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19.-21.10.2013 --- Sofia-Derby
Nach meinem ersten Besuch in Bulgarien wurde der Entschluss gefasst, irgendwann dem Sofia-Derby einen Besuch abzustatten. In diesem Herbst sollte der Zeitpunkt gekommen sein, diesem Vorhaben Wirklichkeit zu verschaffen. Auch die Herzdame zeigte sich dieser Idee aufgeschlossen und so wurden für knapp 65 Euro pro Nase Hin- und Rückflug mit der pink-rosa-farbenen Low-Cost-Airline des Vertrauens ab Dortmund gebucht. Sascha aus diesem unbeliebten, kleinen, nordöstlich gelegenen Essener Vorort hatte dieselbe Idee und so wollte man dieses Reise gemeinsam angehen.
Sa. 19.10. 16:00 - CSKA Sofia vs Levski Sofia 3:0 (A Liga), 13.950 Zuschauer (5.000 Gäste)
Am frühen Samstag-Morgen wurden im traumhaften Ortsteil Schönebeck zu Essen zwei einigermaßen leblose Körper ins Auto gepackt und der Essener Hauptbahnhof angefahren, wo Sascha um zwanzig nach sechs mit der S-Bahn ankommen wollte. Als die Bahn dann schon längst eingefahren war, er aber nicht auftauchte, kam ich dann auch mal auf die Idee auf mein Handy zu schauen. Eine SMS von viertel vor sechs wusste zu berichten, dass er bereits kurz nach seinem Einstieg im Stadtteil Buer aufgrund eines Personenschadens auf offener Strecke gestrandet war und er uns eine gute Reise wünschte. Scheißdreck. Da die ganze Nummer zeitlich eh knapp genäht war - die erste S-Bahn aus Buer war nun mal die, in der er auf dem Trockenen saß - war die Sache in der Tat nicht mehr zu retten. Also steuerten Saskia und ich den Flughafen in Holzwickede alleine an. Mit einer halben Stunde Verspätung - hätte man es mal vorher gewusst - hob der Vogel gegen viertel vor neun ab und um die Mittagszeit (eine Stunde Zeitverschiebung nach vorn) landeten wir bei strahlend blauem Himmel in der bulgarischen Hauptstadt. Die Taxi-Mafia wurde wie üblich links und rechts liegen gelassen und stattdessen die Bus-Haltestelle als Ziel auserkoren. Vorher musste aber noch Kleingeld her, da ich mich dunkel erinnern konnte, dass Tickets beim Fahrer nur gegen passende Münze erworben werden konnten. Genau dieses nicht zu wissen, hatte mir ja bei meinem Erstbesuch direkt mal ne Knolle für ungewollte Leistungserschleichung eingebracht. Zur Hartgeld-Beschaffung ging es in einen kleinen Shop, wo ich zwei Getränke mit der 50 Lew-Note bezahlen wollte, die ich noch in meinem Devisen-Fundus entdeckt hatte. Beim Erblicken des Scheines brachen die beiden Damen hinter dem Tresen in Gelächter aus und es fiel das Wort 'antik'. Woher auch immer hatte sich eine seit der Jahrtausend-Wende nicht mehr gültige Banknote bei mir eingenistet. Also um die Ecke am Automaten frisches Geld gezogen und nun klappte auch die Münzgeld-Versorgung. Mit der Linie 84 fuhren wir ins Sofioter Zentrum. Der Fahrpreis liegt immer noch bei einem Lew, egal wie weit man durch die 1,2 Mio-Metropole fährt. Das sind gerade mal 50 Euro-Cent.
Ich konnte mich erinnern, dass der Bus in direkter Nähe des Nationalstadions 'Vasil Levski' und des benachbarten Stadion 'Balgarska Armija', Heimstadion des heutigen Gastgebers im Derby, vorbei kam. Also verließen wir das Gefährt am 'Knyazheska Gradina', dem Park in dem das Denkmal für die Sowjet-Armee steht. Dort war schon reichlich Polizei-Präsenz zu sehen, die sich in der Überprüfung der eintrudelnden CSKA-Fans übte. Das Übersetzungs-Tool einer bekannten Internet-Suchmaschine hatte mir eine grauenhaft unverständliche Information rausgeschmissen, wo es Tickets für das Spiel zu erwerben gab. Zumindest war ich in der Lage, den Veräußerungsort räumlich einzuordnen. Also sprach ich einen jungen Mann an, der sich aber äußerst argwöhnisch zeigte und mich fragte, für welchen Verein wir seien. Als wir ihm mitteilten, dass wir neutral und am reinen Spektakel an sich interessiert sind, taute er auf, outete sich als CSKA-Anhänger, indem er seinen Vereinsschal aus der Jacke zog, und geleitete uns zu den geöffneten Ticket-Schaltern. Für umgerechnet 6 Euro gab es den Sitzplatz auf der Gegengeraden. Das Spiel fand übrigens im Nationalstadion statt. Ich hätte es zwar lieber im eigentlichen Stadion des Clubs gesehen, da ich mir im kleineren Ground eine noch bessere Atmosphäre erhoffte, aber grundsätzlich war es mir egal und ich hatte mich auch im Vorfeld nicht für den genauen Austragungsgort interessiert. Nun hieß es erst einmal unsere Unterkunft für die erste Nacht zu beziehen. Eine Station mit der Metro von der Station 'Universität' zur 'Serdika', die direkt unter der großen zentralen Kreuzung an der Kirche 'Sveta Nedelja' liegt. Diese Kirche ist die Kathdrale des bulgarisch-orthodoxen Erzbischofs der Stadt. Keine fünfzehn Minuten Fußweg waren es nun zum auserwählten 'Danish Hostel', wo wir ein Doppelzimmer mit eigenem Bad für schmale 36 Lew, also 18 Euro, gebucht hatten. Das Hostel liegt im dritten Stock eines äußerlich eher angeranzten älteren Wohnhauses. Es ist allerdings sehr hübsch und modern eingerichtet. Alles war sehr sauber und die beiden Mädels, die den Laden offenbar schmeißen sind sehr nett. Und der Preis ist natürlich unschlagbar. Free tea and coffee ist zusätzlich 'on the house'. Einziger Minuspunkt ist, dass nicht wenigstens ein kleines Frühstück geboten wird. Aber was will man bei diesem Kurs auch noch groß verlangen. Wir sortierten uns nur kurz und wollten dann in Ruhe quer durch die Innenstadt zum Stadion laufen. Es war nun etwa 13:30. An der 'Banja-Baschi-Moschee' liefen wir vorbei zum Platz mit der 'Sveta Nedelja', wo wir an einem der kleinen Imbissbuden eine Art Burger einwarfen. Kein kulinarisches Feuerwerk, aber der Magen wurde zumindest ruhig gestellt. Auf der anderen Seite sind Fragmente römischer Straßen und von der alten Festungsmauer freigelegt worden, die sich aber etwa sechs bis sieben Meter unter dem heutigen Oberflächen-Niveau befinden. Schon erstaunlich wie altertümliche Bauwerke und Straßen im Laufe der Jahrhunderte vom Erdboden verschluckt werden. Es bedarf wohl kaum viel Phantasie, um sich auszumalen was auf der ganzen Welt noch unentdeckt vergraben und verschüttet liegt. Seit fünftausend Jahren ist diese Gegend bevölkert. Dieses ist archäologisch belegt. Neuere Funde deuten eher auf deutlich ältere Besiedelung hin, was bedeuten würde, dass Sofia eine der ältesten Städte des europäischen Kontinents ist. Auch die Römer haben hier natürlich großen Einfluss genommen und der Stadt den Namen 'Ulpia Serdica' gegeben. Dieser lehnt sich an den Volksstamm der 'Serden' an, der diese Gegend frühzeitig besiedelt hatte. Wie erwähnt trägt ja auch die zentrale Metro-Station diesen Namen. Da zwei antike Handelswege durch die Stadt führen, erlangte diese auch militärische Bedeutung. Diese wiederum gereichte ihr aber deutlich zum Nachteil, denn nach dem Ende des römischen Weltreiches rauschten im Laufe der Jahrhunderte der Reihe nach die Hunnen, die Goten, die Kreuzritter auf ihren Feldzügen und schließlich die Osmanen durch die Stadt. Und damit sind nur die großen Heere genannt, die den Sofiotern zusetzten. Den Namen Sofia bekam die Stadt erst im 15.Jahrundert nach einer im 4.Jahrhundert erbauten Kirche namens 'Sveta Sofia'. Diese liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zu 'Aleksander-Nevski-Kathedrale', einem beeindruckend schönen orthodoxen Gotteshaus im neobyzantinischen Stil. Es wurde 1912 nach achtjähriger Bauzeit fertiggestellt, zum Gedenken an die 200tsd russischen Soldaten, die bei der Befreiung des Landes von der osmanischen Herrschaft starben. Dort kamen wir auf dem Weg zum Stadion vorbei. Zeit zur Besichtigung hatten wir aber nicht - dieses wurde auf Montag verschoben. Am Parlamentsgebäude vorbei ging es weiter zum 'Knyazheska Gradina'-Park. Daneben liegt das Stadion das nach dem Identitätsstifter Vassil Levski benannt ist, einer bedeutenden Persönlichkeit der 'Nationalen Wiedergeburt', der Entwicklung des bulgarischen Nationalbewusstseins und eigener Kultur während der Zeit der Unterdrückung durch die Osmanen.
Hier war knappe 45 Minuten vor dem Spiel schon gut was los. Die Fantrennung schien gut zu funktionieren, denn hier, an der Nordseite des großen Ovals, waren nur die Farben Rot und Weiß zu sehen. Um ins Stadion zu gelangen musste man zwei Körper- und Taschenkontrollen über sich ergehen lassen. Hinter der Kurve hing ein Transparent, dass alle CSKA-Fans aufforderte, 90 Minuten alles für den Verein zu geben. Das 'Stadion Vassil Levski' fasst circa 43tsd Menschen. Nur ein kleiner Teil der Haupttribüne verfügt über ein Dach, der Rest ist offen. Über der Gegengeraden erhebt sich eine Art Loge. Die beiden Kurven waren schon gut gefüllt und sangen sich langsam ein. Zum Einlauf der Gladiatoren präsentierte die Levski-Kurve lediglich ein großes Transparent, dessen Sinn sich mir leider nicht erschloss. Zwar bin ich mittlerweile in der Lage die kyrillische Schrift zu lesen, aber das ändert nichts daran, dass ich der bulgarischen Sprache nicht mächtig bin. Auf jeden Fall hatte ich zum Intro mehr erwartet, da der Levski-Anhang zu den Derbys eigentlich immer ein paar stattliche Rauchschwaden in den Himmel schickt. Die Heimkurve zeigte sich besser aufgelegt. Am oberen und unteren Rand der Kurve wurden große Spruchbänder gezeigt, die ich leider ebenso wenig verstanden habe, und dazwischen wurden schwarze Pappen hochgehalten. Außerdem wurden einige Bengalos abgefackelt, die bei Tageslicht natürlich nicht sonderlich wirkten. Sah also erst einmal unspektakulär aus. Nach kurzer Zeit wurden dann aber die Pappen gedreht. Außen waren nun rote Pappen zu sehen, während die inneren weg blieben und stattdessen eine große Blockfahne mit einem kunstvollen Adler mit ausgebreiteten Flügeln hochgezogen wurde. Dazu wurden haufenweise rote Fahnen geschwenkt. Sah sehr gut aus. Auch wenn das Sofioter Derby natürlich nicht an die Zuschauerzahlen mittel- oder westeuropäischer Derbys herankommt, so dürfte es doch zu den brisantesten Spielen auf dem Kontinent gehören. Das war in jeder Minute spürbar. Nach offiziellen Angaben sollen 14tsd Leute im Stadion gewesen sein. Meiner Meinung nach tendierte die Attendance eher gegen 17tsd oder 18tsd, aber das ist ja letztlich auch egal. Die Ursprünge für den 'Zentralen Sportclub der Armee', so die Übersetzung des ausführlichen bulgarischen Vereinsnamens, liegen in den ersten Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Die eigentliche Geburt war aber 1948, als der Verein aus der Fusion zweier anderer Clubs entstand, damals noch unter dem Namen 'Septemvrisko'. Kurz danach bekam der Verein seinen heutigen Namen, in dem sich trotz mehrerer Umbenennungen fortan der Bezug zur Armee wiederspiegelte. Levski hingegen ist eher der Club der Liberalen und Studenten, die sich nicht dem Armee-Monopol beugen wollten. Dieses spiegelt sich ja schon darin wieder, dass der Verein nach dem Nationalhelden benannt wurde. Auch Levski hat eine Reihe Um- oder eher Hin-und-Her-Benennungen hinter sich, bevor man wieder den alten Namen annahm. Die beiden Clubs sind natürlich die populärsten und erfolgreichsten des Landes und haben zusammen über 100 nationale Titel gesammelt. Mit dem Anstoß war auch richtig Alarm in der Bude. Hohe Mitmachquote, nicht nur in den Kurven, sondern auch in den anderen Blöcken des Stadions, richtig laute Schlachtrufe und Gesänge, Hüpfeinlagen und Mitte der ersten Halbzeit eine Oberkörperfrei-Aktion der beinahe kompletten Heimkurve. Im Gegensatz zu der Leistung auf den Rängen, kam das Geschehen auf dem Rasen nicht so wirklich in Schwung. Relativ harmloses Mittelfeld-Geplänkel, kaum Strafraum-Szenen, geschweige denn Torchancen. Doch ich hatte meinen 0:0-Verdacht nach einer guten halben Stunde noch gar nicht ganz ausgesprochen, da zappelte die Flunder im Netz. Mit einem Geistesblitz steckte ein CSKA-Spieler einen tödlichen Pass auf einen Stürmer durch. Dieser ließ den Schnappmann der Gäste gekonnt aussteigen und schob die Murmel ins leere Netz. Tollhaus! Alles sprang durcheinander. Man hatte den Eindruck jeder auf der Tribüne wollte jeden umarmen. Und der Jubel war noch gar nicht ganz verhallt, da zappelte die Kugel nach einer Ecke auf den kurzen Pfosten und anschließendem Kopfball schon wieder im Netz. Erneut absolute Ekstase bei den Roten. Natürlich wurden die Schlachtrufe nach den Toren noch lauter und vor allem dieses einfache "C-S-K-A" ging durch Mark und Bein. Und als ob es nicht fürs erste gereicht hätte, ging die rasante Fahrt weiter. Nach einem schlechten Zuspiel vor dem eigenen Strafraum unter Druck gesetzt, ließ sich ein Levski-Abwehrspieler die Kugel abnehmen. Der Ball-Dieb drang über außen in die Box ein und bediente einen heranrauschenden Kollegen, der das Leder nur noch über die Linie drücken musste. Drei Tore in sechs Minuten und nun brachen alle Dämme. Alles um mich herum purzelte durcheinander als ob man die Champions League gewonnen hätte. Sehr geil. Hatten die Gäste ihre Mannschaft nach den ersten beiden Toren noch trotzig weiter angefeuert, herrschte nun bis zur Halbzeit eisige Stille bei den Blauen, während bei den Roten natürlich bis weit in die Pause Riesen-Party angesagt war. Während der Halbzeitpause sammelte sich die Gästekurve aber. Der Capo richtete eine mehrminütige Ansprache an den Mob und als die Teams zurückkamen, gab die Levski-Kurve wieder alles. Die CSKA-Kurve sowieso. Auf dem Rasen schien aber nix mehr anbrennen zu können. CSKA kontrollierte die Partie. Ein baumlanger dunkelhäutiger Spieler in der Abwehr fischte sich fast jeden Ball, der sich dem eigenen Tor näherte. Levski versuchte sein Glück viel zu unkoordiniert und verlor mit fortschreitender Spielzeit auch mehr und mehr den Mut. Eine Viertelstunde vor dem Ende passierte dann doch noch das, worauf ich die Hoffnung mittlerweile aufgegeben hatte. Levski nebelte die eigene Kurve massiv mit blauen Rauchtöpfen ein. Dazu wurden ein paar Böller geschmissen. Eine kurze Zeit, war die ganze Kurve überhaupt nicht mehr zu sehen und die Suppe zog schwer Richtung Spielfeld. Störte aber keine Sau, weder die Staatsmacht, die locker mit 6-700 Mann vor Ort war, noch die Spieler oder den Stadionsprecher. CSKA, das erst vor dieser Saison mit Ach und Krach die Insolvenz abwenden konnte, brachte die Partie sicher nach Hause und meldete sich nach schwachem Saisonstart endgültig im Meisterschaftsrennen zurück, während Levski überraschend nur pures Mittelmaß ist. Die CSKA-Spieler liefen nach kurzem Abklatschen an der Trainerbank sofort in die Kurve und feierten den deutlichen Triumph. Es war absolut spürbar, wie wichtig ein Sieg in diesem Derby für Mannschaft und Fans ist. Die Levski-Kurve verabschiedete ihr Team mit einem gellenden Pfeifkonzert. Nur wenige Spieler trauten sich in Richtung Kurve, blieben aber mit voller Buxe sicherheitshalber an der Eckfahne stehen. Da möchte man in den nächsten Tagen doch lieber kein aktiver MItarbeiter des Vereins sein. Die Heimseite bekam gute dreißig Minuten Blocksperre aufgebrummt, damit der Gästepöbel aus der Gegend ums Stadion vertrieben werden konnte. Klappte aber wohl nicht ganz so gut. Während es im Stadion beim gegenseitigen Gepose und Gepöbel an den Pufferblöcken blieb, krachte es draußen auf der Straße. Laut Presse gab es über siebzig Festnahmen und zwei verletzte Polizisten. Aufgefallen ist mir mal wieder, dass es offenbar keine Probleme gibt, seine rechtsradikale Gesinnung zu zeigen. Zwar sah man kaum Symbole, aber ein kräftiger Typ mit mächtig dicken Armen, der a la 'American History X' ein Hakenkreuz-Tattoo auf der Brust hatte, konnte sich jedenfalls die ganze zweite Halbzeit kritiklos oberkörperfrei damit zeigen. Andererseits hätte ich ihn auch nicht darauf hinweisen wollen, dass er sein Shirt lieber wieder anziehen soll . Letztlich ist es ja auch bekannt, dass es im CSKA-Anhang Probleme mit Rechtsextremismus gibt. Nun war massiver Kohldampf angesagt. Und wo könnte man den besser stillen, als im beliebten 'Happy-Grill', wo massenhaft junge, hübsche Mädels rumwuseln, um die (kulinarischen!) Bedürfnisse der Kundschaft zu befriedigen. Unser Bedürfnis war jedenfalls ein ordentliches Fleischgericht und eine überdurchschnittliche Menge 'Kamenitza'. Gar nicht so übel die Brause. Da aber auch 'Kamenitza' irgendwann seine magische Anziehungskreft einbüßte, flanierten wir ein wenig in die Fußgängerzone, die momentan gar nicht aussieht wie eine Fußgängerzone, weil arbeitswütige Baufachkräfte ein Riesenloch in dieselbige gegraben haben. War uns aber heute egal, weil wir eh nach wenigen Metern in einer Cocktail-Bar hängen blieben. Bei umgerechnet weniger als 3 Eusen für 'Cuba libre' und 'Caipiroshka' wurde dann nicht mehr lang gefackelt und für angemessene Bettschwere gesorgt. Schön dass mein Mädel recht zäh am Glas ist und man sich mit ihr auch mal ordentlich einen ballern kann!
So. 20.10. 16:00 - Lokomotiv Plovdiv vs Slavia Sofia 3:1 (A Liga), 1.550 Zuschauer (27 Gäste)
Um 8:30 war Aufstehen angesagt, was dann mit halbstündiger Verspätung auch gelang. Gut, dass wir um Mitternacht im Bett waren, sonst wäre der Tag möglicherweise etwas aus den Fugen geraten. Unser Weg führte uns in aller Ruhe per pedes zum 'Centralna Gara'. Das Wetter zeigte sich erneut von seiner besten Seite und der Himmel erstrahlte in feinstem Blau. Wir kreuzten ein Stadtviertel, in dem sich nicht unbedingt der Hochadel von Sofia präsentierte. Genauer gesagt sahen wir beinahe ausschließlich Angehörige einer Volksgruppe, von der ein deutsches Volkslied behauptet, ihr Leben sei lustig. Vom Bahnhof ging es mit dem Zug um 10:47 für 9 Lew pro Person in der 2.Klasse gen Plovdiv. 2.Klasse in Bulgarien bedeutet übrigens nicht sechs Sitze im Abteil, sondern acht. Die Karre war auch voll gebucht, so dass man schon in gewisser Enge reiste. Trotzdem ziehe ich den Zug der Fahrt mit dem Bus vor. Finde ich einfach angenehmer. Die Strecke führte zunächst durch die Ebene östlich von Sofia, dann durch die sehenswerte Mittelgebirgslandschaft des 'Rila-Gebirges', das sich im wunderschönen Herbstgewand zeigte, und schließlich am Nordrand der der 'Rhodopen' in die 'Thrakische Ebene', durch die der Fluss 'Maritza' fließt, an dem Plovdiv liegt. Pünktlich auf die Minute um 13:00 trafen wir dort ein. Eine Viertelstunde Fußweg später standen wir vor der gebuchten Unterkunft 'My Guesthouse', das sich im oberen Geschoss eines normalen Wohnhauses befindet. Dort hatten wir für 48 Lew ein schnuckeliges Zimmer mit Bad gebucht. Schöner Raum in dem das tragende Fachwerk freigelegt und restauriert wurde. Viel dort aufhalten wollten wir uns nicht, sondern bewegten uns schon mal langsam in Richtung des 'Stadion Lokomotiv'. An einer Imbiss-Bude wollten wir uns etwas zu essen kaufen. Da die Tafel mit dem Angebotenen aber nur in kyrillischer Schrift gehalten wir und wir sowieso nicht wussten, was sich hinter den Namen der Speisen verbirgt, schielten wir einfach darauf, was der Typ vor uns bestellte und bedeuteten dem Grillmeister, dass er für uns dasselbe zubereiten möge. Das Ergebnis war irgendein Huhn-Gedöns mit Ei und genialer Knofelsoße im Fladenbrot. Lecker! Dazu zwei Dosen 'Kamenitza Lemon' und das ganze für 7,60 Lew, also 3,80 Euro. Hammer. Nach beendetem Mahl schlurften wir weiter zum Stadion des 1926 gegründeten Eisenbahner-Vereins, der ja doch eher im Schatten des Lokalrivalen und beliebteren Vereins 'Botev' steht.
Es strömten schon einige Personen mit schwarz-weißen Fanartikeln bewaffnet auf das Stadiongelände, was Hoffnung auf einen vernünftigen Besuch hoffen ließ. Die offizielle Zuschauerzahl wer dann aber nur 1.550 wobei ich auch in diesem fall behaupten würde, dass ein paar hundert mehr im Stadion gewesen sind. Das 'Stadion Lokomotiv' fasst knapp 11tsd Zuschauer und hat eine Hufeisenform, da die nördliche Kurve wegen Baufälligkeit abgerissen werden musste. Der Verein hat hochtrabende Umbaupläne, allerdings sind Zweifel angebracht, dass diese in naher Zukunft umgesetzt werden. Da der Lorenz schön vom Himmel runter knallte, entschieden wir uns für Tickets für die überdachte Tribüne zum Kurs von 11 Lew. Auf der gegenüberliegenden Geraden stehen die aktiven Supporter. Und auch hier wurde ungeniert mit der rechten Gesinnung zuzuordnenden Parolen hantiert. Ins Auge fiel ein großes Zaun-Banner mit der deutschen Aufschrift "Gott mit uns". Zwar wurde dieser Ruf auch schon im römischen Reich verwendet, aber die Tatsachen, dass dieser Spruch auch von der 'Wehrmacht' benutzt wurde, in deutscher Sprache auf der Fahne stand und zu dem von einem Reichsadler geziert wurde, lassen wohl keine zwei Deutungen zu. Der Hang der Kurven zum rechten Gedankengut ist so ziemlich das einzige, das mir in Bulgarien nicht gefällt. Entgegen meiner Erwartung waren sogar ein paar Fans der Gäste anwesend, die eine Fahne an den Zaun hängten, sich ansonsten aber nicht bemerkbar machten. Der Kick begann mit einem Paukenschlag. Nach einem Querpass in der Gäste-Deckung spielte der Verteidiger den Ball ungenau auf den Keeper zurück, worauf sich ein Stürmer der Gäste auf den Weg machte. Der Schnapper hätte den Ball locker vor dem Stürmer erreicht, zog sich aber lieber in seinen Kasten zurück. Der Stürmer erlief den Ball, drang in den Strafraum ein und wurde dort von einem zurückeilenden Verteidiger umgestoßen. Elfmeter und rote Karte in der zweiten Spielminute. Schön dämlich. Zur Belohnung gab es das Gegentor noch obendrein. Zwanzig Minuten später fiel das zweite Tor für Lokomotiv und die Wiese schien gemäht, der Drops gelutscht und die Kuh gemolken. Aber kurz nach Wiederanpfiff erzielte Slavia den Anschlusstreffer, was die paar Jungs in der Kurve gar zu zarten "Slavia"-Rufen animierte. Konnten sie aber gleich wieder mit aufhören, denn nur zwei Minuten später wurde der alte Torabstand wieder hergestellt und nun war das Ding wirklich gelaufen. Die Gastgeber vergaben noch eine unfassbare Anzahl an Chancen, das Ergebnis zu schönen. Der Support war für die Anzahl an Zuschauern ganz ordentlich. Ein paar Mal wurde es sogar richtig laut. Nach dem Spiel gab es im Fan-Shop noch ein schickes Polo-Shirt für nen kleinen Lew. Zur Abwechslung hatten wir nun mal wieder Hunger und liefen in Richtung des Stadtzentrums, was in aller Ruhe eine knappe halbe Stunde erforderte. Über den kleinen Marsch besiegte aber der Durst das Hungergefühl und wir betraten eine kleine Bar, um zwei 'Kamenitza' die Kehle hinunter zu senden. Von dort liefen wir weiter in Richtung Zentrum und kamen an einem modernen Gebäude vorbei, in dem rustikal wirkendes Restaurant untergebracht war. Also einfach mal rein da. Kurz nach dem wir uns an einen der gesetzt hatten, brachte der Kellner zwei leere Biergläser an den Tisch, was ihm irritierte Blicke unsererseits einbrachte. Doch er wusste das Rätsel zu lösen, indem er uns auf den Zapfhahn hinwies, der an jedem Tisch aus der Wand ragte. Geilomat. Bier zum selber zapfen. Aus dem Hahn lief das hauseigene Gebräu - ein trübes Helles, etwas herb, genauso wie ich es mag. Sehr gut. Zu jedem Hahn gehörte ein digitales Zählwerk. Erinnerte ein wenig an eine Tankstelle. Bis zum Verlassen des Etablissements rangen wir dem Lagertank punktgenau vier Liter ab. Die ganze Nummer zum Preis von 6 Lew je Liter. Dazu gab es zwei lokale Hackfleisch-Gerichte. So ließ es sich leben. Satt und zufrieden führte unser Weg nur noch ins Guesthouse und schon gegen 23:00 ins Bett.
Mo. 21.10. - Sightseeing Plovdiv & Sofia
Heute ließen wir es ruhig gehen und krochen gegen 9:00 aus der Kiste. Vor der Rückreise wollten wir uns noch ein wenig mit Plovdiv beschäftigen, da uns bekannt war, dass dieses recht sehenswert sein soll. Mit knapp 350tsd Einwohnern ist die Stadt die zweitgrößte Bulgariens. Ähnlich wie Sofia hat Plovdiv prinzipiell eine Jahrtausende alte Geschichte. Diese Tatsache betrifft aber ganz Bulgarien, da diese Region ja ungefähr dem altertümlichen Thrakien entspricht, dass je nach Eroberung oder Verlust bis weit in die heutige Ukraine reichte. Aber das ist ne andere Story. Interessant wird der Zeitstrang für Plovdiv ungefähr 350 Jahre v. Chr. als Philipp der II. von Makedonien (übrigens der Daddy von 'Alexander dem Großen' - das war der mit den Elefanten) mit seiner Streitmacht nach Thrakien zog und dieses unterwarf. Dieser gründete auf Basis der vorhandenen Siedlungen das heutige Plovdiv, damals 'Philippopolis'. Er benannte die Stadt als nach sich selbst. Ganz cool eigentlich. Ich sollte auch Essen unterwerfen, dann hieße die Stadt künftig Michaelopolis und der ganze Pöbel ginge nicht mehr zu RWE, sondern zu RWM! Kurz vor Christi Geburt war es aber vorbei mit den Makedoniern, da auch die Römer Gefallen an Thrakien fanden und dieses eroberten. Die brachten auch gleich einen neuen Namen mit und ab sofort hieß die Stadt, bezogen auf die drei Hügel, auf denen sich heute die Altstadt befindet, 'Trimontium'. Hier liegt nun der Schlüssel für die heutigen kulturellen Schätze, denn die Römer hinterließen der Stadt einige typische Bauwerke und Einrichtungen, die allerdings erst einmal mühsam ausgegraben werden müssen oder mussten. Wie schon erwähnt blickt Bulgarien auf eine bewegte Geschichte zurück, da die verschiedenen Völker Europas und Vorderasiens über die Jahrhunderte Anspruch auf das Land erhoben. Von diesen Einflüssen war natürlich auch Plovdiv in jeder Epoche betroffen. Die Osmanen gaben der Stadt den Namen 'Filibe' (angelehnt an Philippopolis) und im 15.Jahrhundert tauchte dann erstmalig der Name Plovdiv auf, der sich wiederum an slawischen Ursprüngen orientiert. Wir starteten gegen 10:00 und latschten erst einmal die Fußgängerzone entlang. Die Jacken hätten wir getrost in der Unterkunft lassen können. Es war richtig warm draußen in der Sonne. Zum nördlichen Ende der Einkaufsstraße ist ein Teil des römischen Stadions freigelegt und restauriert, das man zwar einsehen aber nicht betreten kann. Mann muss sich das mal vorstellen: Da liegt unter Fussi-Zone auf knapp 200 Metern Länge ein riesiger 'circus maximus', also eines dieser typischen römischen Stadien in Hufeisenform, für 30tsd Zuschauer und die Bulgaren merken nix und bauen im Laufe der Zeit ne komplette Stadt darüber. Auf jeden Fall sehr beeindruckend, wenn man seine Vorstellungskraft zu Hilfe nimmt und sich das Ausmaß vorstellt. Direkt daneben befindet sich die 'Dzhumaya-Moschee' aus dem 14. Jahrhundert. Weiter ging es nun in die Altstadt, deren Häuser zum Großteil aus der Epoche der 'Nationalen Wiedergeburt', aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammen. Die Altstadt liegt, wie bereits erwähnt auf drei Hügeln, die dicht beieinander liegen. Die Straßen sind mit grobem Kopfsteinpflaster angelegt. Auf dem nördlichen Hügel findet man Überreste einer alten Zitadelle, von der man einen phantastischen Blick über das ganze Stadtgebiet hat. Am südlichen Rand der Altstadt befindet sich das antike Amphi-Theater aus römischer Zeit. Dieses wurde erst Anfang der 70er Jahre bei Ausgrabungen entdeckt und bot Platz für 7tsd Zuschauer.
Für uns war es nun Zeit, nach Sofia aufzubrechen. Also kurz das Gepäck aus der Unterkunft geholt und zum Bahnhof gestratzt. Für die Rückfahrt hauten wir mal richtig einen raus und gönnten uns für den megakrassen Zuschlag von umgerechnet 1,15 Euro die Reise in der 1.Klasse. Nachdem die Schaukel losgefahren war und der Schaffner alle Personen, die kein Ticket für die 1.Klasse besaßen, aus dieser entfernt hatte, hatten wir unser Abteil für uns und damit ausreichend Platz, um uns breit zu machen. Und wieder ging es durch diese schöne Gebirgslandschaft. Man sah aber auch immer wieder große Fabrikgebäude, die vor sich hin gammelten. Die wenigsten waren noch bewirtschaftet. Auch ein Merkmal ehemaliger Volksrepubliken. Die wenigsten staatlichen Betriebe haben die Privatisierung überlebt. Wenn man sich Sofia aus östlicher Richtung nähert, baut sich im Westen und Südwesten hinter der Stadt das 2300 Meter hohe 'Vitosha'-Gebirge auf, das die ganze Kulisse zur jetzigen Jahreszeit mit seinen schneebedeckten Gipfeln beherrscht. In Sofia angekommen liefen wir wieder ins Stadtzentrum zurück. In der Fußgängerzone tranken wir in Ruhe einen Kaffee in einem Straßen-Café. Danach spazierten wir noch einmal zur 'Aleksander-Nevski-Kathedrale', die wir uns noch in Ruhe von innen ansahen. Ich war zwar vor zweieinhalb Jahren schon darin, aber es ist wirklich ein sehr interessanter, beeindruckender Bau. Außerdem setze ich mich gern mal in imposante Gotteshäuser und lasse meine Seele baumeln. Auch interessant zu beobachten, wie intensiv manche Orthodoxe ihren Glauben in ihren Gebeten leben und wie sehr der Wunsch nach Ruhe und Besinnung respektiert wird. Obwohl sich mehrere Personen in der Kirche aufhielten, war es zu jeder Zeit mucksmäuschenstill. Von der Kathedrale fuhren wir nun mit der Metro in Richtung Flughafen. Dort hatte ich für die kurze bevorstehende Nacht ein Hotel für 78 Lew (39 Euro) inklusive Abendessen gebucht. An der Station 'Mladost III' stiegen wir aus und mussten eigentlich 'nur' ein Wohngebiet durchqueren. Allerdings war die Sache komplizierter als es auf der Karte aussah und wir mussten einen ziemlichen Bogen laufen. Das Wohnviertel selbst mit seinen Plattenbau-Klötzen war das klassische Relikt der Volkswirtschaft. Nach einer halben Stunde war dann das 'ATM-Center-Hotel' erreicht. Die Zimmer waren preisgerecht. Die Schimmelkulturen in der Duschtasse dachten wir uns einfach weg, dann passte das schon. Nach dem Essen und zwei Bier im Hotel-Restaurant begaben wir uns dann gegen 21:30 Uhr auch schon ins Reich der Träume, da wir um kurz nach halb fünf wieder aufstehen mussten. Wenn ich früh aufstehen muss, läuft allerdings meine innere Vorsichts-Uhr und der Schlaf ist eher leicht. Da die ganze Nacht das Summen einer technischen Einrichtung zu hören war, entwickelte sich eher ein Phasen-Schlaf. Im Hotelpreis enthalten war auch noch der Transfer zum Flughafen, den wir um Viertel nach fünf erreichten. Leicht verspätet hob der Vogel ab und landete aufgrund der Zeitverschiebung bereits um kurz nach acht in Dortmund.
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"Stell Dir vor, Du bist RWE-Fan. Da kannst Du jeden Tag nur noch saufen."
(Manni Breuckmann)
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