flogen, beschränkte man sich darauf einfach nur Präsenz zu zeigen. Schon alles irgendwie krank. Bild Auf dem Rasen war Buducnost das bessere Team ohne aber wirklich gefährlich zu werden. Rudar bekam gegen Ende der Halbzeit einen Elfer zugesprochen und nahm das Geschenk natürlich dankbar an. Nach dem Seitenwechsel hatten die ‚Varvari’ einige Schwenkfahnen hervorgeholt und verliehen der Gruppe damit ein wenig mehr optischen Glanz. Auf dem Spielfeld dezimierte sich die Heimelf nach und nach selbst, so dass am Ende neun Mann immer noch das bemühtere und überlegenere Team waren. Die Gäste übten sich geduldig im Kontern, erzielten kurz vor Ende die Entscheidung und rissen damit die Tabellenführung an sich. Organisierten Support gab es bei dem Gästen nicht, aber bei den Toren war festzustellen, dass sich doch einige hundert Rudar-Anhänger im Ground befanden. Nach dem Schlusspfiff sammelten sich die ‚Varvari’ im Unterrang. Die Spieler schlichen enttäuscht zu ihrem Anhang und es gab dort einige Minuten lang Reibereien, wobei mir allerdings die genaue Ursache und ob sich der Unmut gegen das eigene Team oder gegen die Ordnungshüter entlud, verschlossen blieb. Nun nahmen wir ein Taxi zurück zum Hostel, da die Zeit ein wenig drängte. Ich musste noch meine Brocken zusammenpacken. Pedro war etwas vedutzt, dass ich Hals über Kopf flüchtete, aber so war es nun mal. Proviant für die Fahrt gekauft und noch eine ‚Pljeskavica’ im Bahnhofs-Imbiss verzehrt und als der Zug einfuhr fanden wir uns am Gleis ein. Der Zug kam von der Küste aus Bar und war gar nicht mal so kurz, etwa zehn Waggons. Wir konnten ein Abteil für uns allein ergattern und quatschten bei ein paar Pivo noch ne Runde, bevor wir die Sitze auszogen und ins Reich der Träume kuschelten.

Do. 15.03. – Reisetag

Etwas verspätet lief der Zug gegen 6:00 in Belgrad ein. Ursprünglich war der Plan, den Tag dort abzugammeln, ein billiges Hostel am Bahnhof zu nehmen und am Freitag-Morgen in aller Frühe weiterzufahren. Bild Wir entschlossen uns aber, lieber den Zug um 10:28 mit Ankunft circa halb sechs in Zagreb zu nehmen und dann die Nacht und den Freitag in Ruhe anzugehen. Das Ticket kostete 2475 Denar, etwa 22 Euro. Erstmal beim Bäcker ein kleines Frühstück geholt und dann einige Zeit bei McDonalds abgegammelt und es ging zurück zum Bahnhof. Von Frederic mussten wir uns nun verabschieden, da er nach Budapest weiterfuhr, dort Freitag noch den Kick von Ujpest sehen und am nächsten Morgen heimfliegen wollte. Die Fahrt nach Zagreb zog sich und wurde verschlafen, verlesen und verquatscht. Dort endlich angekommen, zunächst mal kroatische Währung organisiert und dann ging es zu Fuß die vielleicht zwei oder drei Kilometer zum ‚Funk-Hostel’. Ganz gutes Ding. Gepflegt, sauber für 12 Euro die Nacht im 6er-Dorm. Kurz die Klamotten ins Zimmer gestellt und dann im Minimarkt Nudeln, Zutaten für eine Selfmadesoße und ne 2-Liter-Bombe Jelen-Pivo geholt. Der Abend wurstelte dann so aus, da wir alle müde von der schlauchenden Fahrt waren.

Fr. 16.03. 17:00 NK Zagreb vs Lokomotiva Zagreb 0:0 (1.HNL), 800 Zuschauer (100 Gäste)

Bild Nachdem alle ganz gut ausgepennt waren wurde ein wenig gefrühstückt und Martin und Sebastian machten sich dann auf die Socken zum Bus-Bahnhof, um sich Tickets für den Samstag-Nacht-Bus nach Wien zu besorgen, da von dort der Heimflug anstand. Konnte sein, dass ich denselben Bus bis Graz nehmen würde, aber das stand noch nicht fest. Bild Die beiden hatten Kontakt zu einer Gruppe Fürther, die zum Topspiel anreisen und Sonntag-Morgen weiter Richtung Ungarn wollten. Möglicherweise würde sich da für mich eine Mitfahrgelegenheit ergeben. Ich machte mich dann mittags zur Stadterkundung auf. Ich fuhr mit der Tram zum Bahnhof und spazierte von dort zur Shopping-Zone. Von dort ein kurzer Abstecher zur Kathedrale, in die ich mich hinein setzte und einige Worte an de Schöpfer richtete. Kann ja nicht schaden, wenn man tagelang durch alle möglichen Länder reist. Von dort ging es die paar Meter zurück in die Fußgängerzone, wo ich mit bei H&M ein neues T-Shirt kaufte – ich konnte mich einfach nicht mehr riechen und brauchte was Frisches zum Anziehen. In aller Ruhe lief ich nun zum Hostel zurück und setzte mich mit einem Buch und einem Bierchen noch eine halbe Stunde in die Sonne und dann war es Zeit zum Kick des Tages aufzubrechen.

Die beiden unbedeutenderen Erstliga-Clubs der Stadt kreuzten die Klingen. Ein Derby, das nix kann. Im ‚Stadion Kranjceviceva’ fanden sich dazu ein paar hundert Zuschauer ein, von denen einige auch den Gästen die Daumen drückten. Organisierten Support hatten aber nur die Gastgeber zu bieten, bei denen etwa zehn Leute herumhampelten. Wirkte allerdings eher lächerlich. Das Stadion besteht aus eine großen überdachten Haupttribüne, die nur aus Sitzplätzen besteht, und eine Gegengerade, die für die Stehplatzliebhaber taugt. Bild Allerdings wird in der Regel – wie auch heute – nur die Haupttribüne geöffnet, was ja auch für den geringen Andrang mehr als ausreicht. Eine Besonderheit ist noch, dass das Spielfeld von einer Radrennbahn umschlossen wird. Das Spiel war zwar recht flott und unterhaltsam, aber beide Sturmreihen zeigten sich vor den Toren mehr als stümperhaft und ließen beste Chancen aus. So endete die Partie mit dem langweiligsten aller Ergebnisse. Der Titel ‚Volltrottel des Tages’ ging übrigens an einen Ersatzspieler der Heimmannschaft, Bild der vom Referee für irgendeine ins Spiel gerufene Bemerkung mit dem roten Karton belohnt wurde. Platzverweis ohne auch nur eine Sekunde gespielt zu haben – Respekt! Nach dem Schlusspfiff noch die übliche Fotorunde und dann enterte ich den nächsten Supermarkt um mir ein paar Zutaten zu kaufen, da ich wieder Lust verspürte mich selbst zu bekochen. Auf dem Weg zum Hostel hab ich dann noch n recht fettes Dinamo-Graffiti entdeckt. Sebastian und Martin trafen auch bald ein und wir saßen dann den Abend einfach nur labernd und in Ruhe Bier trinkend beieinander. Zu späterer Stunde kamen wir noch mit Nikola aus Bosnien ins Gespräch, den wir ursprünglich eigentlich in der Kategorie ‚Stiesel’ abgelegt hatten, der sich dann aber doch als ganz umgänglicher Zeitgenosse herausstellte.

Sa. 17.03. 15:00 HASK Zagreb vs NK Junak Sinj 1:2 (2.HNL), 100 Zuschauer (0 Gäste)
Sa. 17.03. 18:00 Dinamo Zagreb vs Hajduk Split 2:1 (1.HNL), 16.000 Zuschauer (2.500 Gäste)


Herzlichen Glückwunsch, Micha! Man kann sich ja auch mal selbst gratulieren, wenn sonst keiner da ist . Wenn ich genau überlege, war das wohl nun im 'fortgeschrittenen Seniorenalter' mein erster Geburtstag, an dem ich nicht daheim war. Aber so unglaublich viel bedeutet mir dieser Tag auch gar nicht. Jedenfalls empfand ich Geburtstage in Zeiten von Topfschlagen, Bockwurst mit Pommes und 'Kalte Schnauze' deutlich interessanter. Morgens nur nen kurzen Kaffee geschlürft. Da mein Herschbacher Kumpel Christian mit vier weiteren Eintracht-Leuten zum heutigen Spiel nach Zagreb reiste und schon vor 10:00 Ankunft meldete, musste ich los. Die fünf Jungs hatten sich ein Sechser-Appartment gemietet. Das verbleibende Bett wollte ich mir für meine letzte Nacht in Zagreb schnappen und ich wollte die Jungs nicht zu lang warten lassen. Allerdings wartete dann eh nur Christian auf mich und die anderen hatten schon mal ne kleine Stadtbeschauung gestartet. Also kurz ne Dose Geburtstagsbier zusammen gezischt und dann ging es hinter den anderen her. Nach der Vereinigung fuhren wir alsbald zum 'Stadion Maksimir' da der Wunsch bestand, sich schon einmal mit Tickets für den abendlichen Kick einzudecken. Danach ging es per pedes gute 1,5 km weiter nach Süden, wo um 15:00 noch der Zweitliga-Kick zwischen HASK Zagreb und Junak Sinj angepiept werden sollte. Bild Natürlich ziemlicher Hafer der Kick, aber zur Einstimmung aufs kroatische Prestige-Duell kam das grad recht. Da nach Ankunft an der kleinen aber feinen Anlage noch genug Zeit war, hockten wir uns in den Biergarten des Vereinsheimes. Wie auch beim gestrigen Kick waren auch hier noch andere deutsche Mitbürger zugegen. Nicht weiter verwunderlich. Spiele der Kategorie Dinamo gegen Hajduk ziehen die deutschen Fußballinteressierten an, wie ein Haufen Scheiße die Fliegen. Und natürlich schaut der germanische Fußballtourist dann auch noch die erreichbaren Spiele drum herum an. Aber auch wenn das total nervt, hat man natürlich nicht das Recht sich groß darüber zu ereifern, da man ja selbst Teil dieses dann doch etwas merkwürdigen Phänomens ist. Christian und ein weiterer Kollege knickten sich das Spiel dann auch und machten sich schon mal gemächlich auf den Rückweg zum 'Maksimir', während wir anderen uns den leidlich unterhaltsamen Kick bis kurz vor Ende ansahen. Das kleine Stadion weiß mit einer zum Teil überdachten Tribüne durchaus zu gefallen. Zusätzlich befindet sich hinter einem Tor noch eine kleine Tribüne aus Stahlrohr.

Am 'Maksimir' trennten sich die Wege, da ich in einen anderen Bereich des Stadions wollte als die anderen. In 'meinem' Sektor traf ich auf Christian mit dem ich das Spiel dann zusammen schaute. Vor dem Kick war aber nochmal ein kurzer Treff mit Sebastian und Martin, sowie den drei befreundeten Fürthern angesagt. Diese hatten am nächsten Tag tatsächlich einen Platz im Auto für mich frei. Zumindest bis nach Szekesfehervar, wo sie das Spiel gegen Debrecen sehen wollten. Von dort ist es mit dem Zug nur noch eine gute Stunde Fahrt bis in die ungarische Hauptstadt, was für mich eine enorme Erleichterung darstellte. Das 'Maksimir' ist irgendwie ein recht spezieller Ground. Komplett unüberdacht bietet es etwas mehr als 37tsd Zuschauern Platz. Bild Recht brachial kommen die doppelrangige West- und die nördliche Hintertortribüne, Heimat der Dinamo-Supporter, daher. Die östliche Gerade ist zwar nur einrangig, aber relativ hochgezogen. Lediglich die südliche (Gäste-)Tribüne wirkt ein wenig untersetzt und ist nach wie vor eine Kurve. Ende des letzten Jahrtausends wurde mit dem Umbau des Grounds begonnen, die Pläne aber bis heute nicht vollends umgesetzt. Daher auch die unterschiedlichen Tribünen. Da das Stadion früher eine Umlaufbahn beherbergte, die mittlerweile aber blau eingefärbtem Untergrund gewichen ist, sind alle Tribünen recht weit vom Spielfeld entfernt. Dadurch, dass die Stands aber erst einige Meter über Spielfeld-Niveau beginnen, entsteht trotzdem ein gewisser Hexenkessel-Charakter. Das Stadion ist ein All-seater, der komplett mit blauen Sitzen ausgestattet ist. Bis auf die Gästekurve bieten aber alle Tribünen den weiß abgesetzten Schriftzug 'GNK Dinamo'. Die Oberen Ränge der beiden Doppelstocktribünen blieben heute (wie immer bei Liga-Spielen) leer. 16tsd Zuschauer fanden sich ein, davon gut 2.500 Gäste-Anhänger. Wir waren uns nicht sicher, was wir von den Dinamo-Fans erwarten sollten. Die beherrschende Gruppe 'Bad Blue Boys' hatte ja vor mehr als einem Jahr den Streik ausgerufen, um gegen den ungeliebten Mamic-Clan, der den Club derzeit führt, zu protestieren. Vor kurzer Zeit wurde die Info bekannt, dass der Streik offiziell beendet ist. Die hoppende Fußballwelt verunsichert aber, Bild Bild dass das bekannte brutal große Zaunbanner der Gruppe, welches ja über die gesamte Tribünenbreite reicht, seit dem Streik oder dessen Ende nicht mehr gehisst wurde, sondern lediglich die 'Dinamo Svetinja'-Fahne hängt. Dazu später mehr. Der Support der BBB war alles andere als schlecht. Durchgehende Gesänge, Hüpfeinlagen, Pyro. Da ich vorher nie ein Dinamo-Spiel gesehen habe, kann ich nicht sagen ob die Show früher besser war. Bild Bild Mir hats jedenfalls gefallen. Noch besser gefallen hat mir allerdings der gute Hajduk-Support. Melodischere Gesänge und kein bisschen leiser als der Heim-Anhang. Auch hier wurde mit pyrotechnischen Erzeugnissen nicht gegeizt, was in Hälfte zwei zu kurzer Unterbrechung führte. Nebenbei wurde der Gästeblock ein wenig 'entsitzzschalt'. Dass ihr Team nach etwa 20 Minuten in Führung ging, fachte die Stimmung unter den Hajduk-Fans, die Hauptgruppe 'Torcida' gibt es schon seit über 60 Jahren, natürlich noch mehr an, auch wenn selbst ein Sieg das Titelrennen wohl nicht mehr spannend machen würde. Zu groß ist schon der Vorsprung des Serienmeisters seit 2006. So blieb die Heimelf auch überlegen und könnten zehn Minuten vor Schluss durch ein Stocher-Tor ausgleichen und zwei Minuten später durch einen zumindest zweifelhaften Elfer den Siegtreffer erzielen. Am Rande erwähnt sei noch Kollege Christian, der euphorisiert durch ein paar lokale Brauerei-Erzeugnisse, bei einer Pyro-Einlage hektisch sein Smartphone aus der Tasche zog und es aus der Hand gleiten ließ - dummerweise genau in seinen darunter stehenden Bierbecher! Doppeltes Pech: der Becher kippte auch noch um und das kostbare Nass war dahin. Zum Glück besann sich zumindest das Handy nach kurzem beleidigtem Streik wieder auf seine Aufgabe und Funktion.

Nach dem Spiel trafen wir uns wieder mit den anderen und fuhren mit der Tram zurück in die City. Zunächst wurde schlecht gegessen und dann sollte die Attacke aufs Nachtleben gestartet werden. Drei von Sechs wollten aber lieber an der Matratze horchen und so zogen Christian, Felix und ich dann alleine los. Der Weg führte in einen ganz coolen Laden, in dem wir uns dem Konsum von 'Long Island Icetea' hingaben. Ist ja eh schon ein recht intensives Getränk und schlecht gemixt waren die Dinger wirklich nicht. In dem Club war auch ein Dinamo-Fan dessen T-shirt die Aufschrift 'Adrenalin Frankfurt' trug, das 'd' im Schrifttyp des Dinamo-Wappens, so dass Christian ihn ansprach. Seinen Namen hab ich vergessen (warum nur?), aber er setzte sich für 20 Minütchen zu uns und wir erfuhren einiges über das heutige Spiel und die Szene an sich. So wurde bekannt, dass das angesprochene große Banner verschwunden ist. Mit dem Beginn des Streiks hatte sich eine Gruppe abgespalten, die der Familie Mamic unkritisch gegenüber stand. Diese erhielten vom Club den Schlüssel zum Materialraum und seitdem ist nicht bekannt, wo sich die Fahne befindet. Eigentlich krass, wenn man bedenkt welchen Reliqien-Status ein Gruppenbanner besitzt. Seither hängt in der Kurve einsam die 'Svetinja'-Fahne, welche nach jedem Spiel von einem anderen Gruppen-Mitglied aufbewahrt wird, um dieses Banner nicht auch noch der Gefahr des Verlustes auszusetzen. Gegen zwei Uhr trat ich den Weg zum Appartement an, da ich ja am nächsten Morgen früher raus musste als alle anderen, um mich mit den Fürthern zusammen zu tun. Christian und Felix kamen erst um halb sieben gut angeschickert und breit grinsend zurück. Muss also noch gut gewesen sein...

So. 18.03. 15:00 MTK Budapest vs Gyirmót SE 1:1 (NB 2 Nyugat), 700 Zuschauer (0 Gäste)
So. 18.03. 18:00 Ferencvaros TC vs Honved Budapest (NB 1), 6.955 Zuschauer (300 Gäste)


Um 8 Uhr quälte ich mich aus der Pofe. Kurze Morgenwäsche und dann lief ich zum Hostel von vorgestern, wo auch die Führter Jungs eingecheckt hatten. Dankenswerterweise passten diese sich mir an, obwohl sie mehr Zeit gehabt hätten und so verließen wir Zagreb zeitig Richtung Gulasch-Land. Die Fahrt war unspektakulär wurde teils verquatscht und nach drei Stunden trafen wir gegen halb eins in Szekesfehervar ein. Sektion Fürth ließ mich am Bahnhof raus, so dass ich bequem den 12:45-Zug nach Budapest bekam. Vielen Dank dafür!! Eine gute Stunde später traf ich am Bahnhof 'Deli' auf der westlichen Donauseite der ungarischen Capitale ein. Die rote Metro-Linie startet dort und brachte mich in wenigen Minuten auf die andere Seite des Flusses in die Nähe meines Hostels. Kurz im 'Maverick-Hostel' eingecheckt und dann ging es auch schon wieder los. Bild Wieder in die rote Metro bis zur Haltestelle 'Puskás Ferenc Stadion' und von dort einen Kilomter nach Süden gelaufen und exakt zum Anstoß kam ich am 'Hidegkuti Nandor Stadion' des MTK Budapest FC an. Bild Schnell ein Ticket für die Haupttribüne geholt (700 Forint = 2,40 Euro) und rein in den alt-ehrwürdingen Ground. Die einzige Alternative währe die Gegengerade gewesen. Die Kurven sind schon seit langer Zeit gesperrt. Das gammelige Ding gefällt aber wirklich gut. Gerade durch die verrottenden Kurven macht das Teil was her. Dazu die recht ansehnliche Haupttribüne. Früher hatte das Oval mal ein Fassungsvermögen von 27tsd Zuschauern. Durch die Kurvensperrung ist es heut weniger als die Hälfte. Stehplätze gibts nur unterhalb der Haupttribüne. Dort versucht sich eine etwa 15-köpfige Gruppe ab und am im Support. Auch drei Zaunfahnen hängen. Bild Das Support-Highlight ist aber ein älterer Herr mit Hut, stahlblauem Sacko mit großem MTK-Schriftzug auf dem Rücken und einer Art Zeremonienstab in der Hand, der drei bis vier Mal während des Spiels aufstand und die ganze Tribünenbesatzung zu rhythmischen MTK-Rufen aufforderte. Dieses wurde vom Volk auch artig umgesetzt. Wenn er nicht schon verblichen wäre, hätt ich geglaubt, dass es sich um Nandor Hidegkuti, Mittelstürmer der ungarischen Wunder-Elf der 50er Jahre, persönlich handelt. Sportlich maß sich der Tabellenführer mit seinem Verfolger. Das Spiel war gar nicht mal schlecht. MTK versiebte reihenweise große Chancen - die Gäste hatten nichts entgegenzusetzen. Als eine Viertelstunde vor Schluss endlich der sehenswerte Führungstreffer fiel (Volleyschuss aus äußerst spitzem Winkel), dachte jeder, der Drops ist gelutscht, die Wiese gemäht und die Kuh vom Eis. Klarer Fall von 'Denkste'. Mit der einzig gefährlichen Aktion, die gar nicht mal gefährlich war, erzielte Gyirmót ein paar Zeigerumdrehungen später mit einem Schüsschen aus 25 Metern den schmeichelhaften Ausgleich. MTK tut's nicht weh. Man hat beruhigenden Vorsprung und diesen gewahrt.

Bild Direkt nach dem Abpfiff ging ich einmal um das Stadion herum in die benachbarten Heimstätte des BKV Elöre, ebenfalls Zweitligist. Wenn MTK und Elöre aufeinander treffen, kann man also wirklich mal von einem echten Derby sprechen. Bild Letztgenannter Club verfügt über eine wunderbare alte Holztribüne, die ich mal sehen und ablichten wollte. Vielleicht passt es hier ja auch irgendwann mal mit einem Spielbesuch. Nun aber hurtig 2 km die äußere Ringstraße weiter nach Süden zum 'Albert Florian Stadion', wo der Traditionsclub Ferencvaros, oder im Volksmund 'Fradi', auf den Rivalen Honved aus dem Stadtteil Kispest traf. Zwar ein Derby, aber nicht DAS Derby, denn dieses findet ja bekanntlich statt, wenn sich Fradi und Ujpest messen. Um das Stadion herum war schon eine Menge los. Vor allem das Polizeiaufgebot war beachtlich. Dabei findet man bei Honved eigentlich kaum Gewaltpotential. Das reine Fußballstadion ist nichts wahnsinnig besonderes, weiß aber trotzdem zu gefallen. Besonderes Merkmal ist die Bild Bild Bild östliche Hintertorseite, wo eine Luxusloge, die unterhalb von ein paar Buchsbaumhecken geschmückt wird, fast die gesamte Breite einnimmt. Dem gegenüber befindet sich der heimische Anhang, der keine schlechte Vorstellung ablieferte. Optisch leider nix, aber Gesänge und deren Lautstärke können in der Rubrik 'zufriedenstellend' abgelegt werden. Auch die Gäste gaben 90 Minuten Stoff, konnten sich aber natürlich nicht immer Gehör verschaffen. Nach dem Schlusspfiff noch ein wenig am Stadion rumgetrödelt, da sich die Ordnungsmacht um den Gästeausgang gruppierte. Allerdings blieb alles ruhig, so dass ich mich bald mit der Metro in Richtung Innenstadt aufmachte. Dort angekommen flanierte ich noch ein wenig durch die Fußgängerzone und zog mich dann bald ins Hostel zurück. Mein Feierabend-Bier verwehrte mir leider der 24Std-Supermarkt, der ab 22:00 keine alkoholischen Getränke mehr rausrückt.

Am nächsten Morgen stand ich um 8:00 auf, machte mich in Ruhe fertig und dann gings ab zum Flughafen. War eigentlich der Meinung, dass ich genügend Zeit eingeplant hatte, um mit Öffis dorthin zu kommen. Der Weg ist ja einfach. Blaue Metro bis Endstation Kispest und dann den Bus 200E zum Terminal 1, von wo die Billig-Heinis starten. In Kispest, brauchte ich aber ein neues Ticket. Da man das nach Aussage eines an der Haltestelle wartenden Ungarn nicht beim Fahrer kaufen kann (obwohl ich die Strecke erst vor 15 Monaten gemacht habe, konnte ich mich selbst nicht erinnern), musste ich zum Ticketschalter und dort war leider ein derart lange Schlange, dass ich mich fürs Taxi entschied. Exakt 2000 Forint bis zum Terminal (etwa 6,80 Euro) waren aber zu verschmerzen. Wizzair flog mich überpünktlich nach Dortmund und dort ging dann eine wirklich tolle Tour zu Ende. Tolle Leute kennengelernt, Einheimische wie Gleichgesinnte. Superglück mit dem Wetter gehabt, bis auf den ersten Tag immer Sonne und 15-18 Grad und viel gesehen und erlebt. Kleiner Lacher am Ende... nachdem ich während neun Tagen Balkan jede noch so ungewisse Verbindung herausgefunden habe und alles irgendwie hingehauen hat, stieg ich nach Landung auf dem Flughafen Dortmund am Weltbahnhof Holzwickede in den falschen Zug...

 
 
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(Manni Breuckmann)


 
 
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