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14.-17.03.2013 --- Einmal Persischer Golf, bitte!
Nachdem die Marokko-Nummer im Januar gecancelt wurde, galt es noch ein paar Tage Resturlaub zu verdaddeln. Da kam mir das Angebot von Turkish Airlines grad recht. Für 182 Euro von Amsterdam nach Kuwait, dazu noch mit der besten Airline Europas – da gab es nix zu meckern. Da ich mir ja nicht so schlüssig war, ob die Golf-Region für mich grundsätzlich ein ansprechendes Ziel darstellt, schien so ein Drei-Tage-Schnupperkurs genau das Richtige, um diese Frage zu klären. Die üblichen Internet-Quellen, die zum Check für außereuropäische Ziele befragt wurden, wussten übereinstimmend von entsprechenden Spieltagen zu berichten, also wurde der ‚Buchen’-Button betätigt. Einzig die Informationen über die Spielorte blieb widersprüchlich, aber da der bebaute Teil des Wüstenstaats ja eigentlich 'nur' aus Kuwait City und Agglomeration besteht, sollten zwei bis drei Spiele schon zu realisieren und die Stadionfrage vor Ort zu klären sein. Also verließ ich am Donnerstag-Mittag meinen Arbeitsplatz und begab mich gen Amsterdam. Da die Parkplatzkosten flughafentypisch exorbitant hoch waren, stellte ich den Wagen im benachbarten Hoofddorp ab und fuhr für 2,10 Euro eine Station mit dem Zug. Der Flieger strebte pünktlich in den Abendhimmel. Middle East calling.
Fr. 15.03. 17:10 - Al Tadhamon SC vs Al Shabab SC… dachte ich zumindest
Die erste Etappe zum 'Atatürk Airport' in Istanbul war megaätzend. Ich hatte auf den Online Check-in verzichtet, da Plätze am Notausgang nur am Schalter eingecheckt werden können. Der Poker ging nicht auf. Stattdessen blieb mir ein ungeliebter Mittelplatz, der den Flug zur Tortur machte. Es wird echt langsam Zeit, dass mir einen eigenen Jet zulege. Die relativ kurze Transitzeit verdünnte ich mit einem gezapften 0,7er Efes. Endlich mal ne vernünftige Gebindegröße. Der Flieger nach Kuwait war dann maximal halb voll. Hierfür hatte ich den ersehnten Platz am Exit. Schlaf trat trotzdem eher schlecht als recht ein. Entsprechend gerädert kam ich um 5:30 Ortszeit am Kuwait International an. Deutsche Staatsbürger bekommen ein ‚Visa on Arrival’. Dem ebenfalls anwesenden Geldautomaten wurden 40 Kuwaitische Dinar entlockt (1 KWD = ca 2,70 EUR), von denen drei gleich wieder in die Visa-Gebühr investiert wurden. Die Ausstellung ist komplett unkompliziert, wenn man davon absieht, dass das System … nun ja … irgendwie orientalisch anmutet. Nachdem der Stempel in den Pass geknallt worden war, suchte ich mir eine ruhige Bank und legte mich noch eine Stunde ab. Wirkliche Erholung brachte das natürlich nicht, aber um halb sieben morgens in Kuwait City aufzukreuzen, hätte wohl auch wenig Sinn gemacht. Kurz die Zahnbürste durch die Keramik gefiedelt, das Schnäuzchen gewaschen und raus aus dem Flughafen. Die Taxi-Mafia legte Zurückhaltung an den Tag. Wenn man hier auf die Taxi-Frage ein freundliches ‚No’ flötet, wird man auch tatsächlich in Ruhe gelassen. Direkt neben dem Taxistand befindet sich die Bushaltestelle. Der Mann am Ticketschalter war ob meiner Frage nach dem korrekten Bus derart begeistert, dass er direkt aus seinem Kabuff kam, mir die Hand schüttelte und mich persönlich zum richtigen Bus brachte. Linie 501 fährt vom Airport zur zentralen ‚Mirqab Bus Station’. So sagt es das Internet und der Lonely Planet für Middle East. Tut er auch definitiv, aber mein Betreuer bestand darauf, dass ich in die Nummer 13 steige. Die fährt zwar laut später organisiertem Linienplan gar nicht bis zum Airport, aber der Bus stand trotzdem dort. Busfahren kostet egal für welche Strecke pauschal 250 Fils. Steigt man um, muss man allerdings neu lösen. Die Stückelung der Währung unterhalb einem Dinar besteht nicht aus Zehner- sondern Hunderter-Schritten. Ein Dinar entsprechen also 1000 Fils. Der Busfahrer eierte so gen Kuwait City; immer wenn mal einer am Straßenrand winkte, durfte er auch einsteigen. So füllte sich die Möhre ziemlich. Erste Erkenntnis: Öffentliche Verkehrsmittel sind Männersache. Wenn mal eine weibliche Person zusteigt, sitzt sie in der vorderen Reihe. Es ist schon nicht zu übersehen, dass man sich in einem islamisch geprägten Land befindet. Frauen tragen fast ausschließlich Kopftuch. Vollverschleiert sieht man aber die wenigsten. Die Öffentlichkeit ist deutlich männlich geprägt. Die Rolle der Mädels scheint also doch eher die häusliche zu sein. Sehr selten bemerkt man eine leise Öffnung zu Mäßigung. Junge Frauen bewegen sich deutlich freier als ältere. Die Bevölkerung Kuwaits besteht aber bei weitem nicht nur aus Einheimischen. Der männliche Teil besteht zu einem gesunden Teil aus Einwohnern Pakistan, Bangladeschs und Sri Lankas. Die öffentlich wahr genommene weibliche Bevölkerung ist sehr oft philippinisch. Diese Nationalitäten erledigen die schlechter bezahlten Jobs in Kuwait, vorrangig im Baugewerbe oder Dienstleistungssektor.
Im Emirat Kuwait, das erst 1961 von Großbritannien unabhängig wurde, leben knapp drei Millionen Menschen. Davon sind aber nur etwa ein Drittel auch tatsächlich kuwaitischer Herkunft. Da das Land wie alle Golf-Anrainerstaaten aufgrund der Ölvorkommen sehr reich ist, kann man erahnen, dass eine breite Bevölkerungsschicht viel bis sehr viel Geld hat. Deutlich zeigt sich das an den im Straßenverkehr bewegten Fahrzeugen. Da ist alles dabei was der Luxusmarkt hergibt. Der Spritpreis liegt bei umgerechnet circa 20 Euro-Cent pro Liter. Aber auch die nicht zu den Reichen zählende Bevölkerung muss sich keine Sorgen machen, denn diese ist umfassend abgesichert. Gesundheitssystem, Sozialversicherung, Schulpflicht usw... alles kostenlos. Entsprechend sieht man auch keine Bettler oder Obdachlose auf den Straßen. Weiterhin resultiert aus diesem Luxus, dass Kuwait ein sehr sicheres Land ist, da kein Mensch einen wirklichen Grund hat kriminellen Machenschaften nachzugehen. Vom Ballungsraum um die Hauptstadt Kuwait-City abgesehen, besteht das Land fast vollständig aus Wüstenlandschaft. Kuwait-City hat nur knapp 60tsd Einwohner. Trotzdem hat man den Eindruck man fährt in eine Millionen-Stadt. Das liegt daran, dass die umliegenden Städte ruhrgebietsähnlich ineinander gewachsen sind, so dass ein großes bebautes Gebiet entstanden ist. Hier wird an allen Ecken und Enden weitergebaut. Überall schießen neue Bauten in die Höhe. Das Stadtbild von Kuwait-City ist durch Wolkenkratzer geprägt, die allerdings bei Weitem nicht das Niveau von Dubai erreichen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. So soll am nördlichen Ende der Bucht von Kuwait eine Planstadt für 700tsd Menschen entstehen. Herz dieser Stadt soll der 1001 Meter hohe Wolkenkratzer 'Burj Mubarak al-Kabir' werden, der dann das höchste Gebäude der Welt wäre. Die Fertigstellung war eigentlich schon für 2016 geplant, man hat aber aufgrund der weltwirtschaftlichen Lage den Baubeginn noch gescheut und wartet ab. Auf jeden Fall will Kuwait Gas geben. Die Frage ist nur, wo die Reise hinführt. Der Luxus des Landes, wie der ganzen Golf-Region, ist ja endlich. Annähernd 95% der Einnahmen des Landes sind vom Erdöl abhängig. Irgendwann ist der letzte Tropfen Öl aus dem Boden geholt, dann müssen sich die Herren Scheichs was einfallen lassen.
Der Bus fuhr mich also nach Kuwait-City, wo die höchsten Bauten des Landes zu finden sind. Zwischendurch aber immer wieder Brachflächen und verranzte Ecken. Dazu wirkt alles recht vermüllt. Auch der orientalische Eindruck ist sofort da. Überall sitzen Männer zusammen, quasseln im Kreis und trinken Tee. Auch die typischen Hälse der Wasserpfeifen sieht man oft genug. Da mir meine europäische Herkunft ‚ein wenig’ anzusehen ist, kam ich mit jedem wechselnden Sitzpartner ins Gespräch. Auf die Frage nach meiner Herkunft, folgte immer die, wo ich denn in Kuwait arbeite. Der normale Europäer befindet sich offenbar ausschließlich beruflich in Kuwait. Dass ich als Tourist anwesend bin, konnte keiner nachvollziehen. Am ‚Mirqab’ war Endstation. Es war nun grob 8:00 und das Thermometer zeigte schon locker 30 Grad. Kuwait ist der MEZ zwei Stunden voraus und die Sonne geht in dieser Jahreszeit gegen etwa 6:00 auf und um 18:00 unter. Schon schön, den großen Gasballon überhaupt mal wieder zu sehen und auf der Haut zu spüren. Vom Busbahnhof zum Hotel waren es nur zehn Minuten Fußweg. Das Hotel ‚Oasis’ war das Erwählte, nicht weil es so toll, sondern weil es das Günstigste war. Schlecht war es aber auch nicht. An deutschen Maßstäben gemessen hatte es 3-Sterne-Qualität. Während die Lebenshaltung in Kuwait günstiger ist als in Deutschland, kann einem bei den Hotelpreisen schon schwindelig werden. Für 65 Euro gab es das Zimmer mit Frühstück. Eine Nacht sollte reichen. Die zweite Nacht sollte wegen des frühen Rückflugs um 7:35 am Flughafen verbracht werden, auch wenn mir davor schon graute. Zu meiner Freude erklärte mir Ranjid (der hieß ausnahmsweise mal wirklich so), dass ich bereits einchecken könne, so dass ich mir im Zimmer noch eine Mütze Schlaf gönnte. Obwohl ich mich wirklich kaputt fühlte, gelangte ich aber nur in den Dös-Modus. Also um 11:00 raus aus den Federn und ab Richtung Strand. Der Weg führte mich eine gute Dreiviertelstunde durch die Stadt. Viele moderne Gebäude stehen dort und weitere werden dazukommen. Kaum eine Straßenecke ohne Baustelle, an der ein hohes verspiegeltes Haus hochgezogen wird. Ich passierte den 'Al Hamra Tower', einen 413 Meter hohen verspiegelten Wolkenkratzer in gewundener Form erbaut. Dieser ist das höchste Gebäude des Landes. In einem kleinen Shop kaufte ich mir ein paar Getränke. Alles supergünstig. Das 0,5er Wasser oder eine Dose Pepsi kosten 150 Fils. Mit dem freundlichen Ladenbesitzer kam ich ein wenig ins Gespräch. Englisch, zumindest das Nötigste, kann in Kuwait übrigens beinahe jeder. Der Muezzin der benachbarten Moschee rief zum Freitagsgebet. Und während die (männliche) Bevölkerung ins Gotteshaus strömte, zog es mich an den Strand. Dort war es zum Glück recht einsam. Einzelne Familien grillten, aber jede Partei hatte locker 50 Meter Strand für sich. Ins Wasser trauten sich aber nur die Kinder. Und der dumme Deutsche natürlich. Also Brocken aus (Badeshorts natürlich anbehalten) und rein in den Tümpel. War gar nicht mal so warm, aber es tat unglaublich gut und war willkommene Abwechslung zum winterlichen Klima in heimischen Gefilden. Noch ein gutes Stündchen im Schatten gefaulenzt – in der Sonne wär ich bei mittlerweile 35 Grad wohl geschmolzen – und dann wollte ich die benachbarten Kuwait Towers, ein Ensemble von drei Türmen, erklimmen. Die beiden 185 Meter und 145 Meter hohen Türme dienen als Wasserreservoir. Im höheren befindet sich zusätzlich die Aussichtsplattform. Der dritte Turm, eine 113 Meter hohe Nadel, dient lediglich der Illumination der anderen beiden. Dort angekommen bemerkte ich das einzige Mal während meines Aufenthalts einen Anflug von Tourismus, da einige Leute vor den Türmen für Fotos posierten. Der Pförtner wusste zu berichten, dass der Turm für Besucher momentan wegen Renovierung gesperrt ist. Tolle Wurst. Also latschte ich die Küste entlang bis ich mich wieder in Höhe meines Hotels befand. Dann links abgebogen, kam ich an der größten Moschee Kuwaits vorbei, die 8tsd Gläubigen Platz bietet. Ich hatte gelesen, dass man diese besichtigen kann, also fragte ich direkt mal den Pförtner, wann dieses möglich sei. Antwort: „From Sunday to Thursday only.“ Na toll, irgendwie schien mir kein Gebäude der Stadt Einlass gewähren zu wollen. Wieder ein Punkt von der Sightseeing-Liste gestrichen.
Im Hotel kurz ein wenig frisch gemacht und dann stand der erste Spielbesuch an. Dem Rezeptionisten hielt ich noch zwei Rufnummern des gastgebenden Vereins unter der Nase, mit der Bitte, mit einem Anruf die Ansetzung zu bestätigen. Nahm aber keiner ab. Was soll’s – hin da. Also zum ‚Mirqab’ gelatscht, wo mir Linie 21 zugeteilt wurde. Die Einstellungskriterien für Busfahrer in Kuwait scheinen übrigens ‚Hupen’ und ‚Rasen’ zu sein. Alter Schwede, hängen die teilweise am Gas. Zwanzig Minuten später sprang ich aus dem klapprigen Gefährt, als die Flutlichtmasten des ‚Al Tadhamon Stadium’ auftauchten. Hier sollte um kurz nach 17:00 nachmittags der Al Tadhamon Sports Club den Al Shabab Sports Club zum Zweitliga-Kräftemessen empfangen. Auf dem Rasen des Stadions herrschte schon reges Treiben – das sah doch gut aus. Auf freundliche Nachfrage bekam ich Einlass. Hm, das Aufwärmprogramm sah aber irgendwie nach Training aus. Also mal einen Betreuer gefragt. Dieser schaute auch recht überrascht aus der Wäsche. Fußball heute? Nein, das Spiel sei doch morgen. Ich erlaubte mir den Einwand, dass die verfügbaren Quellen von einer heutigen Ansetzung sprachen. Antwort: "Ja, mal ist es so, mal wieder so". Man wüsste es halt nie so genau. Wenn es für mich nicht so traurig gewesen wäre, hätte ich mich herrlich darüber amüsieren können. So stelle ich mir den Orient vor. Aber meine Einstellung ist bekannt – Dinge auf die ich keinen Einfluss habe, verärgern mich nicht mehr groß. Also mal das Stadion in Ruhe abgeknipst. Schade, hier hätt ich gern ein Spiel gesehen. Die Spielstätten Kuwaits ähneln sich alle sehr. Beinahe alle verfügen über eine Laufbahn, eine überdachte Haupttribüne und ein Fassungsvermögen von circa 20tsd. Diese hier unterschied sich dahingehend nicht. Allerdings war die Dachkonstruktion in ihrer gebogenen modernen Form eine andere. Nun, half alles nix. Ich schaute mir noch die letzten zwanzig Minuten des Jugend-Pokalspiels auf dem Nebenplatz an und schlich anschließend von dannen. Mittlerweile war es nach 18:00 und mein Magen meldete sich. Die letzte Mahlzeit fand noch im ersten Flieger vor etwa 24 Stunden statt. Bei dieser Hitze entwickelt man ja keinen Hunger. Die fette ‚Airport Road’ überquert und mal ins angrenzende Wohngebiet geschlagen. Einfach um mal zu sehen, wie das Volk außerhalb der Downtown so wohnt und um was Essbares zu finden. Vor einer Autowerkstatt saßen zwei Männer und ein Junge und tranken Tee. Einer der drei schaute mich an und sagte etwas. Ich fühlte mich angesprochen und fragte etwas zurück. Zehn Sekunden später saß ich in der Runde und hatte einen Tee vor mir stehen. Einmalig, die Leute hier. Das aufgrund nur geringer gemeinsamer Sprachkenntnisse etwas magere Gespräch drehte sich vorrangig um Fußball. Ballack gut, Breitner gut, Bayern Munich geht. Naja, geht so, aber ich wollte es mir mit meinen neuen Bekannten ja nicht verderben. Auch hier wieder totale Verwunderung was einen Europäer nach Kuwait treibt, wenn er hier keinen Job zu erledigen hat. Die anspruchsvolle Aufgabe, mein Hobby zu erklären, ersparte ich meinen Gastgebern und mir. Ich bedankte mich höflich für den Tee, verabschiedete mich per Handschlag und lief weiter. Zwei Straßenecken weiter entdeckte ich dann endlich den Kebap-Grill meines Vertrauens. Ein paar geniale Chicken Kebap-Spieße mit Pommes und Salat wurden für 2 Dinar geordert und schmeckten vorzüglich. Abgerundet wurde das Ganze durch einen frisch gemixten Kiwi-Juice für 700 Filzläuse. Saftstände gibt es sehr viele und sind nur zu empfehlen. Alle möglichen frisch zubereiteten Säfte werden für wenig Geld angeboten und schmecken vorzüglich. Nach dem Mahl ging ich wieder zur Airport Road, um den Bus zurück nach Kuwait City zu nehmen. Als ich um die Ecke biege, sehe ich das Flutlicht brennen. Also die paar hundert Meter noch einmal abgespult. Doch im Ground saßen nur ein paar alte Männer. Es blieb dabei – heute kein Fussi. Ein Typ im Trainingsanzug, dem ich noch über den Weg lief, bestätigte das. Warum aber das Licht ansei, wusste er auch nicht. Bus Nummer 21 brachte mich wieder zum ‚Mirqab’. Mittlerweile war ich hundemüde. So reichte es nur noch zu einem Gang zum direkt neben dem Busbahnhof befindlichen ‚Liberation Tower’ und einen kleinen Schlenker durch den ‚Souq’, den alten Basar. So verschlafen wie die Stadt am Morgen und Mittag war, so wuselig und hektisch wirkte nun alles. An jeder Ecke hatte irgendwer etwas zu verkaufen. Alles rief, lief und fuhr durcheinander. Und irgendwie verkauft auch jeder den gleichen Schrott. Stoffe, Uhren, Schmuck, Elektronik und das ganze wieder von vorn. Als Träger einer kurzen Hose ist man übrigens auch etwas Besonderes. Beinahe alle tragen trotz der Hitze lange Hosen. So zieht man teilweise allein wegen kurzer Beinkleider erstaunte Blicke auf sich. In einem kleinen Shop erwarb ich noch zwei Dosen alkoholfreies Bier und verzog mich ins Hotel. Alkohol ist in Kuwait nicht zu bekommen, zumindest nicht offiziell, und ich vermisste es eigentlich auch nicht. Und man glaubt es kaum – in dieser Hitze schmeckt selbst bleifreies Bier ganz gut. Im Zimmer angekommen bekam ich irgendwie einen leichten Reisekoller. Das verpasste Spiel enttäuschte mich doch irgendwie, dazu schien mir diese Region, bei aller Freundlichkeit der Menschen, irgendwie nicht so mein Ding zu sein. Der Rücken und die Füsse schmerzten von der ganzen Rennerei wie Sau. Am liebsten wär ich sofort abgereist. Dazu die Aussicht, nach dem morgigen Tag, mit sicherlich viel Rumlatscherei nicht weniger anstrengend als der heutige, irgendwie eine Nacht herumbringen zu müssen und danach noch mehr im Arsch zu sein als jetzt, gab der ganzen Sache den Rest. Da war man also mal wieder an einem Punkt, an dem man sich fragt, warum man die ganze Scheiße eigentlich macht. Also tat ich das wohl einzig Richtige. Ich buchte mir über eine Online-Plattform für die zweite Nacht noch ein Zimmer. Für 67 Euro konnte ich einen 4-Sterne-Schuppen, die ,Mirage Suites', direkt an der Küste in Hawally, ein paar Kilometer südlich von Kuwait City, ergattern. Dazu lag es ganz gut zu den für den kommenden Tag kommunizierten Spielorten, wenn denn Anstoßzeiten und Austragungsorte so stimmten. Mit dieser Buchung stieg dann die Laune auch gleich wieder und ich fühlte mich besser. Noch ein bisschen im Netz gesurft und dann übermannte mich endlich der Schlaf.
Sa. 16.03. 17:10 – Al Kuwait SC Club vs Al Jahra SC 2:0 (Kuwait Premier League), 300 Zuschauer (? Gäste)
Sa. 16.03. 19:40 – Al Qadsia SC vs Al Arabi SC 2:1 (Kuwait Premier League), 2.500 Zuschauer (1.500 Gäste)
Irgendwann, gefühlt mitten in der Nacht, es war auf jeden Fall noch dunkel, riss er mich aus dem Schlaf: Der Muezzin! Ich mag dieses feierliche Gejaule ja irgendwie. Es erzeugt diese fremdartige, orientalische, irgendwie mystische Atmosphäre. 100 Prozent ‚Ali Baba-Feeling’! Nach einigen Minuten hatte sich der gute Mann aber beruhigt und ich machte die Augen wieder zu. Um 9:00 Uhr stand ich dann gut erholt auf und war auch wieder voller Tatendrang. Der kleine Depri-Teufel hatte sich offensichtlich verzogen. Zum Frühstück gab es fürchterlich scharfes Zeug vom Buffet. Mal was anderes. Beim Einschlafen hatte ich mir noch die Taktik für den Tag überlegt. Da es ja keine aktuelle einheimische Internet-Quelle mit den Ansetzungen gibt und die internationalen Seiten nicht hundert Prozent zuverlässig schienen, stand heute ein kombiniertes Sightseeing-AnstoßzeitundSpielortherausfind-Programm an. Bedeutet, dass ich mir vorgenommen hatte, die in Frage kommenden Stadien abzuklappern und mich vor Ort von der Richtigkeit der Informationen zu überzeugen. Mit den guten Busverbindungen und der relativen Nähe der einzelnen Stadien, war das gut machbar. Dazu muss noch folgendes erläutert werden. Das Heimspiel von Al Kuwait sollte angeblich nicht in deren eigenem Stadion stattfinden, sondern in dem von Al Qadsia, die ja heute selber Heimspielen sollten. Qadsia wiederum sollte im Stadion von Salmiyah spielen. Kam mir natürlich völlig blödsinnig vor. Dazu fand ich noch eine arabische Fanseite von Al Qadsia, die zwar das heutige Spiel bestätigte, aber zu einer anderen Kick-off-Zeit als durch die vorherigen Quellen kommuniziert. Also war Eigeninitiative gefragt. Die Füße waren erholt und der Rücken wurde mit ner Ibu 800 betäubt, also los. Der erste Weg führte zum Liberation Tower, da ich irgendwo im Internet eine Info aufgeschnappt hatte, dass man diesen besichtigen kann und eine Aussichtsplattform existiert. Ich konnte die Empfangshalle auch problemlos betreten, nur war niemand dort, der mir hätte Auskunft geben können. Also mal ein wenig die Gänge abgelatscht bis mir irgendein Mokel über den Weg lief. Diesem mein Anliegen vorgeplärrt, doch die Antwort war wie gehabt: "Visiting only on national holiday" ... Läuft! Also irgendeinen der tausend Busse bestiegen, die am nahe der Downtown befindlichen 'Al Kuwait Sportsclub Stadium' vorbeifahren. Dort mal ungeniert ins Vereinsgebäude gewatschelt und befand mich auf einmal inmitten einer Gruppe in Scheichsgewändern gehüllter Personen, die sich dort auf bequemen Sofas breit gemacht hatten und mich irritiert musterten. Okay, ganz verständlich, die sitzen da wahrscheinlich ständig unter sich und erzählen sich das Neueste von der Kamelrennbahn und plötzlich steht da so ein Dödel aus Europa in kurzen Beinkleidern und Sonnenbrille auf der Nase. Ergo wurde ich einem Gespräch nicht würdig befunden und an die Bar verwiesen. Ich nahm es Ihnen nicht übel. Von Kamelrennen hab ich eh keine Ahnung. Die beiden Pakistani, die den Bardienst hatten, waren schon aufgeschlossener und spendierten mir erst einmal einen Tee. Außerdem bestätigten Sie mir, dass das Heimspiel eben nicht im eigenen Stadion sondern bei Al Qadsia stattfinden würde. Mit dieser Info im Gepäck ging es zurück in die City. An der vorletzten Station vor dem 'Mirqab' verließ ich das Gefährt und warf einen Blick auf ein altes Stadttor, das inmitten eines Kreisverkehres erhalten geblieben war. Von hier war es nur ein kurzer Weg zum 'Sadu House'. Dieses ist mit einem Baujahr um 1910 eines der ältesten Gebäude von Kuwait-City. Daran kann man ablesen, dass es sich um eine noch sehr junge Stadt handelt. Heute dient 'Sadu' als Museum. Viel Hoffnung hatte ich eh nicht, aber es offenbarte sich ein Wunder - das Museum war geöffnet!! Bei freiem Eintritt war ich der einzige Gast. Es dreht sich eigentlich alles um frühere Handwerkskunst, vorrangig das Weben. In zwanzig Minuten hat man auch alles gesehen. Von dort ging es weiter in Richtung 'Seif Palace'. In einer Kaffee-Bar gönnte ich mir aber zunächst zur Erfrischung einen Eiskaffee. Der 'Seif Palace' ist der Sitz des Emir und der Regierung von Kuwait. Kuwait ist eine sogenannte 'konstitutionelle Erbmonarchie'. Vereinfacht könnte man sagen, Kollege Emir ist zwar der Obermotz mit gewisser Entscheidungsgewalt, regieren kann er den Laden aber nur mit Hilfe und Beschlüssen seines Parlaments. Das Amt des Emirs wird von Generation zu Generation in der Familie weitergegeben. Grundsätzlich kann auch eine Frau die Position bekleiden. Hinsichtlich der traditionell-religiösen Zwänge ist der Emir aber in der Pflicht, so lange in seinem Harem rumzurödeln bis er einen männlichen Thronfolger präsentieren kann. Der älteste Teil des Palasts stammt aus dem 19.Jahrhundert. Allerdings wurde der Tempel in der zweiten Hälfte des 20.Jahrunderts um einige Gebäude erweitert. Den Palast zu fotografieren ist übrigens nicht erlaubt, klappt aber trotzdem. Ist wie mit dem Schwarzfahren - man darf sich nur nicht erwischen lassen.
Damit war das Sightseeing-Programm endgültig abgeschlossen. Kurz das im Hotel gelagerte Gepäck abgeholt und dann sprang ich in die Linie 18. Die fuhr heute aber nicht nach Istanbul sondern nach Hawally. Am 'Sabah al Salem Stadium' stieg ich aus. Wie es sich in einem ordentlichen muslimischen Land gehört gab es auch hier einen Pförtner, den ich interviewte ob hier heute eine Spiel stattfinden wird. Dieses sollte eigentlich der Fall sein. Zwar sollte nicht die Heimmannschaft Al Arabi spielen, sondern ein anderes Team sein Heimspiel hier austragen, aber die Gewissheit darüber würde wiederum dabei helfen, das Spieltags-Puzzle zusammenzufügen. Jedenfalls war er sich nicht sicher ob hier heute gespielt würde und auch nicht wo denn der Al Arabi SC spielen würde (nach meiner Info auswärts bei Al Qadsia bzw in Salmiyah). Während wir sprachen kam ein junger Mann vom Stadiongelände, den ich direkt mal in die Unterhaltung einband. Dieser wusste, das im Stadion gespielt werden würde. Da fiel plötzlich auch dem Pförtner auf geheimnisvolle Weise ein, dass ja ein Spiel ansteht. Nun fingen die beiden an, um die Anstoßzeit zu feilschen. Man einigte sich auf 18:00, was überhaupt nicht zu den eigentlich möglichen Kick-offs um 17:10 und 19:40 passte. War mir aber auch egal, da es mir je eh nicht um dieses Spiel ging. Also mal den Ground umrundet, in der Hoffnung jemanden zu finden, der mehr weiß. Und siehe da - für ein Spiel auf dem Nebenplatz machte sich gerade ein Jugend-Team von Al Arabi bereit. Ich stellte höflich meine Frage und war im Nu von dunklen Augenpaaren umringt. Einer der Rotzigen spurtete los und kam nach zwei Minuten mit der Info wieder, dass die Erste Mannschaft im 'Thamir Stadium' in Salmiyah antreten muss. Das passte. Weiter ging es wieder mit dem Bus ein paar Stationen zum 'Mohammed-al-Hamad Stadium' des Al Qadsia SC, heute voraussichtlich Heimspielstätte des Al Kuwait SC. Der Ablauf der Bestätigung ähnelte der vorherigen. Die Typen vor dem Stadion wussten nix. Also wieder rum um den Ground und in einen Trainingsraum eingedrungen. Irrtümlich war ich aber in der Box-Abteilung gelandet. Zum Glück hatten die Jungs aber keine schlechte Laune und einer marschierte mit mir zur Fußballabteilung. Wir stoppten an einem Raum, der eine große Fensterscheibe hatte. Durch die Tür sah ich hinter einem schweren hölzernen Schreibtisch einen Typen im Kaftan mit Sonnenbrille sitzen. Noch von außen frug mein Begleiter auf mich deutend irgendwas. Langsam erhaben nickend bedeutete der Herrscher über den Schreibtisch, dass ich eintreten dürfe. Seine zur Rechten und Linken sitzenden Lakaien bestätigten mir dann, dass das abendliche Spiel tatsächlich in Salmiyah über die Bühne gehen würde und im eigenen Stadion am späten Nachmittag der Hauptstadtclub sein Heimspiel ausrichtet. Damit war die Recherche abgeschlossen und ich spazierte zwanzig Minütchen zu meinem Hotel für diese Nacht. Da der heutige Tag noch heißer war als der vorherige, war ich gut aufgeheizt. Und da der Hotelschuppen ja direkt am Meer lag, war es nur logisch sich in die Badebuchse zu stürzen, die zwischen Hotel und Strand befindliche 'Arabian Gulf Street' zu queren und sich nochmal für zwanzig Minuten in die Fluten zu stürzen. Danach im Hotel kurz geduscht und dann musste ich wieder los zum Stadion.
Dort angekommen, stellte ich erfreut fest, dass schon ordentlich was los war. Bis ich merkte, dass der überwiegende Teil der Menschen nicht den Ground sondern den benachbarten Supermarkt aufsuchte. Bei freiem Eintritt offenbarte sich Im Stadion dann das befürchtete Bild - nur wenige verirrten sich auf den Rängen. Immerhin bat hier der schon deutlich enteilte Tabellenführer zum Spiel. Schien aber die wenigsten zu interessieren. Ob die Audience größer gewesen wäre, wenn der Kick in der eigenen Bude über die Bühne gegangen wär, bleibt blanke Spekulation. Um ein wenig herumzuknipsen, wollte ich den Innenraum betreten. Das gefiel dem anwesenden Militär aber nicht so gut und man wollte mich zurück auf die Tribüne schicken, als plötzlich der Commandante auftauchte und mich nach meiner Herkunft fragte. Das simple Wort 'Germany' öffnete mal wieder alle Türen. Ja, wenn ich aus Deutschland bin, sei ja alles kein Problem und ich dürfe mich gerne frei bewegen. Mann, was die Herkunft doch ein Privileg sein kann. Das 'Mohammed Al-Hamad Stadium' ist ein Stadion mit Umlaufbahn für 22tsd Leute. Haupttribüne überdacht, Rest ungeschützt. Wie bereits erwähnt sehen die Dinger in Kuwait alle sehr ähnlich und unspannend aus. Zu Spielbeginn verzog ich mich dann auf die Tribüne. Schön an fernen Ländern ist ja, dass man sich nichts zu Essen und zu Trinken holen muss, sondern dass das Catering von alleine auf die Tribüne kommt. So zogen auch hier einige Händler ihre Kreise und verkauften Wasser, Säfte, Cola, Kerne und Süßes. Das auf dem Rasen geboten war zumindest von Heimseite gar nicht mal so übel. Zumindest was die individuelle Technik angeht. Am Zusammenspiel darf durchaus noch gefeilt werden. Unumstrittener Star von Al Kuwait ist ein Brasilianer mit dem klangvollen Namen Rogério des Assis Silva Coutinho, kurz Rogérinho, der bereits seit 2008 im Verein ist. Technisch ja auch wirklich nicht schlecht, der Knabe. Allerdings ruhte er sich auf seinem Können nach jeder gelungenen Aktion auch einige Minuten aus. Möglicherweise wäre der Mann in der Lage auch in Europa irgendweo unterzukommen, wenn er ein wenig mehr Einsatz zeigen würde. Mir ist es jedenfalls unverständlich wie man damit zufrieden sein kann, Jahr für Jahr in Kuwait vor leeren Rängen einigermaßen sinnlos rumzubolzen. Das Konto mag ja ansprechend gefüllt sein, aber wenn sich durch ein Engagement in einem international höchstens drittklassigen Land schon Befriedigung einstellt, dann Gute Nacht, Herr Major. Nach ein wenig Getänzel, an der Entstehung zum 1:0, einem 25-Meter-Strahl in den Giebel, war der feine Herr auch beteiligt, war der Arbeitstag nach 60 Spielminuten beendet. Herr des Assis Silva Coutinho verschwand umgehend in der Kabine und ward nicht mehr gesehen. Die Gastmannschaft war über die gesamte Spielzeit unterlegen. Mit ein wenig mehr Konsequenz hätte es ein Gemetzel geben können, so fiel aber lediglich kurz vor Ende das 2:0 durch einen direkt verwandelten Freistoß aus spitzem Winkel. Ob das so gewollt war? Zu großer Form lief noch der Referee auf, der in einem wirklich fairen Spiel in den letzten zehn Minuten bestimmt zehn gelbe Karten verteilte. Im Stadion befanden sich knapp 300 Leute. Und die Zahl hab ich mir wahrscheinlich immer noch schön gerechnet, aber mit Verkäufern, Militär und Balljungen wirds schon passen. Natürlich waren fast ausschließlich Männer anwesend. Ich konnte lediglich eine Frau ausmachen, die ich nach Kleidung und ihrem Äußeren mal Herrn de Assis Silva Coutinho zuordnen würde. Support gabs auch. Eine zwanzigköpfige Gruppe unterstütze die nominelle Heimmannschaft. Man darf sich das aber nicht vorstellen wie in anderen Teilen der Welt. Ein paar Schlaginstrumente und ein Megafon waren die maßgeblichen Werkzeuge. Durch das Megafon plärrte ein Vorsänger muezzinähnliche Gesänge, die von den anderen nur klatschend begleitet wurde. Ab und an hielt der Muselmanen-Capo den Sprechschnüsel irgendwem anderen unter die Nase, der den Gesang dann fortsetzte. In Kumulation ergab sich eine Mischung aus Sambaklängen unterlegt von Geräuschen als ob man einem paarungsbereitem Elch in die Kronjuwelen tritt. Nach diesem optischen wie akustischen Schmaus hieß es schnellstens den Weg nach Salmiyah zu Spiel Nummer zwei anzutreten. 45 Minuten Zeitspanne hatte ich. Kalkuliert waren fünf Minuten Weg zur Haltestelle, maximal fünf Minuten Warte- und dreißig Minuten Fahrzeit. Die angepeilten Linien kamen nicht, dafür aber ein nicht im Linienplan aufgeführtes Gefährt mit der Numero 66. Alle Busse haben an der Front die übliche Fahrtanzeige. Dabei ist es in Kuwait so, dass abwechselnd die beiden Endhaltestellen zunächst in lateinischen und dann in arabischen Schriftzeichen angezeigt werden. Kennt man also die Streckenführung nicht, bleibt nur der Poker. 50/50-Chance also. Also 'Zack' rein in die Kutsche und nach drei Minuten 'Zack' festgestellt, dass ich die verkehrten 50% erwischt hatte, denn der Fahrer bog in entgegengesetzte Richtung auf die Ring-Road ab. Also am nächsten Halt wieder raus und über die Fußgängerbrücke über die zehn(!)spurige Straße mit festem Mittelstreifen auf die andere Seite, um zu sehen, was da so kommt. Ergebnis: Erstmal gar nix. Die Lösung hieß 'Hamdi'. Zum ersten Mal war ich also gezwungen, das Produkt 'Taxi' in Anspruch zu nehmen. Die Fahrer, die grad keine Fahrt haben und Haltestellen passieren, fahren an diesen immer sehr langsam vorbei, um potentielle schwache ÖPNV-Opfer von der Herde zu trennen. Klappte in meinem Fall auch vorzüglich und schon hatte mich Hamdi in seinem Fahrzeug gefangen. Taxameter sind kein kuwaitisches Hilfsmittel, also mal direkt den Preis geklärt. Die geforderten 2 Dinar (= 5,40 Euro) schienen mir fair. Wir kamen natürlich sofort ins Gespräch und tauschten die Namen aus. Da ich die Frage wo ich in Kuwait arbeite, nicht zu seiner Zufriedenheit beantworten konnte, wollte er wissen, wo ich denn in Kuwait meine Wohnung habe. Nee, so kamen wir nicht weiter, also waren wir schnell beim Thema Fußball. Es ging aber wieder mehr um Breitner, Beckenbauer, Rummenigge als um Özil, Khedira, Schweinsteiger. Gut übrigens, dass ich noch nen zerfledderten Google-Maps-Ausdruck in der Tasche hatte. Der Gute wusste nicht wo in seiner Stadt das Stadion ist. Manchmal echt zum Kaputtlachen. Ich mein, in die Hütte passen 16tsd Leute. Das Ding ist direkt an der Hauptstraße und hat vier sichtbare Flutlichtmasten - wie kann man das als Taxifahrer noch nicht gesehen haben??!! Die Zeit wurde wegen dichtem Verkehr etwas knapp, aber Hamdi setzte mich pünktlichst vor dem Stadion ab und hatte sich die zwei Schekel redlich verdient.
Im 'Thamir Stadium' fand das Verfolgerduell statt. Der Zweite, Al Qadsia, empfing den Dritten, Al Arabi. Hier durfte ich sogar zwei Dinar Eintritt entrichten und erhielt die ersehnte Eintrittskarte. Den eifrigen Ticketzerreißer am Eingang konnte ich mit panischen Handbewegungen und dem Hinweis 'For my collection' davon abhalten die Trophäe mutwillig zu zerstören. Wer etwas über die Bauweise des Grounds wissen will: Siehe oben. Allerdings wirkte das Ding hier nicht so verranzt sondern wusste mit Sitzschalen in verschiedenen Blautönen zu gefallen. Dieses Spiel weckte deutlich mehr Interesse als des Erstgesehene. Geschätzt 2.500 männliche Personen und zwei junge weibliche Personen hatten sich eingefunden. Die einen in Gelb (Qadsia) und die anderen in Grün (Arabi). Grün hatte mit etwa zwei zu ein Drittel die Oberhand. Auf Haupttribüne wie Gegengerade teilten sich die Sympathisanten entsprechend auf. Und auf der Haupttribüne wurde von beiden Gruppen auch supportet allerdings mit deutlich höherer Mitmachquote als beim Anhang von Al Kuwait. Dazu wurden hier auch optische Stilmittel in Form von Fahnen eingesetzt. Und ab und an drang sogar mal ein europäischen Rhytmen ähnlicher Schlachtruf an mein Ohr. Auf dem Rasen wurde ähnliches geboten wie beim anderen Kick. Allerdings agierten hier zwei Teams auf Augenhöhe, so dass die Angelegenheit deutlich spannender zuging. Qadsia ging früh in Führung und bestimmte die Partie. Nach der Halbzeit drehte dann aber Arabi auf und drängte auf den Ausgleich. Dieser fiel dann auch allerdings aus Abseitsposition. Faszinierend wie lange die Leute brauchten um zu schnallen, dass der Treffer nicht zählte. Zehn Minuten war es dann aber soweit und ich hätte einiges darauf gesetzt, dass die Grünen noch einen drauflegen. War aber nicht. Stattdessen erzielte Qadsia noch den Siegtreffer, was den Schiri so begeisterte, dass er in der vierminütigen Nachspielzeit analog zu seinem Kollegen vom Spätnachmittag plötzlich jedem der an ihm vorbei lief die Verwarnungskarte präsentierte. Komische Sitten hier. Um ungefähr 21:30 war der ganze Spuk dann vorbei. Mein Plan umfasste nun, etwas Essbares aufzutreiben und mit dem Bus zum Hotel zurückzufahren. Also irrte ich ein wenig ums Stadion rum und gönnte mir erstmal wieder einen leckeren frisch gepressten Kiwisaft. Nur das mit der Nahrungsaufnahme haute nicht so hin. Da die Busse nur bis 23:00 fahren, machte ich mich also auf in Richtung Hotel. Die dortige Gegend schien mir bei Durchquerung am Nachmittag keine Kebap-Buden oder ähnliches zu bieten, also fand ich mich damit ab, an diesem Abend zu fasten. Aber wie heißt doch das alte orientalische Sprichwort: Wenn Du glaubst es gibt nix mehr, kommt irgendwo ein Subway her! Aus dem Nichts klemmte plötzlich eine kleine Subway-Bude zwischen den Häusern. Ein Angebot dass ich gerne annahm. Danach erwarb ich im Mini-Shop gegenüber noch zwei Flaschen alkfreies Budweiser und begab mich auf eine Bank an der Strandpromenade. Zwanzig Meter hinter mir mutierte die breite 'Arabian Gulf Street' zur Rennstrecke. Die ganzen Irren heizten wie bekloppt mir ihren Rennmaschinen, Lamborghinis, Mustangs, 911ern und was weiß ich noch die lange Straße rauf und runter. Um Mitternacht stieß ich mit einer zufällig anwesenden und mich argwöhnisch beäugenden schwarzen Katze auf meinen Geburtstag an. Meine Geste der Freundlichkeit verstand diese aber völlig falsch und suchte verunsichert das Weite. Mir blieb also nur noch der Rückzug ins Hotel.
Vier Stunden Schlaf später, stand ich um 4:45 wieder auf und ließ mich (wie im 'Lonely Planet' angegeben) für fünf Dinar per Taxi zum Airport kutschieren. Ein Wort zur Sicherheitskontrolle - die war ein Witz. Das Gepäck wird sogar zweimal durchleuchtet. Aufgrund der Müdigkeit vergaß ich, die Flüssigkeiten und das Netbook rauszuholen. Hat keine Sau interessiert. An der ersten Kontrolle waren die zuständigen Mitarbeiter viel zu sehr damit beschäftigt, sich zu unterhalten und an der zweiten Kontrolle konnte der Typ am Bildschirm kaum die Augen aufhalten. Für den Gang durch den Detektor interessierte sich auch kein Mensch. Wahrscheinlich hätte ich selbst mit ner geschulterten Panzerfaust unbehelligt durch die Kontrolle watscheln können. Der Flieger nach Istanbul war wieder nur spärlich gefüllt, so dass ich mich der Länge nach in eine Sitzreihe schmeißen und noch recht gut schlafen konnte. Am 'Atatürk Airport' hatte ich dieses Mal vier ätzende Stunden zu vertrödeln, klappte aber mit 'free Wifi' in einem Café ganz gut. Minimal verspätet landete Flieger Nummer zwei in Amsterdam. Zug nach Hoofddorp. Fahrzeug stand unversehrt dort, wo ich es zurückgelassen hatte und gute zwei Stunden später durfte ich daheim ermattet auf die Couch sinken und mich an meinem Geburtstagskuchen erfreuen. Mir schwirrten ne ganze Menge Gedanken durch den Kopf und ich wusste gar nicht so recht, wie ich die Tour einordnen sollte. Obwohl ich bei der Meinung bleibe, dass die Golfregion grundsätzlich nicht so meine Region ist, würde ich die Tour als gelungen bezeichnen. Ich durfte einen mir bisher unbekannten Teil der Welt mit seinen Eigenheiten kennenlernen. Die unglaublich freundlich gesonnenen Bewohner des Landes gaben der Reise eine sehr positive Note. Ob ich jemals zurückkehre, um weitere Länder am Persischen Golf kennenzulernen, vermag ich nicht zu sagen. Ganz ausschließen will ich es nicht, aber ich hab auch noch nen ganzen Haufen vorher zu bedienende Ideen.
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