G R O U N D F E V E R
  Persien
 

19.-23.11.2014 --- Persien

Das 'Azadi Stadium' in der iranischen Hauptstadt hat heute ein offizielles Fassungsvermögen von 95.225 Zuschauern. Als es im Jahre 1973 eröffnet wurde, fanden über 100tsd Menschen Platz. Letztlich ist das Fassungsvermögen aber variabel. Die höchste dokumentierte Zuschauerzahl beträgt unglaubliche 128tsd im Play off-Hinspiel der Qualifikation zur WM 1998 in Frankreich gegen Australien. 1:1 endete diese Partie und da die Iraner im Rückspiel in den letzten zwanzig Minuten einen 0:2-Rückstand ausgleichen konnten, erreichten sie die Endrunde. Egal wie viele Leute nun hinein passen - auf jeden Fall ist das Ding eine verdammt große Schüssel und strahlte auf mich einen großen Reiz aus. Dementsprechend reifte der Wunsch den Kessel mal live zu erleben. Und da dieser die Heimstätte der beiden großen Tehraner Clubs Persepolis und Esteghlal ist, konnte es nur das Ziel sein, das High-end-Derby zwischen den beiden Vereinen anzustreben, denn zu diesem füllt sich das große Rund regelmäßig nahezu bis zum 'sold out'. Um Missverständnissen vorzubeugen - nein, ich vergesse im Namen 'Tehran' nicht immer das 'e'. Im Persischen Farsi heißt die Stadt schlicht so. Natürlich war ich auch extrem gespannt auf die Stadt selber und auf das iranische Volk, denn die Nachrichten die man so aufschnappt, beschränken sich ja meist auf zweifelhaftes Gebaren der politischen Führung oder unangemessene Strafen und Verhaltensweisen gegen die eigene - vorrangig die weibliche - Bevölkerung. Aus diversen Quellen hatte man aber schon mitbekommen, dass der Iran ein sehr interessantes und sehenswertes Land sein soll. Nachdem ich mir den Trip für der zweite Jahreshälfte fest vornahm, stellte sich heraus, dass meine beiden Stadtgenossen Sascha und Daniel sich selbiges auf die Fahne geschrieben hatten. Also buchte ich dieselben Flüge wie die beiden, mit Anreise am frühen Donnerstag und Return am frühen Sonntag. Der türkische Low-Coster Pegasus sollte uns in die iranische Capitale bringen. 295 Euro waren dafür fällig. Wäre auch für 40 Euro weniger gegangen, aber ich trödelte zu lange mit der Buchung. Sascha war dann noch so freundlich, das gebuchte Hotel von einem Zwei- auf ein Drei-Bett-Zimmer anzupassen, so dass die wichtigsten Voraussetzungen standen. Lange stand das Spiel auf Freitag, 21.11. nachmittags, wie die gut gepflegte Seite der 'Iran Premier League' oder auch 'Persian League' konstant mitteilte.

Exakt zwei Wochen vor Abreise checkte ich mal wieder, ob die Spieltermine noch unberührt stehen und musste feststellen, dass das Derby von Freitag auf Sonntag-Nachmittag am 23.11. gelegt wurde. Das war grundsätzlich erst mal ne üble Entdeckung, da der Rückflug ja bereits am frühen Sonntag-Morgen stattfinden sollte. Also hing ich mich in die Hotline von 'fluege.de' und hatte irgendwann nach gefühlten drei Monaten auch ein Mädel am Telefon, der ich mein Problem und meinen Umbuchungswunsch mitteilte, und kurz danach war die 24-stündige Verschiebung des Rückfluges vollzogen. Die Kosten dafür betrugen 105 Euro. Auch wenn das immer noch die billigere Variante war, als einen neuen Rückflug zu kaufen, wurde der Ausflug spätestens in diesem Moment zur finanziellen Farce. Aber nach Teheran zu fliegen, um das Derby zu sehen und genau dieses dann zu verpassen, wäre ja vollkommen bescheuert. Daher war die Umbuchung alternativlos. Und eines ist auch klar - immer nur billig geht halt auch nicht. Vor allem nicht außerhalb Europas. Außerdem treten halt auch mal ab und an Probleme auf und der Lösung derer muss man sich dann eben stellen. Die anderen beiden taten es mir gleich und verschoben ihren Return ebenfalls. Nachdem ich dann mit Sascha während des RWE-Spiels in Uerdingen noch darüber gesprochen hatte, dass der Teheran-Kick nun aber von unserer Seite keine weitere Verschiebung vertragen würde, schaute ich abends mal wieder auf die Ansetzung und da war die Nummer schon wieder verlegt worden. Dieses mal aber nur vom Nachmittag auf den Abend. Jetzt reichte es aber auch. Zwei Tage später informierte ich mich im Internet ein wenig über die beiden Vereine und landete durch diverse Verlinkungen auf dem persischen Auftritt der Liga. Dort erkannte ich anhand Fotos eine Meldung, die nur das Spiel betreffen konnte, und übersetze mir diese mühsam mit einem entsprechenden Programm. Das Ergebnis jagte mir den Schreck in die Glieder, stand da doch ungefähr zu lesen "Verband und Sicherheitsausschuss haben sich auf eine Austragung am Sonntag, 02. Dezember 18:00 Uhr geeinigt." BAMM!!! Eine Gerade von Mike Tyson hätte nicht mehr Wirkung zeigen können, als dieser Satz. Nachdem ich den ersten Schock verdaut hatte, fiel mir aber dann auf, dass in diesem Jahr der 02.12. gar nicht auf einen Sonntag fällt. Zuerst dachte ich, es sei eine Meldung zu einem vergangenen Spiel, aber es ging definitiv um das bevorstehende. Und dann hab ich es endlich geschnallt. Der persische Kalender ist ja ungleich dem in Europa verwendeten gregorianischen Kalender. Also schnell einen Kalenderrechner im Internet gesucht und siehe da, der 02.12. persischer Zeitrechnung entspricht 'unserem' 23.11.! Zudem hatte das Programm den persischen Monat 'Azar' etwas phantasievoll mit 'Dezember' übersetzt. Wenn Ihr irgendwann Anfang der 46.Kalenderwoche ein lautes 'PLUMPS' gehört habt, muss das der Stein gewesen sein, der mir in diesem Moment vom Fußballherz gefallen ist. Im Iran schreibt man übrigens das Jahr 1393. Der Beginn der Zeitrechnung orientiert sich am Jahr der Auswanderung des Propheten Mohammed von Mekka nach Medina. Bis auf die zeitliche Verschiebung ähnelt das Kalendersystem aber sehr dem gregorianischen. Nachdem ich meine Spieltermin-Paranoia endgültig überwunden hatte, konnte es dann eigentlich losgehen.

Do. 20.11. - Anreise

Am Mittwoch ließ ich gegen Mittag den Hammer fallen und bewegte mich mit Straßenbahn, Regionalexpress und Sky Train ins Terminal C des Flughafen Düsseldorf Lohhausen. Sascha war schon zugegen. Daniel hatte noch mit ein paar Schwierigkeiten zu kämpfen, war aber rechtzeitig vorm Boarding da. Knapp drei Stunden später waren wir in Istanbul auf der asiatischen Seite. Sechs Stunden galt es nun zu erschlagen, was uns leidlich mit Laberei und ein paar 'Efes' aus dem Hahn und 'Jackie-Cola' aus der Dose auch gelang. Zwischendurch stießen Kevin aus Duisburg und Lars aus Hamm (beide Anhänger der Dortmunder Borussia) zu uns, womit die Reisegruppe komplett war. Gegen Mitternacht ging es auf die zweite Teilstrecke. Schon jetzt war klar, dass wir nicht die einzige deutsche Abordnung beim Spiel am Sonntag sein würden, da sich einschlägig bekannte Gesichter aus dem Norden der Republik mit im Flieger befanden. Um kurz nach 4:00 Uhr Ortszeit (Zeitverschiebung zu Deutschland plus 2,5 Stunden) landeten wir auf dem erst zehn Jahre alten Flughafen 'Imam Khomeini', der etwa fünfzig Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegt. Die Einreise stellte sich als völlig unkompliziert heraus und dauerte nur ein paar Minuten. Wer Millionär werden will, muss in den Iran fahren. Wir tauschten jeweils einhundert Euro und erhielten dafür knapp 3,5 Mio Rial. Da bietet sich doch durchaus mal ne Währungsreform an, zumal die Inflation im Iran eine der höchsten in der Welt ist. Noch im Terminal sprach uns ein Taxi-Fahrer an, den wir für 25 Dollar verpflichteten uns zum vorab reservierten 'Golestan Hotel' zu fahren. Dort trafen wir nach vierzigminütiger Fahrt ein. Unsere Reservierung lag zwar vor. Das Zimmer entsprach aber nicht unserer Vorstellung, da es über ein Einzelbett und ein schmales Doppelbett verfügte. Geordert hatten wir aber drei Einzelbetten. Ich habe zwar keine Berührungsängste, aber da es für das Doppelbett auch nur eine einteilige Decke gab, mussten wir reklamieren, denn so viel Kuschelei musste dann auch wieder nicht sein. Ein Zimmer nach unseren Wünschen war nicht frei, also erhielten wir ohne Mehrkosten ein Einzelzimmer dazu. Die Kosten für drei Nächte inklusive Frühstück beliefen sich auf 59 Euro pro Nase. Jetzt hatten wir zunächst nur noch einen weiteren Wunsch und der hieß: Pennen!!!

Gegen 13:00 Uhr rappelten wir uns auf und starteten zu einer kleinen Sightseeing-Tour. Das beste Transportmittel um sich preisgünstig fortzubewegen, ist die hochmoderne Metro, die aus mehreren sternförmig angelegten Linien besteht. Bild Ein Tagesticket kostet unglaubliche 5tsd Rial, also etwa 15 Euro-Cent. Unfassbar! Erstes Ziel war der 'Azadi Tower' ('Freiheits-Turm'), der Anfang der 70er Jahre errichtet wurde, 45 Meter hoch und vollständig mit Marmorplatten verkleidet ist. Der Turm steht - Überraschung! - auf dem begrünten und bepflanzten 'Azadi-Platz', der von einem riesigen Kreisverkehr umgeben ist. Unter dem Turm befindet sich ein Museum und es gibt auch eine Aussichtsplattform, aber darauf hatten wir keine Lust. Stattdessen steuerten wir den nahen Stadt-Flughafen 'Mehrabad' an, von dem alle nationalen Flüge durchgeführt werden. Das Taxi dorthin kostete 80tsd Rial, etwas mehr als zwei Euro. Bild Neben offiziellen Taxen gibt es haufenweise Privatfahrer, die selbige Dienstleistung anbieten. Den Preis handelt man mit dem Fahrer vorher aus. Ich weiß nicht mal, ob es Taxameter gibt. Etwas, das dem ähnlich sieht, habe ich in keinem der benutzten Fahrzeuge entdeckt. Mit der Währung ist es hier auch gar nicht so einfach. Spricht der Perser von einhundert Rial, meint er eine Millionen. Man muss die genannte Zahl also mit zehntausend multiplizieren. Redet er aber von einhundert Toman, so meint er eintausend Rial. Ein Toman entspricht also zehn Rial. Die Bezeichnung 'Toman' ist keine offizielle, sondern entstammt einfach dem bürgerlichen Gebrauch. Der Toman ist ursprünglich eine persische Goldmünze aus dem Mittelalter. Muss man sich erst ein bisschen dran gewöhnen, hat man aber nach einem, spätestens zwei Tagen drauf. Am Airport begaben wir uns in das Büro von 'Iranair' und erwarben Flüge für die Strecke von Esfahan nach Tehran für 1,22 Mio Rial, knapp 36 Euro. Mit Taxi und Metro fuhren wir in die Gegend um unser Hotel zurück und liefern von dort zum 'Golestan Palast'. Bild Es war kurz nach 17:00 Uhr und der Palast war schon geschlossen und sah von auch nicht sehr spektakulär aus. Also beließen wir es beim Blick von außen und schmissen uns in das Gedränge am nahen Basar. Ich mag das ja eigentlich ganz gern, aber war halt wie jeder andere Basar auch, so dass wir uns nach kurzer Zeit wieder verdrückten. Die Suche nach einem Restaurant gestaltete sich etwas schwierig, Bild Bild so dass wir letztlich in einer der vielen Grillbuden landeten und Kebab- und Hühnchen-Spieße mit Fladenbrot orderten. Noch anspruchsvoller war aber die Aufgabe ein paar alkoholfreie Bier aufzutreiben. Der Alkoholkonsum im Iran ist strengstens verboten. Säuft man dennoch und wird erwischt, wird das mit achtzig Stockschlägen belohnt. Ausnahme: man ist nachweislich kein Muslim. In diesem Falle darf man ausschließlich zum Eigengebrauch ins Land einführen. Taten wir aber nicht - haben wir nämlich erst vor Ort herausgefunden. Im Iran selbst an Alkohol zu kommen ist für Fremde so gut wie unmöglich. Der Perser ist dagegen allerdings recht kreativ. Die Iraner nehmen das im Handel erhältliche alkoholfrei Bier (gibt es klassisch, aber auch mit allen denkbaren Fruchtsäften wie Mango, Melone, Preiselbeere usw vermischt) und vergären es mit Hefe und Zucker. Nach einigen Tagen ist das Bier dann wieder alkoholhaltig. So lange waren wir aber nicht da, also haben wir den Versuch unterlassen . Eine weitere Quelle ist der Schwarzhandel. Aus dem kurdischen Teil des Irak wird Alkohol über die Grenze geschmuggelt. Man muss also 'nur' einen Dealer kennen und schon hat man die Möglichkeit Wein, Bier oder Spirituosen zu erwerben. Als Tourist in wenigen Tagen einen derartigen Kontakt zu bekommen, dürfte aber schwer sein. Die Alkoholschmuggler verkaufen nur an Personen, denen sie strikt vertrauen. Kein Wunder - wenn sie erwischt würden, dürften die Folgen klar sein. Manche Iraner stellen ihren Alkohol auch selber her. Diese gepanschten, methanolhaltigen Erzeugnisse dürften aber auf Dauer nicht sehr gesundheitsfördernd sein. Tatsache ist: auch im Iran wird gesoffen und wohl auch nicht zu knapp. Wenn man ein bisschen durchs Internet googelt, findet man entsprechende Berichte. Wir beließen es jedenfalls beim normalen Alkoholfreien. Nachdem wir einige Zeit und einige hundert Meter die Hauptstraße am Hotel erfolglos abgesucht hatten, fanden wir auf Nachfrage im Hotel einen kleinen Supermarkt nur 150 Meter um die Ecke. Der Abend endete im 'world wide web'. Soziale Netzwerke sind weitgehend gesperrt. Über Umwege geht es trotzdem. Über ein sogenanntes 'online shield' landet man auf verschlüsselten Wegen auf einem virtuellen Netzwerk und surft sozusagen an der staatlichen Kontrolle vorbei.

Fr. 21.11. 15:00 - Naft Tehran vs Tractor Sazi Tabriz 2:1 (Persian League), 4.000 Zuschauer (3.500 Gäste)

Da aufgrund des Schlafdefizit vom Vortag immer noch alle müde waren, wurde der einstimmige Entschluss gefasst, sich nach dem Essen wieder hinzulegen. Zum High Noon trafen wir uns an der Rezeption und starteten in den Tag. Wie am Vortag lachte die Sonne vom Himmel. Die Temperaturen entsprachen ungefähr denen in Deutschland zu dieser Jahreszeit. Tagsüber in der Sonne bis vierzehn oder fünfzehn Grad. Nachts ging es eher gen Gefrierpunkt. Tehran mit seinen knapp zehn Millionen Einwohnern (fünfzehn Mio in der gesamten Metropol-Region) liegt aber auch auf 1200 Metern am südlichen Rand des durchschnittlich 4000 Metern Elburs-Gebirges. Da sind im Winter natürlich keine Mordstemperaturen zu erwarten, während es im Sommer auch mal bis zu vierzig Grad heiß werden kann. Höchster Berg ist der 'Damavand' mit knapp 5700 Metern. Bild Der erste Weg führte uns zur alten US-Botschaft. Dort fand im Jahre 1979 im Zuge der islamischen Revolution der Überfall einer iranischen Studentenbewegung statt, in deren Folge über fünfzig US-Diplomaten fünfzehn Monate lang als Geiseln festgehalten wurden. Die USA hatten dem im eigenen Land gestürzten persischen Schah den Rücken gestärkt und diesen zur medizinischen Behandlung in die USA aufgenommen. Bild Bild Da die Revolutionäre den Schah aber für seine Politik zur Rechenschaft ziehen wollten, rief der aus dem Exil zurückgekehrte Revolutionsführer Ayatollah Khomeini dazu auf, die Vereinigten Staaten unter Druck zu setzen, um die Auslieferung des Schah zu erreichen. Das erkannten die Studenten als Legitimation die Botschaft zu stürmen, obwohl diese ja eigentlich diplomatische Immunität genießt. Nach langem Hin und Her und einer missratenen Befreiungsaktion kam im Januar 1981 Bewegung in die Geschichte und gegen einige Zugeständnisse von US-Seite und mit Vermittlung Algeriens kamen die Geiseln Ende des Monats frei. Das Botschaftsgelände mitsamt den Gebäuden wird heute von der Revolutionsgarde kontrolliert und ist nicht frei zugänglich. Die hohe Mauer, die das Gelände einfasst, ist mit anti-amerikanischen und pro-iranischen Wandbildern bemalt. Wir verschwanden wieder im Untergrund und fuhren mit der Metro in den Osten der Stadt. Dort machten wir uns zu Fuß auf die letzten drei Kilometer zum 'Takhti Stadion'.

Die Verhältnisse in Teheran wirkten erwartungsgemäß übrigens völlig entspannt. Kaum Hinweise auf besonders strenge Verhältnisse oder strikte Geschlechtertrennung. Diese fiel mir - neben der Tatsache, dass das Fußball-Publikum erwartungsgemäß zu 100% aus Männern bestand - eigentlich nur in der Metro auf. Der erste und letzte Waggon sind immer den Frauen vorbehalten. Diese dürfen sich aber auch in die anderen Wagen begeben, wovon auch reichlich Gebrauch gemacht wird. Ansonsten wirkt das Leben sehr liberal. Die jüngeren und moderneren Frauen tragen ihr Tuch, den 'Tschador', auch nur lässig über den Hinterkopf geschwungen, so dass der Haarschopf zur Hälfte frei liegt. Bei einer Frau habe ich sogar gesehen, dass sie das Tuch nur in ihren Zopf eingeflochten hatte. Die Frauen schminken sich auch ganz normal wie zum Beispiel Europäerinnen. Lediglich die älteren Semester verdecken ihr gesamtes Haar mit dem Tuch. Ich habe aber nicht eine einzige Frau mit einer 'Burka' gesehen. Gut, man sieht natürlich keine Frau in Röcken oder Kleidern. Es besteht schon die Pflicht die Bekleidungsvorschriften, Hosen und ein Mantel der mindestens knapp über die Hüfte reicht, einzuhalten. Es ist aber auch nicht so dass Frauen generell einem Blick ausweichen, wenn man sie anschaut. Insgesamt wirkt der weibliche Bevölkerungsteil deutlich selbstbewusster, als ich es erwartet hätte. Man merkt jedenfalls nichts von besonders repressiven Regeln gegenüber dem weiblichen Geschlecht. Sicher, es wird diese geben. Das erkennt man nicht zuletzt an Härtefällen, von denen dann auch in den Medien berichtet wird. Als Beispiel sei hier genannt, dass Frauen eine Mitschuld bis zu Todesurteilen gegeben wird, wenn sie vergewaltigt werden. Dem kann man natürlich null Verständnis entgegen bringen und muss stattdessen die islamische Religion als komplett verirrt bezeichnen und kann die hiesige Auslegung dieser nur verurteilen. Aber genau aus dem Grunde, dass eben nur derartige Nachrichten nach Europa gelangen und positive Berichte nur wenige Menschen über Internet-Blogs erreichen, entsteht dieses Schubladen-Denken über den iranischen Staat. Weil das politische System mit seinen Amtsträgern mehr als fragwürdig ist, darf man sich nicht zu einem Pauschal-Urteil über alle 75mio Einwohner des Landes hinreißen lassen. Ich habe die Menschen dort als modern, freundlich aufgeschlossen und neugierig gegenüber Fremden kennengelernt. Und ich habe es auch nicht anders erwartet. Teilweise war die Freundlichkeit schon nervig. Wenn einen der zehnte am Tag anquatscht und grüßt und Fragen stellt (jeder zweite kann zumindest rudimentär Englisch), hat man irgendwann keine Lust mehr. Man nimmt auch die Religion nicht sonderlich wahr. Man sieht nur sehr wenige Moscheen und man hört nie - und ich meine 'nie' - einen Muezzin zum Gebet rufen. Ganz anders als es beispielsweise selbst in der Türkei schon zu bemerken ist. Ich kann mir aber verstellen, dass das Leben in provinziellen Regionen etwas anders, eben konservativer abläuft und traditionelle Werte dort stärker ausgeübt werden und das Leben dort, vor allem für die Frauen, nicht so offen und einfach ist. Die Frage ist, ob sich diese daran stören, denn sie kennen es ja nicht anders. Wäre nicht dass erste Mal, dass man von außen betrachtet meint, eine Bevölkerungsgruppe - in diesem Fall: das weibliche Geschlecht - könne unter gegebenen Umständen nicht glücklich sein und es eben genau diese Gruppe gar nicht schlimm empfindet. Aber alles graue Theorie.

Den Plan unterwegs in nen Bus zu springen, mussten wir verwerfen. Bushaltestellen waren zwar existent, der dazugehörige Bus wollte aber einfach nicht kommen. Vermutlich war die Frequenz nicht hoch genug, da wir uns bereits in der Agglomeration Tehrans befanden. Denn eigentlich wirkt das Bus-System recht gut organisiert. Bild Anders als in vielen Ländern, sind an den Haltestellen Fahr- und Linienpläne ausgehängt und es gibt teilweise hochmoderne Busse, chinesische und koreanische Fabrikate. Auf den größeren Tangenten durch die Stadt fahren Schnellbusse auf eigenen Spuren. Alles schon sehr fortschrittlich. Bild Das 'Takhti Stadion' ist nur zur Hälfte ausgebaut. Eine wuchtige, hohe Tribüne zieht sich geschwungen bis in beide Kurven. Die Gegenseite ist unbebaut, stattdessen findet man dort ein Kunstrasenfeld. Das zeltartig angelegte Tribünendach, das ein wenig an das Münchener Olympiastadion erinnert, wirkt architektonisch gewagt und wird durch dicke Stahlseile von den beiden einzigen ebenso ungewöhnlichen Flutlichtmasten gehalten. Erbaut wurde die Bude in den Siebzigern und vor einigen Jahren genoss der Ground eine Renovierung. Die Dachkonstruktion aus Beton wirkt aber dennoch etwas bröckelig und scheint auch eher der Optik denn als Regenschutz zu dienen. Bild 30tsd Menschen sollen hinein passen, wonach es aber trotz der Höhe, welche die Tribüne erreicht, nicht aussieht. Dieses Fassungsvermögen war beim heutigen Kick natürlich auch nicht gefragt, obwohl der Vierte der Rangliste den Tabellenführer erwartete. 50tsd Rial (= 1,25 Euro) kostete der Zutritt. Naft hat zwar in den letzten Jahren einen kometenhaften Aufstieg bewerkstelligt und steht von den Tehraner Clubs momentan sportlich am besten da, hat aber trotzdem kaum Anhänger, da die beiden großen Clubs annähernd das komplette Interesse der Bevölkerung auf sich ziehen. Der Verein ist im Besitz des staatlichen Erdöl-Unternehmens. Bild So galten die Sympathien der etwa 4tsd Zuschauer zu einem Großteil den Gästen aus Tabriz. Den Anteil, der es mit den Gastgebern hielt, würde ich auf maximal 500 Leuten beziffern. Tractor Sazi verfügt hinter den großen Tehraner Vereinen über die größte Anhängerschaft im Iran. Die Einwohner von Tabriz, im Norden des Landes gelegen, sind überwiegend aserbaidschanischer Herkunft. Daher verwunderte es auch nicht dass die Anhänger immer wieder "Aserbaycan" skandierten. Ich denke aber, dass die wenigsten tatsächlich aus Tabriz selbst zum Spiel kamen. Eher dürfte es sich eher um Zugewanderte gehandelt haben. Naft ging kurz vor der Pause in Führung, aber der Tractor Club konnte unmittelbar nach Wiederanpfiff ausgleichen. Dieser Spielstand hatte aber nur zehn Minuten Bestand, dann lag die Heim-Mannschaft erneut in Front. Wie in Halbzeit eins, war das Spiel in der Folge annähernd ausgeglichen. Tabriz erarbeitete sich in der Schlussphase ein Übergewicht, der Ausgleich wollte aber nicht mehr fallen. Da kaum Busse fuhren und kein freies Taxi aufzutreiben war, traten wir den Rückweg erneut per pedes an. Von ein wenig Bewegung ist ja auch noch niemand gestorben.

Wir fuhren zum 'Terminal e-Jonoob', dem südlichen Busbahnhof der Stadt, um schon mal Bus-Tickets für den nächsten Morgen klarzumachen. Bild Dort klapperten wir alle möglichen Anbieter ab, um unseren Wunsch in die Tat umzusetzen, Tickets für einen frühen Bus der Luxus-Variante zu erwerben. Die beste Bus-Klasse nennt sich 'VIP' und ist gleichzusetzen mit der Cama-Klasse in Südamerika. Es gibt pro Reihe nur drei Sitze, die entsprechend breit und bequem sind. Außerdem hat man viel Beinfreiheit und kann die Sitze weit nach hinten klappen. Wir sicherten uns Plätze für den 7-Uhr-Bus des Unternehmens TBT, der Esfahan um 12:00 Uhr erreichen sollte. Betonung natürlich auf 'sollte'. Für die knapp 450 Kilometer lange Strecke kostet die Fahrt gerade mal 190tsd Rial, also keine sechs Euro. Lunchpaket inklusive. Auch wenn die Kraftstoffkosten äußerst konsumentenfreundlich sein mögen, muss man sich fragen, wo da noch die Gewinnspanne bleibt, zumal jedes Fahrzeug über eine dreiköpfige Crew verfügt. Zurück am Hotel enterten wir den benachbarten Kebab-Grill unseres Vertrauens. Je nachdem welche und wie viele Fleischspieße man hier bestellt, bezahlt man nachher inklusive Getränk, Fladenbrot, Tomaten und Peperoni zwischen 80tsd und 150tsd Rial. Alles keine großen Preise. Im Mini-Markt wurden noch ein paar Knabbereien und bleifreie Bier erworben und dann schmissen wir uns auf die Betten und bemühten wieder das Internet. Mann, die Abende sind schon eintönig, wenn man seinen latenten Gewohnheits-Alkoholismus nicht befriedigen kann...

Sa. 22.11. 15:00 - Zob Ahan Esfahan vs Padideh Mashhad 2:0 (Persian League), 600 Zuschauer (3.500 Gäste)

Bild Bild Um 5:30 Uhr endete die Nachtruhe und um 6:00 Uhr saßen wir im Taxi zum Jonoob-Terminal. 180tsd Rial kostete die Taxifahrt, also beinahe so viel wie die folgende Busfahrt nach Esfahan. Der Bus fuhr pünktlich ab. Pünktlich heißt auf persisch mit 35 Minuten Verspätung. Bild Bild An ein paar Ecken wurde noch gehalten und Passagiere aufgenommen und dann ging es auf die Autobahn gen Süden. Die Infrastruktur ist recht gut. Die Fernstraßen sind alle gut ausgebaut, bis weit hinter Tehran sogar dreispurig. Innerhalb Tehrans sind die Straßen teilweise vier- und mehrspurig. Da hat man schon zukunftsorientierter gedacht als in unseren Breiten, wo alle paar Jahre eine Spur dazu gefrickelt werden muss, um den Verkehr halbwegs im Fluss zu halten. Die Fahrt führte über Qom und dann immer weiter gen Süden entlang des Kuhrud-Gebirge, das wir irgendwann durchschnitten. Die Landschaft zeigte sich steppenartig trocken und wild. Grüne Flachen oder Baumwuchs waren nur selten zu erspähen. Aufgrund der verspäteten Abfahrt und mehrerer teils ausgedehnter Stopps, erreichten wir die 2mio-Metropole Esfahan erst um 13:30 Uhr. Damit war der Plan, vor dem Spiel noch etwas von der Stadt zu sehen, hinfällig und wir bemühten uns direkt um zwei Taxen in das 40 Kilometer entfernte Foolad Shahr, dem Spielort des Zob Ahan FC. Bild Eine gute Stunde vor dem Anstoß erreichten wir das 'Foolad Shahr Stadion'. Sascha begab sich bereits hinein, während der Rest der Gemeinde am nahen Busbahnhof noch einen Burger einwarf. Das reine Fußballstadion hat eine U-Form. Der südliche Hintertorbereich beherbergt lediglich die Anzeigetafel. Die übrigen Seiten verfügen über versitzplatzte unüberdachte Tribünen. Lediglich der verglaste VIP-Bereich auf der Hauptseite bietet Schutz vor Niederschlägen. Bild 20tsd Zuschauer sollen hineinpassen, was ich für stark übertrieben halte. War aber heute auch völlig egal, da sich eh nur ein paar hundert einfanden. Auf der Gegenseite versammelten sich Leute zum organisierten Support, der aber eher an eine Kinder-Animation in einem Ferien-Resort erinnerte. Dazu passte auch das Maskottchen - ein Plüschkrokodil. Das Duell zweier Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte riss auch nicht vom Stuhl. Allerdings bot der verdorrte Rasen mitsamt seinem Untergrund auch nicht die besten Voraussetzungen für einen fußballerischen Leckerbissen. Zob Ahan ging gegen die Gäste aus dem Nordosten des Landes verdient in Führung und konnte diese in der zweiten Hälfte noch ausbauen und damit den dringend benötigten Sieg einfahren. Co-Trainer der Gäste ist übrigens Thomas 'Icke' Hässler. Es erschließt sich mir absolut nicht, wie man ein Vize-Amt auf der Trainerbank eines persischen Provinzvereins annehmen kann. So gut kann das doch gar nicht bezahlt sein, dass man sich das antut. Um eine Karriere als Trainer zu starten, böten sich für jemanden mit so einem bekannten Namen doch sicherlich andere Möglichkeiten. Kann einem ja direkt leid tun, der Mann. Icke, sieh zu dass Du da wegkommst.

Bild Nach Spielschluss kümmerten wir uns um zwei Taxen, um nach Esfahan zurückzufahren. Sightseeing fand nun im Dunklen statt, was ja aufgrund entsprechender Illumination der Gebäude auch seinen Reiz besitzt. Ziel war die 'Si-o-se Pol'. Was sich so abenteuerlich liest, bedeutet ganz sachlich '33-Bögen-Brücke', womit ja beinahe alles erklärt ist. Die Brücke wurde zu Beginn des 17.Jahrhundert errichtet. Die knapp dreihundert Meter lange Brücke ist die wichtigste von mehreren, die den Fluss 'Zayandeh Rud' queren. Wir spazierten die Hauptstraße 'Chahar Bag' hoch, Bild Bild um zum 'Meidan-e Emam' zu gelangen, mit 560 Metern Länge und 160 Metern Breite einer der größten Plätze der Welt, der von prunkvollen Arkaden umgeben ist. Um den Platz herum befinden sich wichtige epochale Bauwerke. Wir waren etwas geschlaucht vom langen Tag und entschieden uns nun schon zum Flughafen zu fahren. Dort mussten wir feststellen, dass genau einer der angezeigten Flüge verspätet sein würde. Nicht schwer zu erraten, um welchen es sich handelte. Also hingen wir Nüsse-essend und Pepsi-trinkend rum, bis um kurz nach Mitternacht endlich zum Boarding gerufen wurde. Bis wir im Flieger saßen und sich dieser auch bewegte, wurde es locker 1:00 Uhr. Die Flugzeit nach Teheran beträgt gerade mal vierzig Minuten. Trotzdem gab es eine warme Mahlzeit, die nicht unwillkommen kam. Mit dem Taxi fuhren wir dann vom 'Mehrabad Airport' zu unserem Hotel, wo wir gegen halb drei endlich ins Bett sinken durften.

So. 23.11. 18:00 - Esteghlal FC vs Persepolis FC 1:2 (Persian League), 65.000 Zuschauer (32.500 Gäste)

Da war er also, der Tag, der den Hauptgrund dieser Reise beinhaltete. Da der Schlaf ja mal wieder völlig zu kurz kam, knickte ich mir das Frühstück und blieb einfach liegen. Als Treffpunkt war die Rezeption zur Mittagszeit ausgemacht. Nach einer Dusche schlug man leidlich erfrischt auf. Da Kevin herausgefunden hatte, dass es einen Online-Verkauf gab, hatten wir bereits am Donnerstag die Rezeptions-Tante gebeten, sich für uns um Tickets zu kümmern. Leider scheiterte Sie am eigenen Unvermögen. Allerdings war sie so innovativ einen Bekannten vom Bekannten zu bitten, sich darum zu kümmern. Die erste Idee war, dass dieser am heutigen Spieltag morgens zum Stadion fahren sollte, um Tickets für uns zu kaufen. Ich war zwar der Meinung, dass es einerseits nicht restlos ausverkauft werden würde, aber sicher ist sicher. Bild Während wir am Vortag in Esfahan weilten, hatten wir aber über 'Whatsapp' von Ingo aus Frankfurt, der mit einem weiteren Kollegen zufällig ebenfalls in unserem Hotel abgestiegen war, erfahren, dass unser V-Mann bereits auf irgendeinem Wege Eintrittskarten für uns am Stadion hatte hinterlegen lassen. Mit unserem Mittelsmann trafen wir uns also im Hotel und führen mit dem Taxi für 250tsd Rial zum 'Azadi Stadion'. Dort angekommen lief es dann darauf raus, dass wir das Stadiongelände direkt betreten sollten. Das war uns allerdings überhaupt nicht recht, denn fünf Stunden vor dem Kick off am und im Stadion rumzuhängen war uns dann doch des Guten zu viel. Nach einigem Hin und Her war es dann möglich, dass uns Bons ausgedruckt wurden, die uns den Zutritt zu einem späteren Zeitpunkt ermöglichen sollten. 105tsd Rial waren dafür fäliig, also knappe drei Euro. Da uns die kleinen für uns nicht lesbaren Schnipsel aber zu unsicher erschienen, erwarben wir zusätzlich noch Tickets mit ordentlichem Barcode für 70tsd Rial an den Tageskassen, die natürlich geöffnet hatten, und an denen noch reichlich Karten verfügbar waren. Damit waren wir nun mit Netz und doppeltem Boden abgesichert und es sollte nichts mehr schief gehen.

Auf der Fahrt zum Stadion war uns der Eingang zum 'Tehran Zoo' aufgefallen, der sich nur einen knappen Kilometer Luftlinie vom Stadion entfernt befand. Eine willkommene Gelegenheit, die Zeit bis zum abendlichen Spiel zu verkürzen. Unser Ticket-Lieferant organisierte uns zwei Taxen und begleitete uns höchstpersönlich zu unserem Zwischenziel. Bild Er hatte nun einmal die Verantwortung für unser Wohl übernommen und es war ihm eine Selbstverständlichkeit dafür zu sorgen, dass unser Tagesablauf vollkommen sicher war. Natürlich hätten wir ihm auch deutlich sagen können, dass wir alleine klar kommen, aber das wäre mehr als unhöflich und zudem beleidigend gewesen. Der gute Mann hatte erst seinen Frieden nachdem er uns am Zoo abgeliefert und die Eintrittskarten dafür (50tsd Rial) in die Hand gedrückt hatte. Bild Erst dann war sein Werk vollendet und er konnte guten Gewissens den Heimweg antreten. Nett sind se ja, die Perser. Dass Luftlinie nicht immer dem tatsächlichen Weg und der vermuteten Fahrzeit entspricht, bewahrheitete sich auch wieder einmal. Bedingt durch ein Konglomerat aus schwieriger Verkehrsführung und Orientierungslosigkeit der Taxi-Mokel, benötigten wir über zwanzig Minuten für den einen Kilometer. Die Taktik der Fahrzeugführer scheint hier zu sein, den Kreis um das Ziel immer enger zu ziehen, bis das Fahrtziel einfach nicht mehr entwischen kann. Der Zoo entpuppte sich als nicht so schlimm wie befürchtet. Natürlich – an die mittlerweile wirklich guten, tierfreundlichen deutschen Tierparks kam er nicht ran. Ich hatte nackte Gehege mit gefliesten Wänden befürchtet. Davon waren die Gegebenheiten aber weit entfernt. Der Bär wurde allerdings landestypisch mit Lavash-Fladenbrot versorgt. Da noch genügend Zeit war, ließen wir uns im Kebab-Grill des Zoos nieder und bestellten etwas zu Essen. Dazu wurde ebenfalls Lavash gereicht, worauf wir uns fragten, ob sich der Bär wohl gewundert hat, als ihm der Pfleger das Brot entrissen hat, um es in die Küche zu bringen. Da der Fußmarsch zum Stadion einen großen Umweg bedeutet hätte, musste wieder das Taxi herhalten.

Etwas mehr als zwei Stunden vor dem Anstoß waren wir da. Die Kontrollen erwiesen sich als relativ lasch. Das Stadion liegt schon wuchtig vor einem. Dabei kann man gar nicht wirklich erahnen, dass es eines ist. Es baut sich quasi ein künstlicher Hügel aus Beton vor einem auf. Man sieht aber eigentlich nur die obere Hälfte des Stadions, da der Unterrang fast komplett in den Boden hinein gegraben wurde. In den Unterrang gelang man durch langgezogene Tunnel. Nichts für Leute mit Platzangst. Bild Den Oberrang erreicht man über Rampen, die sich vom Fuße der Längsseiten beidseitig zu den Kopfseiten hochziehen. Man betritt das Stadion dann also von oben. Der erste Blick ist dementsprechend gewaltig, wenn sich dieser Wahnsinns-Kessel unter einem ausbreitet. Das Stadion teilt sich wie gesagt in Unter- und Oberrang. Der Oberrang steigt auf den Geraden zur Mitte an, so dass sich eine geschwungene Form ergibt. Die komplette Bude ist unüberdacht, mit Ausnahme der oberen Reihen des Unterrangs, die sich unter den Oberrang schieben. Das Ding ist auf jeden Fall eines der beeindruckendsten Stadion, die ich bisher besucht habe. Bild Bild Noch war das Rund recht spärlich gefüllt. Man kann das Stadion auf dem First des Oberrangs komplett umrunden, was wir auch entspannt taten. Da die Gegend um das ‚Azadi‘ gegenüber dem durchschnittlichen Niveau Tehrans sowieso schon erhöht liegt, hat man vom Oberrang eine phantastische Sicht über die riesige Stadt und die dahinter liegenden schneebedeckten Berge des Elburs-Gebirges. Weil sich das Wetter entgegen der Vorhersage sehr gut entwickelt hatte, bot sich ein herrliches Panorama. Bild Wir suchten uns im Stadion ein Plätzchen und beobachteten das Treiben in Ruhe. Eine Stunde vor dem Anpfiff wurde langsam klar, dass sich der Kessel heute nicht ganz füllen würde. Damit hatte ich nicht gerechnet, aber eine relativ frühe Anstoßzeit auf einem Werktag (das ist der Sonntag in islamischen Staaten nun mal) scheint nicht nur in Westeuropa negativen Einfluss auf das Zuschauerinteresse zu haben. Zum Spielbeginn hatten sich circa 65tsd natürlich ausschließlich männliche Zuschauer eingefunden, die sich zu je fünfzig Prozent säuberlich in rot (Persepolis) und blau (Esteghlal) aufteilten. Auf jeder Seite wurde ein Pufferblock eingerichtet, damit man sich nicht sofort an die Gurgel ging. Bild Die Flutlichtmasten werden übrigens jeweils von einem eigenen Diesel-Generator befeuert. Nicht sehr umweltfreundlich, aber auch nicht verwunderlich in einem Land, dass quasi auf Erdöl gebaut ist. Esteghlal hätte sich mit einem Sieg bis auf einen Punkt an Tabellenführer Tractor Sazi heranarbeiten können und war gegenüber dem im Mittelfeld platzierten Persepolis leichter Favorit. Bild Das ‚Azadi‘ ist Heimstadion beider Teams, so dass es keinen Vorteil für eine der Mannschaften gab, obwohl Esteghlal heute Heimrecht genoss. Organisierten Support gab es natürlich nicht wirklich. Es gingen eher immer Schlachtrufe oder Gesänge von einzelnen Gruppen aus, die dann auf das gesamte Publikum der betreffenden Seite übergriffen. Wenn alle mal einstimmten, wurde es schon gut laut. Was wäre hier wohl los, wenn das Stadion über ein Dach verfügen und man den Support in vernünftige Bahnen lenken würde?! Auch Wechselgesänge wurden ab und an angestimmt. Bild Bild Nach gutem Start von Persepolis übernahm das Team von Estleghal die Initiative und ging mit dem Halbzeitpfiff nach einem Eckball in Führung. Persepolis fasste in der zweiten Hälfte neuen Mut und stemmte sich gegen die Niederlage. Zwanzig Minuten vor dem Ende erzielten die ‚Gäste‘ den mittlerweile verdienten Ausgleich. Bild Der Torjubel, der durch das Stadion knallte, war wie beim ersten Treffer schon brachial. Drei fette Böller fanden auch den Weg aus dem Block auf die Tartan-Bahn – damit hätte ich hier mal gar nicht gerechnet! Das Team von Persepolis spürte nun, dass hier und heute noch mehr drin ist und machte weiter Druck. Eine Riesenchance wurde vergeben, aber man konnte fühlen, dass gleich noch was passieren würde. Und so war es auch. Ein paar Minuten vor dem Ende fiel der Treffer für Persepolis und nun brachen bei den Fans der Roten und bei der Mannschaft alle Dämme. Beinahe das komplette Team folgte dem Torschützen in die Kurve. Auch die Ersatzspieler stürmten hin, so dass der Referee große Mühe hatte, die Jungs wieder einzufangen. Aus mir nicht ersichtlichem Grund bekam der Torschütze, der sich zwar seines Trikots entledigt hatte, aber vorher nicht verwarnt worden war, eine glatte rote Karte unter die Nase gehalten. Die Schlussphase war mehr als aufregend. Esteghlal hatte in Überzahl noch einen Lattentreffer und erzielte ein Abseitstor, aber es half nichts mehr. Die Minuten verrannen, die letzte Flanke segelte ins Leere, Abpfiff, unbändige Freude auf der roten Seite des Stadions.

Mittlerweile war es arschkalt geworden, so dass wir nur noch wenige Minuten verweilten und uns dann mit der großen Masse zum Ausgang begaben. Prinzipiell sehr schade, dass ich dieses beeindruckende Stadion nicht voll besetzt erleben durfte. Aber einerseits ist es nicht zu ändern und ein Grund wirklich enttäuscht zu sein, war es dann doch nicht, da das Gesamtpaket stimmte. Spiel spannend, Stimmung gut, Stadion genial – passt! Dank Kevins engagiertem Einsatz bekamen wir zügig ein Taxi (oder nahmen wir es ihm einfach weg?  ) und fuhren zurück zum Hotel. Eigentlich begann nun die Nacht des Wartens, da wir das Zimmer nur bis heute gebucht hatten und der Flug um kurz vor fünf Uhr ging. Über den Tag hatten wir aber beschlossen uns (bis auf Kevin, der einen früheren Rückflug hatte) noch ein Vierbett-Zimmer zu erhandeln. Diese bekamen wir zum etwas vergünstigten Kurs in der Form, dass ein Dreibett-Zimmer mit einer weiteren Matratze ausgestattet wurde. War die richtige Entscheidung. So bekam man wenigstens noch ein paar Stunden Schlaf auf die Mütze und war nicht ganz so erledigt. Um halb drei holte uns das Taxi zum Flughafen ab. Nur 500tsd Rial, also keine 20 Euro waren dafür fällig, womit es noch etwas günstiger war, als der umgekehrte Weg. Pünktlich hoben wir ab. Daniel und ich gönnten uns entzugsbedingt erst mal eine Dose ‚Efes‘, die beim knapp vierstündigen Zwischenstopp am ‚Sabiha Gökcen Airport‘ in Istanbul mit ein paar gezapften Brüdern in der Sportsbar noch etwas ausgebaut wurde. Um halb eins landeten wir in Düsseldorf und die Heimat hatte uns wieder. Was bleibt hängen? Der Iran ist ein interessantes, gut entwickeltes Land. Das Leben der iranischen Bevölkerung scheint noch liberaler und unbeschwerter, als ich es ohnehin dachte. Die Menschen sind freundlich, aufgeschlossen gegenüber Fremden und wirken gut informiert und gebildet. Der Lebensstandard ist relativ hoch. Es scheint trotz Wirtschaftsembargos an nichts zu fehlen. Das zeigte die Vielzahl an Waren und Geschäften. Wie schon erwähnt, hatte ich aber auch nichts großartig anderes erwartet und durch die fast ausschließlich negative Berichterstattung in den Medien entsteht dem Durchschnitts-Europäer ein völlig falsches Bild von dieser Nation. Da wir uns nur in Tehran und Esfahan aufgehalten haben, kann ich mir aber nicht erlauben, ein umfassendes Urteil über das Land abzugeben. Dafür hätte man sich wohl auch in die ländlicheren Gegenden begeben müssen. Trotzdem war es eine sehr interessante Tour in ein interessantes Land.

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