G R O U N D F E V E R
  Gibraltar & Andalusien
 

18.-20.01.2014 --- Gibraltar & Andalusien

War es sowieso schon einige Zeit der Wunsch, diesen kleinen, trotzigen, britischen Zipfel, der am südlichen Spanien hängt, heimzusuchen, erfuhr dieser im Mai des vergangenen Jahres plötzlich noch einmal gesteigerten Reiz, als zumindest schon einmal der europäische Verband dem kleinen Land die vollwertige Mitgliedschaft gewährte. Dementsprechend ist Gibraltar nun gleichgestelltes UEFA-Mitglied und da ja irgendwann mal alle der UEFA zugehörigen Länder besucht sein wollen, wurde Anfang Dezember der erstaunlich günstige Return-Flug nach Malaga mit dem bekanntesten irischen Luftweg-Dienstleister für einen Zeitraum von Samstag bis Montag im Januar gebucht. Hafenstraßen-Beisitzer Krösus war ebenfalls mit von der Partie. Ein wenig wurde mal wieder auf Spieltags-Fixierung der Iberer gepokert, aber die Paella-Konsumenten haben es tatsächlich hinbekommen, als einziges Primera-Freitagsspiel das der Malaguenos anzusetzen. Ich habe offenbar wirklich ein schlechtes Spielplan-Karma. Zumindest Granada war dann am Samstag-Abend machbar, was gar nicht so unwillkommen war, da es uns ermöglichte, die 'Alhambra' zu besuchen. Sicherlich nicht die schlechteste Alternative den Nachmittag zu verbringen. Diese Umplanung bedeutete zwar, dass wir in Gibraltar nur Zweit- statt Erstliga-Fußball zu sehen bekamen, aber der sportliche Stellenwert dürfte eh bei annähernd allen gibraltarischen Spielen begrenzt sein. Auf gut Deutsch: Scheiß drauf! Thomas aus Kassel, der Wind von unserem Vorhaben bekommen hatte, sprang dann auch noch auf den Zug, oder besser: den Flieger auf, und die Expeditionsgesellschaft war komplett.

Sa. 18.01. 20:00 - Granada CF vs CA Osasuna 0:0 (Primera Division), 11.536 Zuschauer (20 Gäste)

Thomas kam schon am Freitag nach Essen und war über Nacht mein Gast. Krösus war am Samstag-Morgen pünktlich um 5:00 Uhr in der Früh in Essen-Schönebeck und das Groundfever-Mobil brachte uns zum Bahnhof nach Weeze. Aufs Prinzip bin ich nicht bereit, der Flughafengesellschaft die unverschämten Kurzzeit-Parkgebühren zu gönnen, daher wählten wir die Variante, mit dem Taxi zum Airport zu fahren (für den Bus war es noch zu früh) und nach Rückkehr dann mit dem Linienbus zurück. Knapp 13 Euronen kostet der Taxi-Transfer. Der Flieger war wie üblich pünktlich und erfreulicherweise erstaunlich leer, so dass ich mich in eine eigene Reihe knallen konnte und mir ein wenig des abgebrochenen Schlafes zurück holte. Vor 10:00 Uhr landeten wir am Zielort, der sich leider bewölkt präsentierte. Sollte aber noch die beste Wetterphase des Tages bleiben. Der erste Shuttle-Bus des gewählten Fahrzeug-Vermieters fuhr ohne uns, weil sich ein paar Grashoppers-Birnen (keine Ahnung ob GC sein Trainingslager in Andalusien hielt) vor uns in den Bus zwängten, gleichwohl sie nach uns am Shuttle-Stop angekommen waren. Im ersten Moment war ich motiviert mich darüber aufzuregen aber dann kam zum Glück die Erkenntnis, dass es sinnlos ist und ja ein kleiner Urlaubstrip vor einem lag, den man nicht gestresst beginnen will. Zeit hatten wir eh genug. Dauerte auch nicht lang, bis wir dann eingesammelt wurden und den Hyundai i30 des ausgezeichnet bewerteten Vermieters 'Centauro' übernahmen. Bisken abgewohnt die Karre, aber für 48 Stunden sicherlich vollkommen ausreichend. Irgendwie bekam ich den Haufen aber nicht gestartet... ach ja, da unten ist ja link ein drittes Pedal, vielleicht sollte ich das mal treten. Und siehe da, die Heizöl-Rakete schnurrte plötzlich wie ein Kätzchen. Oder zumindest wie ein heiseres Kätzchen. Unfassbar, dass einem die nicht ganz freiwillige Nutzung eines Fahrzeugs mit Automatikgetriebe derart zur Gewohnheit wird, dass man sich beim Umstieg auf einen Schaltwagen vorkommt wie ein Anfänger. Nach dem diese Hürde dann erfolgreich gemeistert war, strebten wir voller Tatendrang gen Granada. Mit annähernd jedem Meter zurückgelegtem Weg wurde es kälter und das Wetter schlechter. Allerdings schraubt man sich ja auch von Normalnull auf eine Höhe von immerhin 738 Metern rauf, denn Granada liegt am Fuße der westlichen Ausläufer der Sierra Nevada, dem wohl bekanntesten spanischen Gebirge und Ski-Gebiet, dass mit beinahe 3500 Meter das höchste Gebirge der iberischen Halbinsel ist.

Gegen halb zwei waren wir am Zielort. Eingecheckt ins für zwei gebuchte, aber für drei benutzbare 'Ibis Budget'. Dann den benachbarten 'Carrefour' um Bier und Fressalien erleichtert und im zweiten Versuch den richtigen Bus für die Fahrt ins Zentrum gefunden. Bild Dort blieben wir wetterbedingt - es hatte zu regnen begonnen - in der erstbesten Bar hängen und eröffneten die Tour mit zwei Begrüßungs-Cerveza und einem leckeren Bocadillo. Eine halbe Stunde später latschten wir durch das Zentrum der 240tsd-Einwohner-Stadt in Richtung der 'Alhambra'. Bild Die gut dreizehn Hektar große Stadtburg thront auf einem hohen Hügel und beherrscht damit die Szenerie deutlich. Der Name ist - wie der Klang ja auch vermuten lässt - arabischen Ursprungs und wird von 'al-hamra' abgeleitet, was soviel wie 'Rote Burg' bedeutet. Vermutlich wurde diese Bezeichnung gewählt, weil die Mauern im Abend-Licht rötlich erstrahlen. Die Mauren - also die Bewohner der heutigen Länder Marokko, Algerien, Tunesien - waren es, die im 8.Jahrhundert die Iberische Halbinsel überfielen und diese in einem mehrjährigen Krieg unter ihre Kontrolle brachten. Und die Mauren waren es auch, die den Bau der Festung auf dem (allerdings schon zuvor besiedelten) Hügel veranlassten. Die Festung ging dann im Zuge der aufeinander folgenden Berber-Dynastien durch mehrere Herrscher-Hände bis der Nasriden-Führer Mohammed I. im frühen 13.Jahrhundert seine Residenz nach Granada verlegte. Unter dessen Herrschaft wurde auf dem westlichen Teil des Alhambra-Geländes die mächtige befestigte Zitadelle erbaut. Auch der Palastbereich wurde um einige Gebäude und Höfe bis zur heutigen Pracht ergänzt. Aufgrund der Machtgelüste konkurrierender Führungspersonen innerhalb des nasridischen Volkes ging die Dynastie in den späten Jahren des 15.Jahrhunders zu Ende. Die Nasriden rieben sich im eigenen Bürgerkrieg auf, was durch die Streitkräfte des vereinigten Spanien genutzt wurde. Das Emirat von Granada fiel 1492 und damit wurde endgültig das Ende der muslimischen Herrschaft auf der Iberischen Halbinsel eingeleitet und besiegelt. Bild Bild Nach Übergabe der 'Alhambra' an die spanischen Könige wurden noch einige Ausbauten vorgenommen. Karl I. von Spanien (übrigens als Karl V. zur gleichen Zeit Kaiser des 'Heiligen römischen Reiches deutscher Nation' Doppel-Amtsinhaber) wollte seinen Regierungssitz nach Granada verlegen und ließ einen weiteren, wuchtigen Palast im Renaissance-Stil errichten, der aber nicht komplett vollendet wurde. Im Laufe des 18.Jahrhunderts verlor die 'Alhambra' an Bedeutung und verfiel zusehends. Der Grund liegt in den innerspanischen Querelen, in denen sich die Regierungsanwärter verzettelten. Im Grunde seit dem Verlauf des 19.Jahrhunderst finden aber Ausbesserungs- und Restaurierungsarbeiten statt.

Die 'Alhambra', seit 1984 Weltkulturerbe, gehört zu den meistbesuchten Attraktionen Europas. Man muss sich vorher für ein Einlass-Zeitfenster von einigen Stunden dort anmelden, damit die Besuchermassen in einigermaßen geregelte Bahnen gelenkt werden können. Bild Für die Hauptattraktion, die 'Palacios Nazaries' muss man sogar eine fixe Anstoß... äh, Uhrzeit buchen. Innerhalb eines Fensters von 30 Minuten hat man dann Gelegenheit, die Paläste betreten. Das Eintrittsentgelt ist, gemessen an der Größe des Geländes und der Vielfalt an Sehenswürdigkeiten, mit 14,30 Euro absolut fair. Schnaufend arbeiteten wir uns bei wiederkehrenden Regenschauern (war es nun willkommene Kühlung oder einfach nur lästige Nässe?) per Pedes zum Eingang des Areals hoch. Nachdem man die dicken Festungsmauern durch ein Tor hinter sich gelassen hat, führt der Weg zunächst durch hohe Hecken an einem parkähnlichen Garten vorbei zur Medina der 'Alhambra'. Hier finden sich hauptsächlich Fundamente früherer Wohnbebauung, sowie einige gute erhaltene Gebäude, eine Kirche und ein ehemaliges Kloster. Bild Bild Bild Dahinter beginnt dann der wirklich interessante Teil der Festung. Nachdem man die Kirche 'Santa Maria de la Alhambra' passiert hat, steht man vor dem unübersehbaren 'Palacio de Carlos V.', dem unfertigen Palast, dem man aber eigentlich gar nicht ansieht, dass er nicht fertig geworden ist. Liegt daran, dass er nämlich mittlerweile fertig ist. Denn nach Dekaden im Regen wurde dem Gebäude das noch fehlende Dach im letzten Jahrhundert endlich geschenkt. Beherrscht wird das Bauwerk von seinem runden Patio mit den doppelstöckigen Kolonnaden. Hinter dem Palast-Klotz findet man dann den Eingang zu den 'Palacios Nazaries', den Palästen der Nasriden, die als Hauptattraktion und Herzstück der 'Alhambra' gelten. Hier lebten und regierten die arabischen Herrscher. Die Anlage ist sehr verwinkelt. Man gelangt von einem prunkvollen Raum oder Innenhof in den nächsten. Wasser ist ein bestimmendes Element. Kleine Wasserläufe und Brunnen sind fast in jedem Raum oder Hof zu finden. Die Wände sind über und über mit Arabesken und Fayencen verziert. Bild Bild Es ist kaum zu erahnen, welche Arbeit in der Gestaltung der Räume steckt. Highlight ist der 'Patio de los Leones', der Löwenhof, mit dem weißen Marmorbrunnen, dem umgebenden Säulengang und den beiden Pavillons. Von den Nasriden-Palästen gingen wir rüber zur Zitadelle, die hier 'Alcazaba' genannt wird. Dieses ist eigentlich ungewöhnlich, da 'Alcazaba' eigentlich die Bezeichnung für eine gesamte Festungsanlage ist, also in diesem Falle die ganze 'Alhambra'. Hier ist aber ausdrücklich nur die Zitadelle gemeint, die von einer mächtigen Mauer und dicken viereckigen Türmen eingefasst wird. Von der nördlichen Seite der Zitadelle hat man einen phantastischen Blick auf den direkt unterhalb des Festungshügel liegenden Stadtteil 'Albaicin', dem ältesten Viertel Granadas, das seinen Ursprung ebenfalls in der maurischen Herrschaft findet.

Langsam wurde es Zeit sich der Abendgestaltung zu widmen. Zunächst stiegen wir vom Hügel ins Zentrum ab und begaben uns für ein, zwei, drei Cerveza in eine kleine Bar in der Fußgängerzone. Von dort fuhren wir mit dem Bus zum Stadion. Der Fahrpreis innerhalb von Granada ist mit 1,20 Euro äußerst freundlich zum Passagier. Als die Flutlichter zu sehen waren und die wenigen erkennbaren Granada-Anhänger den Bus verließen, spierzten wir hinterher. Obwohl das 'Estadio Nuevo los Carmenes' - als Ersatz für das alte, in Zentrumsnähe befindliche und mittlerweile abgerissene 'Carmenez' - erst 1995 errichtet wurde, befindet es sich mehr oder weniger mitten in der Wohnbebauung. Bild Gut 22.500 Besucher finden Platz. Selbst diese eher unterdurchschnittliche Kapazität wird aber selten ausgeschöpft. Auch zum heutigen - zugegeben eher semi-interessanten - Kick zwischen dem Elften und dem Siebzehnten aus Pamplona, begehrten letztlich nur 11.500 Zuschauer Einlass. Bild Das 'Carmenes' ist ebenso eine reines Fußballstadion wie es ein reiner All-Seater ist. Trotz des geringen Fassungsvermögen ist es dreirangig gebaut, was dem Ground eine gute Optik verleiht. Die ursprünglich offenen und nur durch eine Brücke im Oberrang verbundenen Ecken wurden mittlerweile durch eine fest installierte Stahlrohr-Lösung geschlossen. Nur die Haupttribüne verfügt über ein Dach, welches aber auch lediglich die oberen beiden Ränge schützt. Der Rest des Stadions ist ungedeckt, was bei immer mieser werdendem Wetter natürlich nicht gerade vorteilhaft war. Support war spanien-like mau bis nicht vorhanden. Lediglich etwa fünfzig Personen mühten sich hinter dem südlichen Tor ab, um ihr Team verbal zu unterstützen. Bild Aus dem 800 Kilometer entfernten Pamplona waren etwa zwanzig Mann angereist, was genau zwanzig mehr waren, als ich erwartet hatte. Okay, es ist natürlich schon eine Entfernung, aber wenn Freiburg gegen Hertha spielt (und umgekehrt) finden ja auch ein paar mehr Away-Fans ins Stadion. Aber das ist es ja auch nicht, warum man nach Spanien reist. Auswärtsfahren ist halt bei den Iberern ebenso wenig angesagt wie brachialer Support. Das Spiel war gar nicht mal so schlecht. Osasuna war hoffnungslos unterlegen aber die Gastgeber waren derart auf Kontrolle und Ballbesitz ausgerichtet, dass sie völlig vergaßen, mal etwas Druck aus der Überlegenheit auszuüben. Die wenigen guten Chancen wurden vergeben oder vom guten Gäste-Schnappmann entschärft und so durften sich das weitgereiste Häuflein aus dem Baskenland am Ende über einen unverdienten Punkt freuen. Wir brauchten im Nieselregen eine knappe Viertelstunde, um zu unserem Luxus-Hostal zurückzukehren, wo wir noch ein wenig laberten und ein paar Dosen des nach der örtlichen Sehenswürdigkeit benannten Bieres verzehrten.

So. 19.01. 12:00 - UD Los Barrios vs Olimpica Valverdena 2:0 (Primera Andaluza Grupo 1), 200 Zuschauer (0 Gäste)
So. 19.01. 18:00 - Lions Pilots vs FC Hound Dogs 0:1 (Division 2), 48 Zuschauer (15 Gäste)


Bild Grau, grauer, grauenvoll. Anders kann man das Wetter, welches sich uns an diesem Morgen präsentierte, kaum beschreiben. Wettergott Krösus blieb optimistisch und prophezeite uns spätestens mit Erreichen der Küste blauen Himmel und Sonne. Ob er mehr wusste als wir? Denn mit jedem Meter, den wir uns wieder Meeresspiegelhöhe näherten, hellte sich tatsächlich der Himmel auf und als sich Malaga vor uns wieder offenbarte, präsentierte sich über uns tatsächlich ein sonniger, nur von einigen Wolken gezierter, blauer Himmel. Krösus, Junge, wenn ich mal wieder ne verlässliche Wettervorhersage brauche, ruf ich Dich an. Denn das Internet sagte uns eine deutlich durchwachsenere Wetterlage vorher. Die weiter Fahrt bis Los Barrios war unspektakulär. Die 'Autovia' von Granada nach Malaga konnten wir noch mautfrei befahren. Einige Kilometer hinter Malaga beginnt dann die mautpflichtige 'Autopista'. Alternativ hätten wir uns über die gut ausgebaute Küstenstraße kostenfrei durchmogeln können. Da wir aber zum 'High Noon' einen wichtigen Termin hatten, investierten wir ein paar Euro für schnelleres Fortkommen auf gut ausgebauter und beinahe von uns allein genutzter (M)Autobahn. Bild Gute Entscheidung, denn wir legten eine absolute Punktlandung hin. Um ziemlich genau 12:00 Uhr passierten wir das Stadiontor, was aber nichts daran änderte, dass wir Tor Numero Uno für die Gastgeber bereits verpasst hatten, denn der Referee hatte fünf Minuten zu früh zum Tanz gepfiffen. Bild In der Gruppe 1 der ersten andalusischen regionalen Liga - fünftklassiges Niveau auf gesamtspanischer Ebene - bat der Tabellen-Zweite den Vierten zum Verfolgerduell. Das kleine 'Estadio San Rafael' verfügt auf den Längsseiten über zwei überdachte Tribünen. Die Fünfstufige auf der Westseite dehnt sich über die gesamte Länge aus, während die westliche nur etwa die Hälfte des Platzes in Anspruch nimmt, dafür aber über zwei Stufen mehr verfügt und zudem mit dem Namen des Vereins glänzen darf. Die Hintertor-Seiten haben keinen Ausbau. An der nördlichen Seite schließen sich mit einem alten Fußballfeld, verranzten Tennisplätzen und einem verfallenen Freibad ein paar gammelige Sportanlagen an. Das Freibad - mit mehreren Becken, Umkleiden, Pavillons und altem Sprungturm - wirkt etwas gespenstisch. Bild Wer schon mal Bilder von Geisterstädten wie z.B. Prypjat, der verlassenen Stadt bei Tschernobyl, gesehen hat, weiß was gemeint ist. Die Resonanz auf dieses ... ähem ... Spitzenspiel hätte ein wenig besser sein dürfen. Bild Ich kann zwar den Stellenwert der regionalen Ligen Spaniens nicht einschätzen, aber 200 Zuseher sind definitiv ein wenig dürftig. Das Spiel war gar nicht so schlecht anzusehen. Support gab es natürlich nicht. Beschimpfungen dagegen schon. Als es in der zweiten Halbzeit ein wenig hitziger zuging, sah einer der Linienrichter jedenfalls ausreichend Anlass, dem leitenden Referee per wilder Fahnen-Gestikulation eine Spielunterbrechung zu bedeuten, um sich daraufhin bei seinem Chef auszuweinen. Ein Vereinsvertreter begab sich daraufhin zu der verantwortlichen Zuschauergruppe - ein reißender, blutrünstiger Mob von Frauen und Männern im zarten Alter von 60-70 Lenzen - um diese zu etwas mehr Contenance aufzufordern. Zehn Minuten vor dem Ende konnten die Gastgeber verdient den zweiten Treffer erzielen und das Ding eintüten. Zu erwähnen wäre noch, dass wir uns die Halbzeit-Langeweile damit vertrieben, in der benachbarten Sporthalle etwas Jugend-Basketball zu schauen. Wenn man sah, was sich die etwa 11-13jährigen da zurecht wurstelten, ist die Frage erlaubt, wie es die Spanier im Seniorenbereich in die Weltspitze geschafft hab. Leckarsch, war das schlecht! Mit dem Schlusspfiff verließen wir Los Barrios mit dem direkten Ziel Gibraltar.

Bild Den Wagen ließen wir in La Línea de la Concepción in unmittelbarer Nähe des Grenzübergangs stehen. An Sonntagen fallen dort keine Parkgebühren an. Die Einreise in das britische Überseegebiet war dann ungefähr so spektakulär wie das Betreten des Einkaufszentrums in der Essener Innenstadt. Völlig gelangweilt, die Pässe nicht mal eines Blickes aus dem Augenwinkel würdigend, winkte uns der intensiv mit seinem Smartphone beschäftigte Grenzposten durch. Passte irgendwie nicht so recht mit der anspannten Stimmung zwischen Spaniern und Briten hinsichtlich dieses Landzipfels zusammen. Konnte uns aber auch ziemlich egal sein. Zu Beginn des 18.Jahrhundert wurde Gibraltar von den Engländern erobert. Dieses wurde in den Utrechter Friedensverträgen von den Spaniern im Jahre 1713 zähneknirschend beglaubigt. Seit jeher waren sämtliche Versuche, die Halbinsel mit kriegerischen oder diplomatischen Mitteln wieder unter spanische Herrschaft zu bringen, erfolglos. Zuletzt stimmten in einem Referendum Anfang des aktuellen Jahrtausends 99% der gibraltarischen Einwohner für einen Verbleib unter der britischen Krone. Welche Brisanz der Konflikt um diesen militärisch und strategisch wichtigen Landfetzen in sich birgt, zeigt sich unter anderem darin, dass die Landgrenze auf spanisches Betreiben zwischen 1969 und 1985 komplett geschlossen war und dass es bis zum Jahre 2009 dauerte, bis mit dem spanischen Außenminister zum ersten Male seit Beginn der britischen Souveränität ein Vertreter der Regierung der Kronkolonie einen offiziellen Besuch abstattete. Bis sich das Verhältnis komplett entspannt, dürfte es noch ein langer Weg sein. Bild So wurde durch die UEFA geregelt, dass Spanien im Rahmen von offiziellen Turnieren nicht auf Neu-Mitglied Gibraltar treffen kann. Dieses war Bedingung seitens des spanischen Verbandes bei der Abstimmung über die Aufnahme dieses kleinen britischen Stachels im stolzen spanischen National-Pelz in den kontinentalen Fußballverband. 200 Meter hinter der Grenze war unser Weg erst einmal beendet. Die auf die Halbinsel führende Straße kreuzt nämlich die Runway des Airports und da sich dort grad ein Flugzeug anschickte, in Startposition zu rollen, waren die Schranken wie an einem Bahnübergang geschlossen. Schon nicht schlecht, wenn knapp fünfzig Meter entfernt ein Airbus der British Airways vorbeirast und sich in den Himmel erhebt. Näher kommt man als Normalbürger an ein startendes Flugzeug wohl kaum ran. Da wir mit der Seilbahn auf den 'Upper rock of Gibraltar', also den 'Affenfelsen' wollten, entschieden wir uns nach Überqueren der Start- und Landebahn mit dem Linienbus weiterzufahren. War allerdings eher semi-erfolgreich, da der Bus kreuz und quer durch die engen Straßen kurvte und wir am Ende nicht dort ankamen, wo wir hin wollten. Also raus aus dem stylischen Doppeldecker-Bus und einfach die 'Main Street' entlang gelaufen, wo sich haufenweise Stores befinden, in denen man steuerbegünstigt Alkohol und Rauchwaren erstehen kann. Diese waren am heutigen Tag des Herrn allerdings überwiegend geschlossen. Neben den genannten Produkten ist auch schwerer Dieselkraftstoff für Schiffsmotoren günstig zu haben. 90% der Schiffe, die Gibraltar anlaufen, tun dieses, um Diesel zu tanken. Um dem Andrang Herr zu werden, ankern rund um Gibraltar Tankschiffe, die als schwimmende Tankstellen genutzt werden.

Irgendwann kamen wir an einen Kreisverkehr wo sich ein paar Affen und ein paar Taxifahrer (Frage der Redaktion: Sind die genannten Lebewesen nicht miteinander identisch?) aufhielten. Wir blieben stehen, um die Tiere (also die Affen, nicht die Taxifahrer) ein wenig zu beobachten. Einer der Fahr-Dienstleister trat zu uns und erklärte dass viele Affen heute vom Berg herunter in die Stadt gekommen waren. Dieses, weil die Seilbahn heute wegen zu starker Winde gar nicht in Betrieb war. Daher waren heute relativ wenig Touristen oben auf dem Felsen, was natürlich den Affen gewaltig gegen den Strich ging. Denn wenige Touristen sind gleichbedeutend mit wenig Futter. Und wenn die Touris nicht zu den Affen kommen, kommen die Affen halt zu den Touri-Affen. Der Fahrer offerierte uns jedenfalls das Rundum-Sorglos-Paket für 30 Euro pro Nase mit dem Besuch aller interessanten Punkte auf dem Felsen. Bild Nach kurzer Beratung der Reisegruppe war klar, dass dieses am heutigen Tage zu relativ fortgeschrittener Zeit kurz vor 16:00 Uhr die einzige Möglichkeit sein würde, unser Vorhaben zu verwirklichen. Verhandeln war erfolglos, also berappten wir den aufgerufenen Betrag, der sicherlich etwas hoch erschien, auch wenn knapp die Hälfte davon schon für den 'Berg-Eintritt' ins Naturreservat fällig waren. Thomas musste, als in seinen Mitteln etwas eingeschränkter Student, ein wenig subventioniert werden, aber daran sollte das Unterfangen nicht scheitern. Bild Unser Führer für die nächsten neunzig Minuten stellte sich als ganz in Ordnung heraus und erzählte während der Fahrerei eine ganze Menge zu Gibraltar. Erste Anlaufstelle war ein Aussichtsunkt, von dem man einen Ausblick zum nur etwa 20 Kilometer entfernten afrikanischen Festland hatte. Weiter ging es zur 'Saint Michael's Cave'. Schon nett von den Gibraltarern, dass sie die berühmtere ihrer beiden Höhlen nach mir benannt haben. Es handelt sich um eine recht beeindruckende Tropfsteinhöhle. Diese kann leider nur zu einem Bruchteil öffentlich betreten werden. Es ist aber möglich unter professioneller Führung im Rahmen einer kleinen Expedition auch die nicht öffentlichen Bereiche zu entdecken. Die andere Höhle der Halbinsel ist 'Gorham's Cave'. In dieser fanden Archäologen Nachweise, dass sie in der Steinzeit von Neandertalern bewohnt wurde und dass diese hier ihren letzten Rückzugsort in Europa fanden. Bild Bild Von meiner Höhle fuhren wir weiter den Berg hinauf und hielten am sogenannten 'Apes Den', was aber nichts anderes ist, als die Futterstelle der pelzigen Fels-Bewohner. Darum, wie diese, der Gattung der Berber-Affen angehörigen Tiere, nach Gibraltar gelangten, ranken sich einige Mythen. Etwas oberhalb befindet sich ein Aussichtspunkt, von dem man einen phantastischen Blick in alle Richtungen hat. Gut, dass wir so ein Schwein mit dem Wetter hatten. Unser Chauffeur fuhr uns dann weiter zu den 'Great Siege Tunnels'. Diese Tunnel wurden bereits während der großen Belagerung von Gibraltar in den späten Jahren des 18.Jahrhundert unter großen Mühen in das Gestein getrieben, um mittels dort aufgestellter Kanonen, die Stellungen der Gegner aufs Korn zu nehmen, während die eigene Position gleichzeitig geschützt war. Bild Vom Eingangsbereich der Tunnel hat man auch einen Wahnsinnsausblick La Linea und darüber hinaus. Der Wind fegte um den hier völlig ungeschützten Fels gewaltig herum, so dass wir uns nicht lange aufhielten. Unser Teilzeit-Bediensteter fuhr uns den Berg wieder herunter und entließ uns am Anfang der Fußgängerzone. Diese schlörten wir dann entlang und kehrten am 'Casemates Square' in die 'Lord Nelson'-Bar auf ein kaltes Pint Tennants ein. Ich hatte vom England-Urlaub im letzten Jahr noch ein paar Pfund übrig, die dafür (wie auch für die Bus-Tickets) ausreichten. Man kann zwar in Gibraltar auch in Euronen zahlen, wird dafür aber mit einem unmenschlichen Wechselkurs belohnt. Dem Geldautomaten Gibraltarische Pfund zu entlocken macht auch wenig Sinn. Zwar ist das Gibraltar-Pfund an den Kurs der Britischen Währung angelehnt, wird aber eben nur auf der Halbinsel akzeptiert. Daher ist derjenige am glücklichsten, der genug Britische Pfund in der Tasche hat, denn die kann man überall im Königreich und eben auch in Gibraltar gebrauchen.

Bild Blieb nun noch der Tagesordnungspunkt, der uns ja eigentlich nach Gibraltar getrieben hatte. Die Versuchung war groß, einfach in dem Pub hängen zu bleiben, aber die Pflicht rief ja noch. Knappe zehn Minuten Fußweg später passierten wir das Eingangstor zum 'Victoria Stadium'. Eintritt wurde nicht erhoben. Bei diesem Stadion handelt es sich um eine Anlage mit Laufbahn und weiteren Leichtathletik-Einrichtungen. Einer überdachten Haupttribüne mit integrierter Gymnastikhalle steht eine zweigeteilte ungedeckte Tribüne auf der anderen Seite gegenüber. Bild Im Grunde ein Stadion, welches man gern mit 'todlangweilig' bezeichnet. Die wahre Attraktion ist die Kulisse, denn unweit des Grounds erhebt sich dieser mächtige Felsen und bietet einen außergewöhnlichen und beeindruckenden Hintergrund. Es scheint annähernd unmöglich, dass die National-Elf Gibraltars hier Qualifikationsspiele austragen kann, denn die Tribünen verfügen nicht mal über Bänke oder Sitzschalen. Spiele gegen die Faröer oder Andorra sind sicherlich machbar, aber um Gegner anderen Kalibers begrüßen zu dürfen, muss noch einiges passieren. Bild Daher wird ein Ausweichen nach Portugal, wie im bisher einzigen offiziellen Länderspiel, einem respektablen torlosen Remis gegen die Slowaken, wohl unumgänglich, denn Spanien wird entsprechende Hilfsbereitschaft kaum zeigen. Das 5tsd Besucher fassende Stadion war zum heutigen Kick entgegen unserer Erwartungen nicht ganz ausverkauft. 48 Zuschauer drängten sich auf den dicht besetzten Rängen und sahen zeitweise begeisternden Anti-Fußball. Über das Niveau das Spiels braucht man wohl nicht viel sagen. Zwar hatten wir uns ja zugunsten des Spiels in Granada nur für ein Zweitliga-Spiel entschieden, ich bezweifle aber, dass in der Gibraltar Premier League deutlich besserer Sport geboten wird. Gibraltar hat gut 30tsd Einwohner. Da wird es offenbar eng, ausreichend talentierte Fußballer zu finden. Mehr als Kreisliga B-Niveau, oder vielleicht auch noch ein bisschen weniger, hatte das Dargebotene jedenfalls nicht. Also quälte ich mich so durch die neunzig Minuten, verpasste das einzige und wohl äußerst umstrittene Tor aufgrund eines Toilettengangs, und war dankbar, als der Schiri dem Treiben ein Ende machte. Ich weiß, es wirkt absurd und die Frage, warum man sich derartiges denn antut, liegt nahe. Aber der Wille nicht nur diesen Flecken Erde, sondern auch ein Spiel dort zu besuchen war ebenso da, wie die Gewissheit, dass der sportliche Nährwert auf bescheidener Ebene haften bleiben wird.

Wir überquerten also wieder das Flughafen-Gelände und die Grenze, rissen beim Restaurant mit dem goldenen 'M' noch zwei Burger und machten uns dann auf in Richtung Malaga, dieses Mal die mautfreie Küstenstraße 'A7' benutzend, auf der man auch ganz gut voran kommt. Gegen 21:30 war Torremolinos erreicht, allerdings hatten wir etwas Mühe unsere Unterkunft, die 'Apartamentos Buensol', zu finden, da Krösus Navi die entsprechende Straße nicht kennen wollte und auch die von Thomas ausgedruckten Unterlagen nicht viel hergaben. Zum Glück hat ja jeder Burger King und jedes McD freies Internet, so dass wir dann doch noch hinfanden. 27 Euro für das saubere Apartment waren wahrhaft ein Schnäppchen. Bild Wir schmissen nur die Brocken ins Zimmer und verdrückten uns in die gegenüber liegende Bar, die vom Engländer Ian, einem Mitt-Sechziger und mutmaßlichem Aussteiger, geführt würde. Skurriles Publikum, aber das war uns ziemlich egal und wir löschten unseren Durst mit ein paar 'San Miguel'. Am nächsten Morgen mussten wir um acht Uhr aufstehen, was sich als perfekte Zeit herausstellte. Während Thomas im Internet nach einer Mitfahrgelegenheit gen Kassel für den Nachmittag suchte und Krösus im Cafe nebenan für sein leibliches Wohl sorgte, begab ich mich die 100 Meter zur Playa, um einen wunderbaren Sonnenaufgang über dem Mittelmeer zu beobachten. Wahnsinnig schön anzusehen und ein perfekter Abschluss eines angenehmen Wochenendes. Nach der Rückgabe des Mietwagens brachte uns Herr Ryan sicher zurück an den Niederrhein. Da wir etwas früher da waren, als geplant, war der nur einmal pro Stunde fahrende Bus zum Bahnhof Weeze leider knapp verpasst, so dass wir uns wiederum fürs Taxi entschieden. Thomas wurde dann am Treffpunkt für seine Mitfahrgelegenheit in Duisburg abgesetzt und für Krösus und mich war kurz darauf die schönste Stadt der Welt erreicht. Für Gibraltar hatten wir uns definitiv zu wenig Zeit genommen, da muss ich noch mal hin. Der nächste Winter kommt bestimmt.

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