Unverhofft kommt oft. Irgendwie kam diese Tour zustande, obwohl sie gar nicht groß geplant war. Bei loser Suche, was man denn so am ersten April-Wochenende veranstalten könnte, stolperte ich über einen günstigen Flug am Montag-Morgen mit Wizzair ab Katowice nach Dortmund für nicht mal 15 Euro, der in Absprache mit Sascha prophylaktisch gebucht wurde. Wenige Tage später wiesen auch die in Frage kommenden Hinflüge recht erfreuliche Zahlen aus, so dass ich für 30 Europa-Taler den Transport nach Schlesien erwerben konnte. Sascha entschied sich, einen Tag früher anzureisen, um eines der Freitags-Spiele der 'Ekstraklasa' mitzunehmen, was für mich urlaubstechnisch nicht in Frage kam.
Sa. 05.04. 11:00 - Urania Ruda Slaska vs Rymer Rybnik 6:1 (Liga Okregowa, Grupa Katowice 1), 150 Zuschauer (? Gäste)
Sa. 05.04. 17:30 - GKS Katowice vs Gornik Leczna 1:1 (1.Liga), 3.500 Zuschauer (130 Gäste)
Samstag ging es also früh los, vom einen Kohlenpott in den anderen. Die Episode vor dem Abflug mutete dann wieder mal an wie ein Film. In der Hauptrolle: Ich. Da ich ja bekanntermaßen kein Freund von unnötig langen Wartezeiten bin, starte ich immer sehr zeitnah zum Abflug in Richtung Airport. Auf einem Samstag auch kein Problem, da fehlt ja morgens der ätzende Berufsverkehr. Um 6:00 Uhr sprang ich aus dem Bett. Duschen, Zähne putzen, Meerschweinchen versorgen. 6:36 Uhr saß ich im Auto und da die Verkehrsdichte sich eben wie erwartet eher undicht zeigte, stellte ich um 7:20 Uhr das Fahrzeug an der gewohnten, weil kostenlosen Stelle ab. Gute zehn bis zwölf Minuten Fußweg sind es zum Terminal, also war ich mit Eintreffen um kurz nach halb acht bei (nominellem) closing und Abflugzeit 8:15 Uhr grundsätzlich voll in der Zeit. Zumindest nach meinem Verständnis. Als ich das Terminal betrat, fiel mir aber sofort ein, was ich außer Acht gelassen hatte... die langsamste Sicherheitskontrolle der Welt. Noch locker 30-40 Meter über den vor dem Check aufgebauten Warteschlangen-Zickzack-Kurs hinaus reihten sich die Menschen ein. Phantastisch. Na, mindestens ein Viertelstündchen hatte ich ja noch, also mal abwarten. Irgendwann trat dann aber doch Nervosität ein, zumal hinter die Ticket-Kontrolle nur drei Linien offen waren, wo sich die Leute dann zum Sicherheits-Check drängelten. Also das bzw die passenden Opfer in Person eines jungen verliebten Pärchens gesucht und mit treuem Blick um Vortritt gebeten, was auch freundlich gewährt wurde. Die Zeit wurde trotzdem knapp und knapper - mittlerweile war es kurz vor 8:00. Hektisch die Sachen gegriffen, die aus dem Gepäck-Scanner kamen und ab zum Gate, wo schon gar nix mehr los war. Der Airport-Tante den Boarding-Pass unter die Nase gehalten und die Treppe runter gestürmt. Doch irgendwas war komisch, irgendwas war anders - Scheiße, Stopp! Flüssigkeiten und Tablet-PC am Scanner liegen gelassen!!! Also die Treppe wieder hoch, an der ziemlich belämmert schauenden Boarding-Maus mit einem "Bin in ner Minute wieder da" vorbei. Diese rief mir noch mit verzweifeltem Tonfall hinterher "So geht das nicht. Sie haben schon geboardet." Ich war aber schon um die Ecke rum und es war mir ehrlich gesagt auch ziemlich egal. In einer einsamen Plastik-Box warteten meine Utensilien auf mich. Schnell eingepackt und wieder zum Gate, mich höflichst und treudoof für die Unpässlichkeit entschuldigend. Die gute Dame war aber in Ordnung, lächelte verständnisvoll zurück und fragte nur, ob ich mir sicher sei, nun alles eingesammelt zu haben. Hm, mal eben schauen... Rucksack, Füße, Kopf alles da. Besten Dank und tschüss - mein Flieger wartet. Als Letzter enterte ich die pinke Maschine und sank in einen der wenigen noch freien Sitze. Himmelarsch - mir oft schon selbst prophezeit, kam ich der Wahrheit nun recht nahe: irgendwann verpasse ich mal einen Flug, nur weil ich kein Bock habe, früh am Flughafen zu sein und dann sinnlos rumzuhängen. Egal, ist ja nochmal gut gegangen und aller Voraussicht nach, werde ich auch nicht daraus lernen.
Unspektakuläre achtzig Minuten später landeten wir auf dem Flughafen Katowice, der ja - wie so viele - ne Mogelpackung ist, da Katowice noch gute 40 Kilometer entfernt liegt, nämlich neben dem kleinen Dorf Pyrzowice. Nimmt man diesem Ortsnamen das 'z' weg, wäre es quasi das El Dorado mancher Ultra-Gruppierung. Es war nun 9:40, damit waren wir zehn Minuten zu früh. Sehr schön, denn ich hatte ja Termine. Also schnell mit frischer Währung versorgt und den nächsten Minibus für 25 Zloty (1 Euro entspricht derzeit etwa 4,20 Zl) zum 'Katowice Dworzec', dem Hauptbahnhof geentert. Dort kam ich um 10:40 an. Eine circa 15 Jahre alte E-Klasse mit leuchtendem Taxi-Schild auf dem blechernen Dach zwinkerte mir freundlich zu und wenige Sekunden später hatte ich dem Taxi-Opi die vorab auf einem Zettel notierte Adresse im benachbarten Ruda Slaska unter die Nase gehalten. Und schon ging es los. Beziehungsweise nach gut sechs bis sieben Minuten, denn die benötigte der gute Mann um das Ziel in sein Navi einzugeben. Nicht tragisch, auf ein paar Minuten kam es nicht an und das Gerät warf dann auch die Ankunftszeit von exakt 11:00 heraus. Kurz vor dem Ziel fuhren wir durch ein etwas abgewohntes Viertel, wo jede Hauswand mit Ruch Chorzow-Graffitis bemalt waren. Pünktlichst hielt die Droschke vor dem Eingang zum 'Stadion Uranii Ruda Slaska'.
Schneller Ticket-Erwerb für fünf Zloty, ein kurzer Sprint die kleine Treppe hoch und ich stand neben Sascha und das auf die Sekunde pünktlich, um den Anpfiff zur sechstklassigen Partie zu erleben.
Das kleine Stadion bietet lediglich auf einer Seite Ausbau. Vier einzelne Tribünen-Elemente mit Sitzschalen sind auf alten Stufen montiert wurden. Überdachung fehlt gänzlich. Dabei steigt die Tribüne von einem Ende zum anderen. Schwer zu beschrieben, schaut einfach die Bilder an. Unter den gut 150 Zuschauern fand sich auch eine etwa 25köpfige Support-Gruppe, die typisch polnische Stadion-Chants und Sprechchöre von sich gab. Die Jungs durften aber auch ohne weitere Überprüfung der Ruch-Szene zugeordnet werden. Die gewählte Bekleidung war da mehr als eindeutig. Auch eine Pyro-Einlage mit ein paar Bengal-Fackeln und einer fetten schwarzen Rauchsäule wurde geboten. Der starke Wind trieb die fette Wolke aber direkt in die Supportwilligen, die sofort die Flucht ergriffen.
Roch aber auch wirklich übel, das Zeug. War aber noch gar nix gegen den schleimhautzerfressenden Qualm, der ab Mitte der zweiten Hälfte über das Spielfeld zog. Dem Geruch nach zu urteilen, muss da einer seine Omma oder seinen Köter verbrannt haben. Leck mich fett, war das ne Fahne. Schönes Bild, wie der Torwart einsam in seiner verwaisten Hälfte stand und sich das Trikot als Atemschutz beinahe komplett über den Kopf gezogen hatte. Das Wetter machte heute sowieso zu schaffen. Leichtsinnigerweise hatte ich mich auf die Online-Vorhersage verlassen, die Sonne und sechzehn Grad versprach. Stattdessen zog einem dieser scharfe von der anderen, ungeschützten Spielfeldseite fegende Ostwind in jeden Jackenzipfel. Manchmal blieb einem keine andere Wahl als sich umzudrehen und dem Wind und Spielfeld den Rücken zuzuwenden, wenn mal wieder eine besonderes starke Böe kam. Der gegen Ende der Partie einsetzende Nieselregen machte die Situation nicht besser. Spielerisch war das ganze natürlich auch keine Offenbarung. Die Heim-Mannschaft schenkte dem Gast nach unentschiedenem Halbzeitstand am Ende ordentlich ein. Wenn man aber die spielerische, technische Qualität des polnischen Sechstliga-Niveau mit dem deutschen vergleicht, sieht man schon einen eklatanten Unterschied. Eine gute Kreisliga A-Mannschaft hätte beide Teams wohl ohne größere Schwierigkeiten besiegen können. Nach dem dankbar registrierten Schlusspfiff wurde der Zaun zum Pitch sportlich-grazil überwunden und noch ein paar Fotos von der Anlage geschossen, da das die einzig vernünftige Perspektive war, und dann zogen wir von dannen. Mit dem Bus fuhren wir gute 45 Minuten zum Bahnhof von Katowice. Keine 100 Meter von diesem entfernt, befindet sich das 'Hostel Katowice Zentrum', in dem ich vor zwei Jahren schon einmal genächtigt hatte und in dem wir uns für zwei Nächte ein Zweibett-Zimmer für insgesamt 190 Zloty (circa 45 Euro) gebucht hatten.
Statt, wie ursprünglich geplant, eine Partie der Kattowitzer Stadtliga anzustreben, entschieden wir uns Wind- und Wetterbedingt lieber ein wenig in unserem Raum abzugammeln. Gegen viertel vor vier machten wir uns dann wieder auf die Socken und entschlossen uns, die knapp vier Kilometer zum Stadion von GKS zu laufen. Leider gab es auf dem Weg dorthin nicht allzu viele Graffitis zu sehen und wenn, dann waren es fast ausschließlich lieblose Schmierereien. Eine gute Stunde vor dem Kick-off kamen wir am Ground an. Sieht von außen ja schon ansprechend aus. Die dicke, fette Haupttribüne macht jedenfalls mächtig Eindruck. Dazu hat der Bau auch schon ordentlich Jahre auf dem Buckel, was für meinen Geschmack die Attraktivität solcher Bauwerke nur noch maximiert.
Also rein in die Bude. Erste Anlaufstelle natürlich der Grillstand zum unvermeidlichen Kielbasa-Test. Ergebnis: geschmacklich okay, nicht zu fettig, nicht zu grob, Gesamtnote zwei minus. Das Stadion ist ein echtes Juwel. Auf der einen Geraden befindet sich die angesprochene Haupttribüne und auf der Gegenseite ein niedrigeres Gegenstück, auf dem sich die GKS-Supporter versammeln. Hinter einem Tor befindet sich eine kleine Stehplatz-Kurve, die aus dem Bronze-Zeitalter stammen muss.
Auf der anderen Seite steht leider eine kleine Stahlbau-Stehtribüne, die als Away-Bereich dient. Vor kurzem befand sich hier noch eine ungedeckte Tribüne, die baugleich und genauso hoch war wie die Haupttribüne. Leider musste diese wegen Baufälligkeit dem angesprochenen unansehnlichen Zweckteil weichen. Die Beflaggung im Heimbereich war erste Sahne.
Absurderweise konnten wir aber selbst diesen manchmal kaum hören Sechs oder sieben Klasse-Teile wurde an den Zaun geplästert. Das haben unsere östlichen Nachbarn ja wirklich drauf. Wir nahmen auf der Haupttribüne Platz, direkt gegenüber des Stimmungskernes. Der grün-weiße Heimanhang legte auch gut los. Die Gäste waren zwar eigentlich immer in Bewegung und auch ab und an ganz gut zu vernehmen, aber gegen den einige hundert Personen starken GKS-Mob war natürlich nicht viel zu bestellen. Absurderweise konnten wir aber selbst diesen manchmal kaum hören. Einige Sitzreihen unter uns fand nämlich die Kinderbetreuung statt.
Zwei junge Mädels kümmerten sich um gut 25 Rotzige und was läge da näher als ne Art 'Ultra-Youth' zu formen. Mit einem kleinen Megaphon wurde also das ganze Lied-Repertoire der großen Vorbilder angestimmt und der Zwergen-Pöbel machte brav mit. Sogar einen Trommler hatte man akquiriert. Der machte seine Sache aber richtig gut und vor allem deutlich besser als manch verpeilter Rhythmus-Legastheniker bei den 'Großen'. Auch die befreundeten Clubs Banik Ostrava und Gornik Zabrze wurden gefeiert. Insgesamt eigentlich ganz witzig aber eine Halbzeit reicht die Prä-Stimmbruch-Beschallung dann auch.
Grundsätzlich aber eine gute Idee. Die Kinder sind unter Kontrolle und die Eltern können schön Fusek schauen und nach Herzenslust pöbeln ohne dass die Erziehung schaden nimmt. Wir suchten uns aber für den zweiten Durchgang andere Plätze, um auch noch was vom 'richtigen' Support mitzubekommen. Zwei gerecht verteilte Tore gab es in der ersten Hälfte zu bestaunen. Das Spiel war jetzt nicht die große Offenbarung, aber auch kein Trümmer-Fußball. Katowice musste unbedingt gewinnen, um sich die Minimal-Chance auf den Aufstieg zu erhalten. Zwar gab es nach dem Pausentee auch einige Möglichkeiten
aber das richtige Mittel fand man nicht. Bedeutet, dass die Gäste einen wichtigen Punkt feiern durften und einen der Konkurrenten auf Distanz hielten. Für GKS heißt es nun, weiterhin zweitklassig zu planen. Zwar befindet sich der Verein in einer finanziell schwierigen Situation, aber im Hinterkopf träumt man jährlich von der 'Extraklasa' und hofft wieder na bessere Zeiten anknüpfen zu können. So wie es in den besten Jahren der Vereins-Historie von Mitte der 80er bis Mitte der 90er Jahre war, als man drei Mal den polnischen Pokal gewinnen und mehrfach am Europa-Pokal teilnehmen konnte. Mit dem Abstieg aus der höchsten Liga zog man sich aber aus finanziellen Gründen gleich auf vierklassiges Niveau zurück und kämpft sich nun langsam wieder nach oben. Wir verließen die kultige Stätte und stolperten in Stadionnähe noch auf ein Getränk in eine schmierige Bar und dann ging es wiederum per Pedes zurück zum Hostel. Mit Internet und Quiz-Duell wurde der Abend ruhig verbracht.
So. 06.04. 11:00 - Szombierki Bytom vs Ruch Radzionkow 3:0 (3.Liga, Grupa Opolsko-Slaska polnoc), 600 Zuschauer (200 Gäste)
So 06.04. 15:30 - Piast Gliwice vs Pogon Szczecin 2:2 (Ekstraklasa), 4.348 Zuschauer (280 Gäste)
Um halb neun war Aufstehen angesagt, da wir um zwanzig vor Zehn die Bahn Richtung Bytom erwischen wollten. Das Streckennetz der 'Tram-Silesia' ist ja mal mehr als gut und verbindet sämtliche Städte der Region miteinander. Und wo die Bahn nicht hinfährt, kommt man mit dem Bus hin. Für die knapp vierzehn Kilometer vom Bahnhof Katowice bis ins Zentrum von Bytom muss man nicht umsteigen. Für 4,80 Zloty, also etwas mehr als ein Euro, kann man die 45 Minuten schön mit der Tram dorthin schaukeln. Und schaukeln bedeutet in diesem Falle wirklich 'schaukeln'. Zwischendurch wurde man immer mal ordentlich durchgeschüttelt, da sich die Schienen aufgrund der bergbaubedingten Bodenveränderungen teilweise ordentlich verzogen haben. Manchmal musste man sich wundern, dass die Bahn nicht aus den Schienen sprang. Die Strecke ging durch Chorzow am großen 'Stadion Slaski' vorbei, wo seit geraumer Zeit an einem schmucken Dach für die Riesenschüssel gewerkelt wird. Schwer einzuschätzen, ob da momentan überhaupt was getan wurde. Irgendwie sah das ganze Baugerät und die Maschinen ziemlich unbenutzt aus. Der an das Stadion angrenzende Stadtteil zeigte sich zugebaut mit den typisch ex-sozialistischen Wohnklötzen, die zwar teilweise saniert scheinen, aber von denen sich auch einige im Gewande abblätternder Farbe und abspringenden Putzes zeigten. Sah jedenfalls schön scheiße aus, aber wie soll das auch gehen. Polen ist auch erst seit dem Beginn der 90er auf demokratischen und marktwirtschaftlichen Pfaden unterwegs und in etwas mehr als zwanzig Jahren mag zwar das politische System endgültig auf dem richtigen Wege sein, aber Bausubstanz und Infrastruktur auf den 'state of the art' zu bringen benötigt dann doch ein paar Dekaden mehr. Allerdings sieht man auch genug Neubauten und moderne Bürogebäude oder eben entsprechende Baustellen. Als wir uns dem Bytomer Zentrum näherten querten wir dann ein Viertel in dem die Zeit offenbar seit dem Krieg stehen geblieben war. Uralter Häuser, die nur noch vom Dreck in den rissigen Fassaden zusammen gehalten werden. Ziemlich übel und abgefuckt. Da will man nicht leben. Vom 'Plac Sikorskiego' latschten wir in Richtung des Stadion von Szombierki. Allerdings zog sich das dann doch ziemlich, so dass wir für zwei Stationen noch eine vorbeikommende Tram enterten.
Rechtzeitig kamen wir einige Minuten vor dem Anstoß an und bekamen für zehn Zloty Einlass gewährt. Das Stadion ist schon ne Wucht. Eine recht große Schüssel, die sicherlich mal für 30-35tsd Menschen Platz bot. Das heutige offizielle Fassungsvermögen beträgt aber nur noch 2tsd, da nur noch der zentrale Bereich auf der Hauptseite, sowie ein Gäste-Bereich auf der Gegengeraden gepflegt sind und den Sicherheitsbestimmungen entsprechen.
De facto sind aber beinahe alle Bereiche des weiten Ovals noch begehbar. Allerdings sind die Stufen mittlerweile komplett von Gras überwachsen. Oder waren die Kurven möglicherwiese nie ausgebaut? Der Bereich auf der Hauptseite wurde vor wenigen Jahren etwas aufgemöbelt, unter anderem wurde eine neue, kleine Überdachung installiert. Das frühere Dach muss deutlich größer gewesen sein. Das lassen die noch vorhandenen rückwärtigen Pfeiler jedenfalls vermuten. Auf jeden Fall ist das ein herrliches Nostalgie-Stadion, von denen es ja leider immer weniger gibt. Der GKS Szombierki kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Der Verein ist benannt nach dem Stadteil, in dem er beheimatet ist. Zur Zeit seiner Gründung war Szombierki (zu deutsch: Schomberg) allerdings noch eigenständige Stadt, die später an Bytom (deutsch: Beuthen) angeschlossen wurde. Seine beste Phase hatte der Club in der Zeit nach dem Krieg bis in die frühen 90er Jahre.
Prinzipiell eher ein Fahrstuhl-Verein mit mehreren Auf- und Abstiegen in und aus der höchsten Spielklasse, konnte man im Jahr 1980 den ganz großen Wurf landen und die polnische Meisterschaft nach Oberschlesien holen.
Nach dem letzten Abstieg aus der obersten Liga war es aber vorbei mit der Herrlichkeit und man rutschte weiter nach unten. Kurzzeitig befand man sich in einer Fusion mit dem Stadtrivalen Polonia, die aber nach nur einem Jahr wieder gelöst wurde, da man sich einfach nicht einig war. Es ging dann runter bis auf die siebte Ebene bis man sich fing und wieder den Weg nach oben antrat. Aktuell spielt man viertklassig und befindet sich frisch aufgestiegen im Tabellen-Mittelfeld. Die Geschichte von von Ruch Radzionkow ist nicht ganz so bewegt. Ende des letzten Jahrtausends erlebte man die Hochphase, als man drei Saisons an der 'Ekstraklasa' teilnehmen konnte. Nach dem Abstieg ging es dann rasant nach unten aber auch schnell wieder hoch und man kam vor zwei Jahren wieder in der zweithöchsten Spielklasse an. Aus finanziellen Gründen musste der Verein aber zurückziehe und bewegt sich nun auf viertklassigem Niveau.
Da das Wetter heute wohl die Eskapaden des Vortages vergessen machen wollte, konnten wir uns bei herrlichstem Sonnenschein am oberen Ende der Kurve niederlassen und das Geschehen beobachten. Auf heimischer Seite waren etwa 100 Aktive am Werk, die Gäste waren gut und gern doppelt so viele. Die Zaunfahnen waren wieder eine Augenweide. Auf Seiten von Ruch wurde die Beflaggung in der Pause gewechselt. Der Zaun bot einfach nicht genug Platz und da jede Gruppe zu ihrem Recht kommen wollte, wurde die 'Präsentier-Zeit' eben untereinander aufgeteilt. Zu Spielbeginn zeigten die Gäste eine schöne Parade einheitlicher Schals, abgerundet mit drei identischen Schwenkern mit Totenkopf-Motiv. Dürfte auf das Konto der 'Warriors' gehen, deren Zauni während Hälfte eins am Gestänge prangte.
Bei den grün-weißen Gastgebern gab es zum Intro nix besonderes. Dafür waren beide Seiten von Anfang schön lautstark und mit annähernd 100prozentiger Mitmachquote unterwegs, so wie man es von den Polen gewohnt ist. Mitte der ersten Hälfte hörte man dann das charakteristische Geräusch mehrerer angerissener Bengalfackeln.
Etwa 20-25 von den Dinger loderten nun im Heimbereich. Wirkt ja bei hellichtem Tages, dazu noch bei Sonnenschein, leider nicht so gewaltig. Aber da Szombierki mangels Flutlicht keine Abendspiele ausrichten kann, muss der Pöbel halt das beste daraus machen. Und Pyro bei Tageslicht sieht immer noch besser aus als gar kein Pyro. Das eigene Team zeigte sich jedenfalls inspiriert und dominierte die Partie. Die Gäste leisteten sich dazu noch den Luxus einen Strafstoß ungenutzt zu lassen. In der Halbzeit wurde dann die Kielbasa bestätigt, die schon im Laufe der ersten 45 Minuten getestet wurde. Ganz leckeres Ding.
Erfreulicherweise wurde auch gezapftes Pivo ausgeschenkt, was in Polen ja alles andere als selbstverständlich aus. So ließ es sich leben. Zum Beginn der zweiten Spielhälfte packte die Heimseite nen ganzen Haufen kleine Schwenker in den Clubfarben aus.
Sah ganz gut aus, spätestens als auch noch eine kleine grüne Rauchsäule in den Himmel stieg. Während der Gast-Mannschaft die Partie auf dem Rasen mehr und mehr aus den Händen glitt, wollten deren Anhänger das so nicht auf sich sitzen lassen und jagten eine satte gelbe Rauchwolke in den Himmel, um den Wettstreit auf den Rängen nicht gänzlich zu verlieren. Auch der akustische Support wurde auf beiden Seiten mit sehr hoher Mitmachquote beinahe über die kompletten neunzig Minuten durchgängig getragen. Wirklich eine äußerst gelungene, kurzweilige Veranstaltung. Ich hatte mir zwar erhofft, dass dieses kleine Derby - beide Stadien liegen keine zehn Kilometer auseinander - was hergibt, aber die Erwartungen wurden deutlich übertroffen. Der Vergleich auf dem Rasen ging verdient mit 3:0 an die Gastgeber und wir trotteten zurück Richtung Tram-Haltestelle.
In Zabrze mussten wir umsteigen und von dort endete die StraBa-Strecke nach Gliwice kurz hinter der Stadtgrenze an einem großen Betriebshof. Mit dem Bus fuhren wir weitere drei Haltestellen.
Die legten die letzten zwei Kilometer zu Fuß zurück und dann waren wir in Paderborn angekommen. Wer beide Stadien kennt, weiß wie das gemeint ist. Das 'Stadion Miejski' stammt vom gleichen Architekten wie die Blechbüchse in Ostwestfalen und dieser hat sich bei der Planung nicht die Mühe gemacht, irgendwelche grundlegenden Merkmale einzubauen, damit sich die polnische Wellblechbude von der deutschen abhebt.
Die Attraktivität des Grounds hält sich dementsprechend in Grenzen. Die Partei gehörte eh nicht grad zu unseren Herzenswünschen aber der heutige Doppler war schlicht die sinnvollste Lösung nachdem wir sämtliche Spielpläne bis in unterste Sphären gecheckt hatten. In der Heimkurve sammelten sich gut 400 Leute zum Support, den ich gemessen an Ambiente und Zuschauerresonanz als polnisch solide bezeichnen möchte.
Aus Szczecin fanden sich knapp 300 Kibice ein. Allerdings lief die Partie schon eine Viertelstunde bis endlich alle drin waren und der Capo seine Meute eng zusammengerottet hatte. Waren schon ein paar zwielichtige Kanten darunter, wie wir aus unserer strategisch guten Sicht- und Hörposition zum Away-Sektor erspähen konnten.
Der Support der Westpommeraner war zwar nicht sehr variabel, kam aber dafür schön laut rüber. Die Partie auf dem Rasen wogte hin und her, mal führten die einen, mal die anderen und als die anderen dachten, sie würden nen Auswärtssieg landen, erzielten die einen doch noch den Ausgleich. Unser Weg führt zum Bahnhof, wo wir die günstige Regionalbahn (5 Zloty = 1,20 Euro) nach Katowice bestiegen. Da wir aufgrund des Rückfluges im Morgengrauen früh ins Reich der Träume wollten, nahmen wir nur noch zwei, drei Getränke mit ins Hostel und ließen den Abend zeitig zu Ende gehen. Der Flughafen-Bus brachte uns am nächsten Morgen wieder raus nach Pyrzowice, von wo uns die lila-pinke Airline sicher zurück nach Holzwickede flog. Waren ja jetzt nicht gansz so spektakuläre Spiele, aber deie alte Hütte in Katowice kann man sich durchaus mal geben und der Kick bei Szombierki darf ohne Weiteres als Tour-Highlight deklariert werden, da er jede Erwartung übertraf.
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