G R O U N D F E V E R
  Bari & Napoli
 

08.-10.03.2014 --- Am Fuße des Vesuv

Als ich so im Januar gelangweilt die Spielpläne auf der Suche nach Inspiration durchwühlte, blieb ich auf einmal bei der 'Serie A' hängen. Napoli gegen Roma war auf den Sonntag-Abend angesetzt, was ja heißt, dass man sich für Samstag und Sonntag-Nachmittag noch schön was dazu basteln konnte. Die Hoffnung, dass Salernitana passend spielen würde, zerschlug sich leider mit dem Blick in den Spielplan, stattdessen sollte aber Bari am Samstag in der 'Serie B' ein Heimspiel ausrichten. Da neben dem 'San Paolo' am Fuße des Vesuv auch das 'San Nicola' in Bari immer schon mal besucht werden wollte, war die Versuchung groß, entsprechende Flüge zu buchen. Aber schon wieder Italien? Ich war doch im Dezember erst dort. Nach einigen Tagen Bedenkzeit räumte ich sämtliche Zweifel beiseite. Mit den Flügen war es dann nicht so einfach. Zwar gibt es die Verbindung ab Weeze nach Bari, aber mit dieser landet man pünktlich mit Spielende. Bild Am 'Hahn' würde ich dann fündig. Leider war aber von dort der Rückflug ab Rom-Ciampino viel zu teuer. Viel weiter ist es aber auch nicht nach Pescara, so dass ich mich für diese Variante entschied und letztlich mit knapp 65 Euro für die Flüge davon kam. Um dass Sportprogramm so gestalten zu können wie gewünscht - dieses beinhaltete den Plan auch am Sonntag-Nachmittag noch eine unterklassige Partie einzubauen - war nun ein Mietwagen mit Einwegmiete unabdingbar. Die günstigste Lösung hieß letztlich Dollar-Thrifty mit 60 Euro Miete plus 40 Euro Einweggebühr. Absolut kein Schnäppchen, aber wenn bestimmte Pläne genau umgesetzt werden wollen, muss halt manchmal ein wenig mehr investiert werden. Für den Sonntag blieb dann die Wahl zwischen dem drittklassigen Spiel in Benevento und dem vierklassigen Gebolze in Caserta. Das sollte sich erst kurzfristig entscheiden. Mitfahrer wurden keine gefunden, aber auch irgendwie nur halbherzig gesucht.

Sa. 08.03. 15:00 - AS Bari vs SS Virtus Lanciano 1:0 (Serie B), 7.970 Zuschauer (500 Gäste)

Um 6:00 Uhr klingelte mein Feind, der Wecker, und eine halbe Stunde später war ich auf der Straße. Diese war beinahe ekelhaft leer, so dass ich die 240 Kilometer in den Hunsrück völlig relaxt in 2:15 Stunden zurücklegen konnte. Geparkt wurde am 'Hotel Fortuna' für drei Euro am Tag (Danke für den Tip, Daniel) und keine zehn Minuten Fußweg später stand ich im Terminal. Man mag es kaum glauben, aber es war mein 'erstes Mal'. Das erste Mal ein Flug vom 'Hahn'. Da man als Ruhrpottler ja den Luxus genießt eine ganze Hand voll Airports im Umkreis von knapp 100 Kilometern erreichen zu können, mag ich es ja nicht, derart weite Strecken bis zum Abflugort zurückzulegen. Aber in Ausnahmefällen, muss ich das wohl einfach in Kauf nehmen. Herr Ryan startete mit gut besetzter Maschine überpünktlich und zwanzig Minuten vor der geplanten Ankunftszeit erreichten wir schon Bari. Auf ihre einfache Art find ich die Airline ja irgendwie gut. Klar, die Flüge sind oft nervig - enge Maschinen, hektisches Ein- und Aussteigen, Werbung. Aber ich weiß trotzdem nicht warum immer aller Leute auf 'Ryanair' rumhacken. Wer diese Airline bucht, weiß ja schließlich, was er da bucht. Man will für minimales Geld befördert werden, was ja in der Regel auch gelingt. Mir ist nicht klar, was die Leute bei Flugraten von 20 oder 35 Euro erwarten. Was soll in diesen Mickerpreisen mehr enthalten sein, als der nackte Flug?! Und es wird ja niemand gezwungen, diesen Dienstleister in Anspruch zu nehmen. Man soll doch froh sein, dass man für kleines Geld alle möglichen Ecken des Kontinents und sogar noch entferntere erreichen kann. Und das in beinahe allen Fällen superpünktlich. Auf Nachfrage konnte ich einen der freien Plätze am Notausgang in Anspruch nehmen. Klappt ja auch nicht immer. Da ich nach Ankunft als letzter in den Bus auf dem Rollfeld stieg, war ich am Ausgang als erster wieder raus und stand auch an Position Eins am Mietwagen-Schalter. Die Trulla hackte aber noch irgendwas in den Computer und als ihr Kollege dazu kam, waren plötzlich zwei Leute vor mir dran. So sind se halt, die Spaghettis. Die Signora war dann nach ein paar Minuten so gnädig sich mir anzunehmen und wenig später saß ich in meinem Drei-Zylinder-Geschoss namens Citroen C1. Erstes Ziel war der 'Bari-Point' in der Stadt - Vorverkaufsstelle und Fanshop. Mein Ticket fürs heutige Spiel wartete zwar am Stadion auf mich, aber es war noch unklar, wie ich an ein Ticket für den Kick in Neapel gelangen könnte. An ein 'sold out' glaubte ich zwar nicht, aber einfach ist die Ticketbeschaffung bei brisanten Spielen in Italien ja manchmal nicht. Meine Sorge war halt, dass vor dem Spiel am Stadion kein Ticketverkauf sein würde. Der Internet-Auftritt des Ticketportals 'Listicket' kommunizierte, dass unter anderem im 'Bari-Point' angeblich Eintrittsberechtigungen für das Spiel in Neapel erhältlich seien. Klang komisch, stand aber so in der Liste der Vorverkaufsstellen. Also ab in die Stadt. Die präsentierte sich schön chaotisch. Die Verkehrsdisziplin erinnerte mich eher an Griechenland oder die Türkei. Ampeln werden hier wohl mehr als Vorschlag wahrgenommen. Aber ich mag diese Mentalität ja. Hinsichtlich Autoverkehr ist das eigentlich absolut mein Land. Jeder fährt sein Ding. Man steht schon mal zu dritt nebeneinander an einer zweispurigen Kreuzung, es wird völlig unkonventionell abgebogen, jeder fährt eigentlich egoistisch und unverschämt. Und trotzdem passiert nichts und keiner ist dem anderen böse. Ist ja auch logisch, da jedem klar ist, dass der andere genauso beschissen fährt, wie man selbst. Und trotzdem bleibt eine Spur Restanstand und Rücksicht, die das ganze Konstrukt am Leben erhält. Und im Umkehrschluss dürfte das auch der Grund sein, warum eben in unserer traumhaften Republik täglich reichlich Fahrzeug-Kaltverformungen stattfinden. Weil jeder auf sein behindertes Recht beharrt. Typisch deutsch halt - davon will ich mich auch nicht ausnehmen. Und ich will auch das italienische Verständnis vom Autofahren nicht pauschal gutheißen. Regeln sind schon dazu da, beachtet zu werden. Aber ein wenig großzügigere und angepasstere Auslegung, hilft offensichtlich, die eine oder andere Verkehrssituation zu entzerren. Ich habe jedenfalls das geringste Problem damit, mich anzupassen. Doch ich schweife ab. Am 'Bari-Point' durfte ich dann ernüchtert feststellen, dass vor dem Eingang eine Traube von 50 Menschen den Einlass begehrte. Hätte ich mir auch denken können, dass sich natürlich ne ganze Reihe Leute dort Tickets für das Nachmittagsspiel kaufen wollen. Da machte hier keinen Sinn, zumal es wohl nicht sinnvoll gewesen wäre, zwischen den ganzen Bari-Leuten mal eben nach nem Ticket für Napoli zu fragen. Auch wenn ich das Maß der Rivalität zwischen den Clubs nicht einzuschätzen vermag.

Bild Also erstmal raus zum 'San Nicola', diesem herrlichen angestaubten 'UFO' der WM1990, welches sich südwestlich vor den Toren der Stadt befindet. Schon von außen wirkt dieses riesige Ding wahnsinnig imposant. Es besteht baulich aus zwei Rängen. Optisch hat man den Eindruck, dass es deren drei sind, da der sich der obere Rang ab dem ersten Drittel in einzelne Elemente teilt, zwischen denen jeweils fünf Meter Freiraum bestehen. Bild Natürlich schon angeranzt das ganze Teil. Der Beton bröckelt, kleine Pflanzen haben sich ihren Lebensraum erkämpft, Farbe blättert ab und es ist bei weitem nicht mehr alles intakt. Das macht sich am deutlichsten beim Dach bemerkbar, dass ja aus riesigen Stoffbahnen besteht. Einige Dach-Elemente sind nicht defekt, sondern fehlen gleich ganz. Logo, die Kommunen haben kaum Kohle, da wird das wenige, das vorhanden ist, natürlich nicht in die Sanierung der Stadien gesteckt. Also werden defekte Segmente nicht ersetzt. Zwei Anzeigetafeln schmücken die Dachkonstruktion. Die eine ist gar nicht mehr in Betrieb. Bild Vor die andere wurde einfach eine Video-Leinwand gehängt, die aber auch im Arsch ist. Insgesamt also eine schöne Knüppelkiste, die einen traumhaften angestaubten Charme ausstrahlt. Das es sich um eine reine Sitzplatz-Schüssel handelt muss ja eigentlich nicht erwähnt werden. Die 'Curva Nord' füllte sich langsam mit deutlich mehr Leuten, als ich es erwartet hatte. Auch Virtus Lanciano war mit ein paar Bus- und Autobesatzungen vertreten. Gut 500 Mann (und Frau) werden es gewesen sein. Die Zuschauerzahl von knapp 8tsd, kam mir auch ein wenig dürftig vor. Ich hätte auf gut 15tsd geschätzt, aber das ist bei einem so großen Stadion auch nicht so einfach zu erraten. Die 'Nord' dann auch deutlich lauter als ich es erwartet hatte. Da machte sich dann wohl doch die Serie A-Vergangenheit bemerkbar. Bild Die Kurve war jedenfalls richtig gut aufgelegt mit lauten Gesängen und Klatscheinlagen. Schönes Fahnenmeer zu Beginn, ein bisschen oranger Rauch gab sich die Ehre und eine einsame Fackel wurde auch noch gezündet. Die Vereinshymne zum Einlauf der Teams wurde mit richtiger Inbrunst vorgetragen. Die Gäste gaben auch irgendwas von sich, das war deutlich zu erkennen. Nur - man hörte sie nicht. Die Baresi gaben also ordentlich Stoff und feiern den ersten Angriff auch direkt ab. Dieser bringt aber nix ein. Und was passiert im Gegenzug? Na klar... 0-1! Dachten zumindest alle einschließlich dem werten Autor, aber die Unparteiischen entschieden auf Abseits. Die Kurve gab nun noch mehr Gas und die Spieler ackerten mit Herzblut. Lanciano aber viel abgeklärter und mit Granaten-Chancen begünstigt durch einige Mängel in der heimischen Deckung. Nach einer halben Stunde dann der erste Eckball für die Gastgeber, der dann mustergültig aus acht Metern eingenickt wurde und dann hieß es "Hier geht's ab, hier geht's rund, die nächste Fahrt ist mit Musik!". Bild Schöner Tor-Pogo in der Kurve und direkt wurden wieder ein paar Fackeln angerissen und ein mächtiger Böller hallte durch das weite Rund. Der Bari-Schnappmann noch mit einem Mega-Save und dann ging es mit diesem Spielstand in die Pause. Nach der Pause gestaltete Bari die Partie dann ausgeglichener. Lanciano war vor dem Tor nicht mehr so zwingend, dafür gab es nun auch mehr Möglichkeiten für die Gastgeber. Zehn Minuten vor dem Ende dezimierten sich diese dann selbst, so dass Lanciano nochmal ein wenig Druck aufbauen konnte und auch noch die Riesenchance zum Ausgleich bekam. Dieses allerdings wieder weniger durch eigene Kunst, als durch eine Slapstick-Einlage a la 'Nimm Du ihn mal, ich hab ihn sicher' zwischen Torwart und Innenverteidiger. Nix passiert und Schlusspfiff. Am Ende ein nicht unverdienter Arbeitssieg, der wichtige Punkte gegen den drohenden Abstieg bringt. Die Heimkurve feierte mit ein paar Fackeln und Böllern. Die Gäste hab ich übrigens nicht ein einziges Mal gehört. Schwacher Auftritt, der einem möglichen Aufstieg in die 'Serie A' nicht würdig war.

Also zurück in die Stadt. Zweiter Versuch am 'Bari-Point'. Mit Englisch kam ich hier nicht weiter. Also mit den paar italienischen Vokabeln, die mir geläufig sind, einen zurecht gestammelt und herausgefunden, dass die Info der Listicket-Homepage natürlich totaler Mumpitz ist. Die aus dem Maschinengewehr abgefeuerte Antwort enthielt die Worte "biglietti solo regione Napoli" deren Sinn mir dann klar war. Damit war auch klar, dass der Sonntag-Nachmittag-Kick in Benevento passé war und auf jeden Fall Caserta angesteuert werden würde, da vorher die Ticket-Beschaffung für Napoli Pflicht war. Weiter ging es zur vorab gebuchten Unterkunft. Die billigste Variante hatte ich außer Acht gelassen und mit für immer noch erträgliche 40 Euro ein Zimmer mit Bad im 'centro storico', also in der Altstadt gebucht. Das Rennbrötchen konnte kostenfrei am Kastell geparkt werden, da ab Samstag-Abend keine Parkgebühr mehr anfällt. Bild Hatte mir vorher eine Karte ausgedruckt, auf der ich die Lage der Unterkunft markiert hatte und ich hab normal auch nie Orientierungsprobleme, aber die Pension in dieser extrem engen und verwinkelten Altstadt habe ich ums Verrecken nicht gefunden. Als ich dann irgendwo stehen blieb um mich nochmal zu sortieren, trat ein älterer Mann an mich heran, schaute mich verwundert an und fragte "Pensione?". Klar, Alter. Bild "Pensione!" Er bedeutete mir zu warten und kam eine Minute später mit einem jungen Typen wieder, dem die Pension gehörte. Auch hier ging nicht ansatzweise was in Sachen Englisch. Es hat mich echt erstaunt, wie wenig man mit dieser Sprache in Bari und auch in Napoli weiter kam. Egal, mit Händen und Füßen geht's immer und so konnte ich mein Zimmer in der wirklich hübschen Pension 'La maison del borgo antico' beziehen. Danach schlenderte ich ein wenig durch die Altstadt. Bari, heute ca 310tsd Einwohner, ist uralt. Erste Siedlungsfunde reichen bis 4tsd Jahre vor Christi Geburt zurück. Richtig los ging es dann ab dem 3.Jahrhundert. Die Geschichte ist ab diesem Zeitpunkt sehr bewegt. Der Reihe nach rauschten die anlandenden Armeen der Araber, Byzantiner und Normannen durch die Region. Wahre Berühmtheit erlangte die Stadt durch einen gewissen 'Nikolaus von Myra'. Italienische Seeleute brachten die Gebeine des verstorbenen Heiligen Bischofs der türkischen Stadt in Sicherheit, nach dem diese ursprünglich christliche Region von muslimischen Völkern erobert wurde. Aber die Türken wären ja nicht die Türken, wenn sie nicht mittlerweile die Reliquien zurückfordern würden. Natürlich historisch bedingt, denn religiös haben die Osmanen-Brüder so viel mit unserem Nikolaus am Hut, wie das Christentum mit Onkel Mohammed. Bild Bild Die italienische Kirche hat dieses Ansinnen natürlich entschieden zurückgewiesen und direkt mal nachgefragt, ob die 'Basilika San Nicola', die zu Ehren des Nikolaus errichtet wurde und in der dessen Gebeine ruhen, gleich mit überführt werden soll. Diese Basilika war auch erstes Ziel meines Rundgangs. Schön, dass die Kirche auch am Abend geöffnet war, so dass ich mir diese noch in Ruhe ansehen konnte. Ich setze mich ja auch gern mal ne Viertelstunde in eine Bank und lass meine Gedanken baumeln. Letztlich möchte ich mich ja auch noch als gläubigen Menschen bezeichnen, auch wenn ich Gottesdienste nur noch an hohen Feiertagen besuche und mir meine eigene Meinung zur katholischen Kirche erlaube. Ich schaute mir noch in Ruhe die Krypta an, in der die nikoläusischen Reliquien in einem Altar aufbewahrt werden und schlich dann weiter durch das historische Stadtzentrum, warf noch einen Blick in die Kathedrale 'San Sabino', wo aber ein öffentliches Gebet abgehalten wurde, dass ich nicht stören wollte.

Da mir der Magen nun auch in den Kniekehlen hing - letzte Nahrungsaufnahme fand gegen 9:00 am Morgen statt - steuerte ich die vom Pensionswirt empfohlene Pizzeria an und bestellte mir ein schönes Wagenrad mit Namen 'Pizza Salmone'. Absolut köstlich und dazu sehr günstig. So einfach die Torte auch war, natürlich war sie kein Vergleich zu dem Gematsche, das einem die ganzen Araber in den Pizzerien des Ruhrgebiets servieren. An einer echten italienischen Pizza schmeckt ja nun mal einfach alles besser, ob es nun der Teig oder die frischen Zutaten sind. Zudem wird einem auch noch der zweifelhafte Analogkäse-Genuss erspart und stattdessen Mozzarella verwendet. Vermutlich Dank meiner wie üblich äußerst gepflegten und glanzvollen Erscheinung zog ich die Aufmerksamkeit einer jungen hübschen Dame am Nebentisch auf mich. Unvermittelt lächelte sie mich aus ihren tiefbraunen Augen an und winkte mir verstohlen zu. Dummerweise trennten uns geschätzte 38 Jahre. Ihre Aufmerksamkeit wurde dann von ihrer Mama auch wieder auf die vor ihr liegenden zerrupften Pizzabrötchen gelenkt. Gut gestärkt ging ich einen andern Weg zur Unterkunft zurück und kam am 'Piazza del Ferrarese vorbei, wo sich massenhaft feierwillige junge Leute trafen. Bei den milden Temperaturen hatte sich der weibliche Teil der Bevölkerung schon ziemlich... nun ja... 'angemessen' gekleidet. Gar nicht so einfach bei den ganzen kurzberockten und hochbepinnten dunkelhaarigen Mädels keine Stielaugen zu bekommen. Um der Reizüberflutung zu entfliehen, erwarb ich zwei 'Perroni' in einem Laden und schlurfte zur Penion zurück. Nach dem langen Tag war ich eh kaputt. Quizduell und die beiden Kaltgetränke gaben mir dann den Rest, so dass ich gegen Mitternacht im Reich der Träume vorbeischaute.

So. 09.03. 15:00 - Casertana FC vs Teramo Calcio 0:0 (Serie C2, Girone B), 3.500 Zuschauer (40 Gäste)
So. 09.03. 20:45 - SSC Napoli vs AS Roma 1:0 (Serie A), 42.000 Zuschauer (500 Gäste)


Bild Von allein wachte ich gegen 8:45 Uhr auf. Vor der Abfahrt schlich ich noch um das 'Castelo Svevo die Bari' herum. Ganz schön fette Mauern. Der Eintritt wäre mit drei Eusen auch bezahlbar gewesen, aber für eine entspannte Besichtigung fehlte mir die Zeit. Die Ticket-Beschaffung für das Abendspiel lag mir näher am Herzen. Am Auto fuhr mir dann der Schreck in die Glieder, da sich unter dem hinteren rechten Seitenfenster ein Haufen Glasscherben auftürmte. Lag aber wohl schon vorher dort und war von mir am Vorabend nur nicht bemerkt worden. An meinem Boliden war jedenfalls alles heil. Unspektakuläre 270 Kilometer und 17,30 Euro Maut später kam ich in Afragola an. Ich hatte mir über Listicket-Website ein paar Lotto-Läden in der Region Neapel rausgesucht und gleich im erstgewählten Etablissement ging auch alles glatt. Dummerweise war der Laden voll mit Lotto- und Toto-Süchtigen, aber ich hatte ja am Vortag was gelernt und drängelte mich unauffällig nach vorn an den Schalter. Der Verkäufer schaute zwar meinen Pass an, also ob da 'Bundesrepublik Mars' drauf stünde, aber nach anfänglichen Schwierigkeiten schaffte er es meine Daten in das System einzugeben und mir für nicht ganz günstige 40 Euro ein Ticket für die 'Distinti Superiore', also für dem Oberrang der Gegengerade, auszudrucken. Bild Weiter ging es ins wenige Kilometer entfernte Caserta. Blöderweise nahm ich eine Abfahrt zu spät, wodurch ich wieder in den Mautbereich rasselte und für knappe vier Kilometer zwei Euro(!) Maut berappen durfte. Am 'Palazzo Reale' hielt ich an, um einen Blick auf den riesigen barocken Palast aus dem 18.Jahrhundert, der zum Weltkulturerbe gehört, zu werfen. Inspiration für den Bau, war das Versailler Schloss. Der mächtige Palast von Caserta misst circa 200 mal 250 Meter. Hinter dem Gebäude erstreckt sich ein drei Kilometer langer Park, gespickt mit barocken Statuen und Brunnen. Bild Mir blieb leider nur Zeit für einen kurzen Gang durch die vorgelagerte Grünanlage und dann machte ich mich zum 'Stadio Alberto Pinto' auf. Als ich in Stadionnähe mir geöffnetem Fenster so an einer roten Ampel stehe, zog mir auf einmal der unverwechselbare Schwefelgeruch einer Rauchfackel in die Nase und plötzlich drangen Gesänge an mein Ohr. Direkt um die Straßenecke befand sich der Treffpunkt der Ultras Casertana, die sich bereits auf das anstehende Topspiel einstimmten. Bild Auto am Stadion geparkt und hinein in die gute Stube. Eine etwas größere überdachte Haupttribüne sieht sich von einer etwa zehnstufigen Geraden und Kurven flankiert. Alles etwas ranzig. Typisch italienisch halt. 12tsd Menschen sollen im Rund Platz finden. Etwa 3.500 fand heute den Weg, was beinahe doppelt so viel wie bei normalen Spielen entspricht. Allerdings wurden Frauen und Kindern freier Eintritt gewährt. Die sportliche Ausgangslage konnte brisanter nicht sein. Bild Der Tabellenzweite empfing, nur durch das schlechtere Torverhältnis getrennt, den punktgleichen Ersten aus Teramo nahe Ascoli. Dieser konnte knapp 40 Anhänger, davon 20 aktive, mobilisieren. Nicht gerade die Masse, allerdings bringt es Teramo auch bei Heimspielen selten auf mehr als 900 Zuschauer. Ganz anders die Gastgeber. Die Ultras haben ihre Heimat auf der Gegengeraden. Etwa 4-500 Leute waren ständig aktiv und gaben, unterstützt von einem sehr agilen Mann an der Trommel, Bild Bild ansprechende Gesänge von sich. Zu Beginn gab es auf der Ultra-Tribüne eine Choreo mit einer mittigen Blockfahne, rechts blauen und links roten Fähnchen und auf der Haupttribüne wurde ähnliches gezeigt. Guter Auftritt. Die Szene (fast hätte ich geschrieben: natürlich) schön links verzeckt. Casertana im Spiel die deutlich bestimmende Mannschaft. Bild Bild Richtig dicke Chancen waren zwar Mangelware, aber ein paar ordentliche Möglichkeiten waren schon da. Teramo schien von Beginn an ein torloses Remis verwalten zu wollen und irgendwann konnte man aus dem Spiel lesen, dass es auch so kommen sollte. Die Heim-Elf kämpfte zwar unermüdlich aber vorne fiel ihr nichts Entscheidendes ein und auch ein Eckenverhältnis von 10-0 hilft dann am Ende nicht weiter. Das Publikum zeigte sich dann ob des recht erfrischenden Auftritts dankbar, was das Team erwiderte. Alle hatten sich also lieb und vielleicht steigt man am Ende auch auf. Noch ein paar Foddos vom Stadion und dann ab nach Napoli.

Um Maut zu sparen, gab ich dem Navi entsprechende Weisungen, was sich als ziemlicher Bock herausstellte. Das Mistvieh führte mich nicht des besten Weges, sondern quer durch die Stadt, was einerseits aufgrund vieler Baustellen und andererseits wegen des Anreiseverkehrs zum Stadion ne ganz schön zähe Nummer wurde. Bild Eineinhalb Stunden für nicht einmal 50 Kilometer waren jedenfalls keine Glanzleistung. Als ich das Stadion passierte knallte ein mächtiger Böller durch die Straßenschluchten. Das machte doch schon mal Lust auf mehr. Die Mühle konnte ich dann aber ganz praktisch an der Hauptstraße parken und stand über eine Stunde vor dem Spiel vorm 'San Paolo', dass sich schön eingezwängt zwischen den Häusern in den Nachthimmel erhob. Wirkt schon recht imposant, Bild Bild da man quasi um die Ecke kommt und direkt vor diesem Riesending steht. Mit einem recht leckeren Burger nahm ich abgesehen von zwei Keksen die erste Mahlzeit des Tages zu mir. So kann man auch abnehmen. Ein wenig beobachtete ich das Treiben ums Stadion - unter anderem das komplette Ausrasten als der Spielerbus eintraf - und begab mich dann hinein in die Schüssel. Auch die inneren Werte des betagten Bauwerks wissen zu gefallen, obwohl es ja eigentlich nicht spektakulär, sondern einfach ein großes Oval ist. Der fette Oberrang, der auf den schmalen Unterrang gesetzt wurde, wirkt schon imposant. Bild Im Oberrang füllten sich Kurven und Gegengerade ganz ordentlich, lediglich die Haupttribüne offenbarte ein paar Lücken und auch der Unterrang war nicht gut besetzt. Auch wenn ich meine Erwartung gebremst hatte, machte sich dann nach Spielbeginn doch Enttäuschung breit, da Napoli ja derzeit wohl eigentlich das Beste ist, das Italien zu bieten hat. Es wurde zwar aus beiden Kurven supportet, aber leider keinesfalls so, wie ich es erhofft hatte. Ein paar Fackeln wurden gezündet, aber in die Aufgänge oder zwischen den Sitzreihen gelegt, damit niemand dafür zur Rechenschaft gezogen werden konnte. Es hingen bis auf ein paar Doppelhalter und ein Transparent, das nach Protest klang auch keine Banner. Da war möglicherweise was im Busch. Der doppelt und dreifach mit Netzen abgehangene Away-Bereich war auch nur mit ein paar traurigen Gestalten besetzt. Nee, das war nix - vor allem von Heimseite nicht. Das geht sicherlich viel besser, meine lieben Neapolitaner. Bild Da habt ihr Eure Chance vertan, mich zu begeistern. Nach etwa einer Viertelstunde kam dann Bewegung in den Gästeblock. Einige hundert Romanisti stürmten herein und erhellten meine Miene im wahrsten Sinne des Wortes, in dem sie einige Fackeln zündeten und das Stadion ordentlich einräucherten. Die Napolisti warfen nun eine ganze Reihe fette Böller, die im weiten Rund ganz schön rumsten. Das waren auf jeden Fall die besten zehn Minuten des Spiels. Bild Das Geschehen auf dem Rasen lief derweil unbeeindruckt weiter. Napoli zwar äußerst bemüht, aber spielerisch war die Roma etwas stärker. Vor allem Gervinho spielte seinen Gegenspieler auf der linken Außenbahn mehr als einmal schwindelig und war sauschnell unterwegs. Die Himmelblauen hielten kämpferisch stark dagegen und es gab hüben und drüben einige gute Möglichkeiten und auch Aluminiumberührungen, aber die Murmel wollte einfach nicht über die Linie. Als ich mich grad mit der zweiten Nullnummer des Tages abfinden wollte, segelte ein paar Minuten vor dem Ende noch einmal eine gelangweilte Flanke in den römischen Sechzehner und plötzlich war der Ex-Königliche Callejon mit dem Kopf da und es stand 1-0 für die Hausherren. Obwohl mir die Roma deutlich sympathischer ist (auch die Farben sind mir näher), erfreute die Kirsche mein Herz aufs Äußerste, da nun noch mal fünf Minuten die Post abging und man ahnen konnte, was hier eigentlich möglich ist. Dann war Feierabend und ich verabschiedete mich zeitig, da ich noch einige Kilometer bis zu meinem Nachtlager zu fahren hatte.

Mit dieser Partie schloss sich quasi ein Kreis für mich. Anfang Oktober des Jahres 1989, im Alter von zarten sechzehn Jahren, verbrachte ich mit meinen Eltern und meiner Schwester eine Woche in und um Rom. Da auch damals das Interesse am internationalen Fußball schon reichlich vorhanden war und am die Partie zwischen der AS Roma und der SSC Napoli anstand - das Spiel wurde seinerzeit im 'Stadio Flaminio' ausgetragen, da das 'Olimpico' für die WM umgebaut wurde - löcherte ich meinen Vater so lange, bis er einwilligte mit mir zum Stadion zu fahren. Der Hotel-Portier hatte uns abgeraten, weil der relativ kleine Ground ausverkauft sei, aber mein Daddy erkannte den erwartungsfrohen Glanz in meinen Augen, fuhr mit mir zum Stadion und erwarb dort für uns zwei Tickets auf dem Schwarzmarkt. Ich meine mich erinnern zu können, dass für 90tsd Lire, das waren damals knapp 90 Mark, also 45 Euro, zwei Tickets für die 'Curva Nord' den Eigentümer wechselten. Rudi Völler gegen Diego Armando Maradona hieß es damals noch. 1:1 endete die Partie und die beide genannten Protagonisten blieben blass. Letztgenannter trat aber zumindest bei der Egalisierung der frühen Römer Führung in Erscheinung, als er einen Strafstoß für den späteren Campione verwandelte. Wenn man sich die damaligen Aufstellungen ansieht, kann man nur mit der Zunge schnalzen. Manfredonia, Berthold, Desideri, Völler, Giannini, Rizzitelli, Conti bei den Römern. Alemao, Baroni, De Napoli, Careca, Maradona, Carnevale, Zola bei den Neapolitanern. Wir standen knapp neben dem Gästeblock und ständig flogen irgendwelche leeren Plastikflaschen zwischen Heim- und Gästeseite über den hohen Zaun. Nach dem Spiel wurden wir an der Bahn-Haltestelle Zeuge eines astreinen Mützen-Diebstahls. Einem in die Tram einsteigenden Fan wurde von einem hinter ihm Stehenden die ballonseidene(!) Mütze vom Kopf gerissen. Der Dieb tat das derart blitzschnell und steckte die Mütze ebenso schnell in die Tasche, dass der Bestohlene nach dem Umdrehen nur in ein völlig harmloses Unschuldsgesicht sah. Fast 25 Jahre ist das nun her. Unglaublich an was für Details man sich erinnern kann. Und was ich ganz sicher weiß ist, dass dieses Spiel der 'Anfang allen Übels' war. Dank des guten Parkplatzes konnte ich den Abfahrtsstau gut umgehen und war zügig auf der Autostrada in Richtung Rom, die ich nach 70 Kilometern verließ und in die Abruzzen abbog. Gegen halb zwölf traf ich in Isernia ein, wo ich den Nachtportier beim Fernsehen störte. Das 'Grand Hotel Europa Depandance' war eine angemessene Unterkunft für mich weit gereisten Fahrensmann. Der Name war aber auch das Beste an dem Schuppen. Also es war jetzt nicht so schlecht, aber seiner protzigen Benennung wurde es dann doch nicht ganz gerecht. Ich war arschmüde und nullkommanix in der Falle.

Mo. 10.03. - Heimreise


Bild Als ich um halb sieben wieder an der Rezeption stand, schaute mich der Portier an wie einen Geist und fragte ungläubig "Checkout?". Na logn, mein Guter, ich muss meinen Firstclass-Flug in Pescara erreichen, also lass knacken. Vermutlich war ich nachts der letzte Gast und morgens der erste, den er zu Gesicht bekam, denn gut gebucht war der Schuppen in dieser Jahreszeit sicher nicht. Die Strecke durch die Abruzzen war dann wirklich sehenswert. Sehr schöne Ecke mit an steilen Hängen und auf Bergkuppen gelegenen Dörfern. Ich kam schneller voran, als vom Navi prognostiziert, so dass ich an der Adria angekommen nicht die mautpflichtige Autostrada, sondern die alte Küstenstraße, die 'Adriatica' fahren konnte. Schöne Strecke und die Zeit erlaubte mir auch noch ein paar Minuten am Meer. Der Ire des Vertrauens brachte mich wiederum pünktlich vom 'Aeroporto Internazionale d'Abruzzo' zurück zum Hahn, von wo ich die heimatlichen Gefilde ansteuerte. Trotz der mageren Vorstellung im San Paolo eine sehr kurzweilige Tour, die leider nicht viel Zeit für Sightseeing ließ. Aber da halte ich es wie des Panthers Paulchen... heute ist nicht aller Tage - ich komm wieder keine Frage! Kein großes Geheimnis, aber Italien gibt auf jeden Fall mehr her, als 'nur' die Fußballsucht zu befriedigen. Allerdings bleibt auch die Erkenntnis, das südliche Italien eh völlig vernachlässigt zu haben. Wenn mich künftig der Stiefel-Wunsch packt, werde ich auf jeden Fall eher den Fußteil im Auge behalten.

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(Manni Breuckmann)


 
 
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