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23.-25.02.2013 --- Kroatien mit Hindernissen
Schon länger schielte ich auf den zweiten Spieltag der Rückrunde in Kroatien, an dem Hajduk Split den verhassten Rivalen Dinamo Zagreb zum ‚Clasico Croatia’ empfangen sollte. Die Unsicherheit ob der klimawandelbedingt strenger werdenden Winter wurde weggewischt, nachdem die Recherche ergab, dass Dalmatien eigentlich eine beständig milde Region ist. Also im Dezember Nägel mit Köppen gemacht und den Hinflug Köln-Split am frühen Samstag-Morgen und den Return Zagreb-Köln am Montag-Nachmittag mit Germanwings klar gemacht. Von Zagreb zurück, weil von Split nur Samstag und Dienstag geflogen wird. Der Plan war, dass das Hajduk-Spiel am Samstag zur besten TV-Zeit über die Bühne gehen sollte und man dann am Sonntag noch ein anderes Liga-Spiel sehen könne. Die große Hoffnung ruhte auf Rijeka. Doch die Spielplan-Pokerei und meine Person sind ja selten gute Freunde und auch in diesem Fall hatte sich der kroatische Verband etwas einfallen lassen. So wurde dieses Spiel, das seitdem die ersten Spuren menschlichen Lebens gefunden wurden, samstags ausgetragen wird, einfach mal auf Sonntag 18:00 gelegt. Zumindest war man so gnädig, das Spiel in Rijeka auf den frühen Samstag-Abend zu legen. Nach Überprüfung der möglichen Bus- und Zugverbindungen wurde dann aber klar, dass ich mir einen Mietwagen nehmen muss, wenn ich auch noch was vom Land sehen wollte, da man mit dem Bus circa sieben Stunden für die knapp 360 Kilometer braucht. Um den Montag ein wenig entspannter zu gestalten, konnte ich dann noch für die Mittagszeit einen Transfer mit Croatia Airlines von Split nach Zagreb für 46 Euro ergattern, da der 45minütige Flug sicherlich deutlich angenehmer sein würde, als eine fünfstündige Busfahrt. Die Bahn fällt als Transportmittel in Kroatien komplett aus. Zumindest in den Küstenregionen, da die Topografie für Eisenbahnstrecken eine gewaltige Herausforderung darstellt und sich Züge auf den wenigen und kurvenreichen Strecken nur sehr langsam fortbewegen. Sollte man genügend Zeit haben, ist eine Bahnfahrt natürlich zu empfehlen, da sich die Landschaft dann abseits der Fernstraßen viel reizvoller zeigt, als aus dem im Vergleich relativ hektischen Bus heraus. In den Tagen vor der Reise zauberte mir dann das Wetter noch einige Sorgenfalten auf die Stirn, da für Rijeka Kälte und Schnee und für Split starker Regen und Wind vorhergesagt war.
Sa. 23.02. 18:00 - HNK Rijeka vs HNK Cibalia Vinkovci 0:0 (Prva HNL), 1.000 Zuschauer (20 Gäste)
Mal wieder sehr früh um zwanzig nach vier quälte ich mich benommen und von leichter Erkältung gezeichnet aus den Federn und machte mich auf gen Flughafen Köln-Bonn. An der üblichen Stelle im benachbarten Grengel den Wagen abgestellt und das Viertelstündchen zum Terminal gelatscht. Check-in in Nullkommanix erledigt und pünktlich geboardet. Der Abflug verzögerte sich etwas, da die Maschine bei Temperaturen um den Gefrierpunkt noch enteist werden musste. Die Tante am Check-in hatte mir einen Platz am Notausgang zugedacht, so dass ich meine Läufe ausstrecken konnte und mein Vorhaben anging, noch ein wenig Schlaf nachzuholen. Noch vor dem Start döste ich weg, aber als wir die Reiseflughöhe erreicht hatten, war ich schon wieder wach. Ich kann in Flugzeugen einfach nicht gut pennen. Mein Sitznachbar machte das deutlich besser, übernahm meinen Plan und schnarchte mich fast den ganzen Flug von der Seite an. In Split mit gut dreißig Minuten Verspätung um 9:00 angekommen, schien dann die Sonne bei knapp zehn Grad. Herrlich. Lange nicht gehabt bei diesem besch... Winter in heimischen Breiten. Schnell den Mietwagen übernommen und ab der Fisch. Da die wenigen Hostels in Rijeka bei eher miesen Bewertungen beinahe zwanzig Eusen für ein popliges Bett im Schlafsaal haben wollen, suchte ich mir für die erste Nacht ein Etablissement an der Adria-Küste. Und zwar sollte der Ort schon wieder ein gutes Stück südlich von Rijeka liegen, damit der Weg nach Split am Sonntag-Vormittag nicht mehr so lang ist. Die Wahl fiel auf Senj. Dort würde ich auch auf dem Hinweg durchkommen und wollte dort vor der Weiterfahrt nach Rijeka schon mal einchecken. Beim Durchforsten der Spielpläne wenige Tage vor der Tour, fiel mir dann auf, dass der kroatische Verband mir noch eine Drittliga-Partie geschenkt hatte. In Novi Vinodolski, einem Nachbarort von Senj, sollte um 15:30 ein Spiel über die Bühne gehen. Mein Weg führte mich zunächst auf die Autobahn. Die wollte ich zwar weitestgehend meiden, weil in Kroatien auch für Pkw eine Autobahnmaut erhoben wird, aber um Zeit zu sparen, war die Nutzung auf den ersten 120 Kilometer unumgänglich. Ein kleines Stück hinter Zadar verließ ich dann die 'Autocesta'. 49 Kuna Maut (8 Kuna = 1 Euro), also sechs Euro, sind nicht geschenkt, aber waren noch im Rahmen. Die weitere Strecke führte mich auf die Insel Pag. Wenn man die Insel über die 300 Meter lange Brücke erreicht hat, scheint es als sei man auf dem Mond gelandet. Absolut karge Geröll-Landschaft mit nur wenig Buschbewuchs. Muss im Sommer die Hölle sein, da man bis zum Horizont kaum einen schattenspendenden Baum entdecken kann. Hier und dort hielt ich mal für wenige Minuten an um Eindrücke zu sammeln und auch mal ein Foto zu machen. Mehrfach passierte ich ältere Männer mit kleinen Schafherden. Teilweise lebt sich es wohl noch etwas ursprünglicher auf dieser Insel. Könnte aber auch seinen Grund darin finden, dass auf Pag die Spezialität 'paski sir' hergestellt wird - ein Käse aus Schafsmilch. Im gleichnamigen Hauptort der Insel hielt ich an einem Mercado an und kaufte ein bisschen Verpflegung und eine 2-Liter-Bombe 'Lasko', da ich fürchtete am Abend noch Durst zu bekommen :-). Nun musste ich mich ein wenig beeilen, da ich die Fähre um 12:45 von Zigljen nach Prizna aufs Festland bekommen wollte. Zigljen ist eigentlich gar kein Ort sondern nur der Name des Fähranlegers. Gut zehn Minuten vor Abfahrt erreichte ich die Fähre. Der Typ am Ticketschalter nahm mir dir vorher recherchierten 94 Kuna ab. Gar nicht mal so günstig für ne knappe Viertelstunde Boot fahren. Das Wetter hatte sich mittlerweile von sonnig in bedeckt gewandelt, aber es blieb erst einmal trocken. Von der dem Festland zugewandten Küste von Pag hat man einen traumhaften Blick auf die schneebedeckten Gipfel des Velebit-Massivs, das sich direkt hinter der Küstenlinie auf bis zu 1800 Meter erhebt. Leider gönnte mir die recht dichte Wolkendecke nur wenig Aussicht. Um noch ein wenig auf die Kacke zu hauen, kann ich noch berichten, dass das Velebit zum Dinarischen Gebirge oder auch den 'Dinarischen Alpen' gehört. So heißt das Gebirge die sich von Nordost-Italien über die ganze östliche Adriaküste bis nach Albanien zieht. Jaja, war mir vorher auch nicht bekannt, aber Google weiß ja ne Menge. Nach Ankunft in Prizna führte mich mein Weg noch ein gute Stunde die Küste entlang bis nach Senj. Die Strecke ist bei Sonne sicherlich wunderschön aber bei mittlerweile geschlossener Wolkendecke, dann doch nur ein halber Genuss. Einige Kilometer vor Senj ging es durch einen alten, engen Tunnel, der maximal 100 Meter lang war. Aber dieser süße kleine Tunnel machte mächtig den Dicken und spielte sich als Wettergrenze auf, denn dahinter lag plötzlich rechts und links Schnee am Straßenrand und davon gar nicht mal so wenig.
In Senj dasselbe Bild. Die Straßen waren geräumt, aber ansonsten lag das weiße Zeug, so weit das Auge reichte. Die Appartment-Pension 'Laura' war schnell gefunden. Nachdem ich an allen vorhandenen Türen geklopft und geklingelt hatte und doch niemand aufmachte und ich den Check-in im Geiste schon auf den Abend verschoben hatte, kam Kollege Kovac (oder so ähnlich) doch noch angeschlurft. Das angemietet Zimmer mit eigenem Bad (180 Kn = 23,70 EUR) war aber in Ordnung. Ebenso wie der Inhaber. Mit dem plauderte ich nämlich ein paar Minuten, bevor ich weiter fuhr, und er ließ mich wissen, dass sich die Wetter- bzw Schnee-Lage am Vortag deutlich heftiger zeigte als heute. An der kroatischen Adria kann ja irgendwie jeder, der nur ansatzweise mit dem Tourismus zu tun hat, zumindest ein paar Sätze Deutsch. Auch die Schilder an den Pensionen sind eindeutig und preisen die Kapazitäten neben der kroatischen und oft auch italienischen, in deutscher Sprache an. Noch kurz die Homepage des HNK Rijeka gecheckt und nen Heidenschreck bekommen, da unter der neuesten Nachricht direkt ein Bild vom schneebedeckten Spielfeld zu sehen war, aber per Übersetzungsprogramm konnte man verstehen, dass dort nur darauf hingewiesen wurde, dass der Platz geräumt und in jedem Fall gespielt wird. Also Aufbruch gen Rijeka und zum ersten Etappenziel Novi Vinodolski, dass nach fünfzehn Minuten Fahrt exakt zur Anstoßzeit um 15:30 erreicht war. Leider bewahrheitete sich mein ungutes Gefühl. Auf dem halb verschneiten Spielfeld in dem kleinen Ground (eine unüberdachte Tribüne mit vier bestuhlten Reihen) spielten nur ein paar verwirrte Blagen. Hier fand heute definitiv kein Liga-Fußball statt. Also weiter nach Rijeka. Im Hinterkopf hatte ich noch abgeheftet, dass der dortige Drittligist Orijent Rijeka ebenfalls um 15:30 kicken wollte - da war noch ne Halbzeit drin. Dort angekommen war aber erwartungsgemäß auch Essig. Auf der überdachten Sitztribüne saßen ein paar Rentner im Kreis und hielten Smalltalk, aber ein Ball wurde dort nicht bewegt. Nun gut, dann eben in aller Ruhe auf zum Stadion 'Kantrida'. Auf dem Weg dorthin noch ein paar Graffiti der 'Armada Rijeka' abgelichtet und dann kam was kommen musste - es begann zu regnen. Schlauerweise hatte ich meinen Regenschirm in der Pension liegen lassen und in Verbindung mit dem herrschenden Wind wurde es richtig ungemütlich. Von Süden kommend zieht sich die Strecke durch die Stadt zum 'Kantrida' fürchterlich. Dazu ist die Stadt unfassbar anstrengend zu befahren. Da auch hier das Land an der Küste rasch ansteigt, bewegt man sich im rechten Winkel zur Küstenlinie beinahe ausschließlich über Serpentinen. Durch viele Einbahnstraßen wird es einem nicht einfacher gemacht und da ich aufs Navi verzichtet hatte, hielt ich mir mit rechts die aus Google-Maps ausgedruckte Karte vor die Nase und mit links das Steuer in der Hand. Vor dem Stadion nutzte ich dann eine praktische Abbiegespur. Der dahinter positionierte Polizisti fand das allerdings nicht ganz so praktisch, winkte mich raus und blaffte mich erst mal an. Das einzig für mich verständliche Wort in dem Schwall war 'Autobus' ... aha, leider die Busspur gewählt... mein verschüchtertes "Sorry, I'm from Germany" ließ den Uniformierten dann aber verstummen und er ließ mich wortlos fahren. Vermutlich weniger aus Verständnis als vielmehr wegen unüberwindbarer Sprachbarriere. Dass die beiden unterklassigen Dinger ausfielen, war letztlich ganz gut, sonst wär es noch hektisch geworden. So hatte ich noch genügend Zeit, Fotos von diesem in extravaganter Lage befindlichen Stadion zu machen.
Das 'Stadion Kantrida' darf wirklich als außergewöhnlich bezeichnet werden. nur hundert Meter hinter der Haupttribüne befindet sich die Adria und die Gegengerade und die Nordkurve sind in eine Felswand hinein gebaut, die sich etwa vierzig Meter erhebt. Es hat den Anschein, dass der Fels extra für den Stadionbau weggesprengt wurde, doch es lassen sich Quellen finden, dass es sich um einen alten Steinbruch handelt. Dieser dürfte dann aber schon hundert Jahre stillliegen, da das Stadion bereits seit 1912 existiert. Natürlich nicht in seiner heutigen Ausbauform. Die Bude bietet etwas mehr als 10tsd Menschen Platz und verfügt ausschließlich über Sitzplätze. Rundherum sind blaue Sitzschalen installiert, in denen man auf der überdachten Haupttribüne den Vereinsnamen und in der Heimkurve den Namen der Ultra-Gruppe 'Armada' weiß abgesetzt hat. Der Regen hatte sich mittlerweile von 'mittelprächtig' auf 'Bindfaden' umgestellt. Die Lage wurde ungemütlicher. Weniger für mich, da ich mich auf der Haupttribüne verschanzt hatte. Aber dieses Dreckswetter dürfte dafür die Verantwortung tragen, dass lediglich eintausend Zuschauer den Weg ins Stadion fanden. Normalerweise begrüßt man hier zu Spielen dieser Kategorie zumindest die dreifache Zahl. Der Kick begann flott und ohne den Stürmer der Kategorie 'Chancentod' hätte die Heimelf früh geführt, doch bereits nach einer Viertelstunde verflachte die Partie. Technische Unzulänglichkeiten wurden auf dem schwierig zu spielenden Boden schamlos aufgedeckt. Die Verbindung 'vom Schnee geräumter Rasen' und 'heftiger Regen' bekam dem Pitch natürlich überhaupt nicht. In der Armada-Kurve hatten sich etwa 400 Leute versammelt von denen sich etwa 150 zum aktiven Support getrieben sahen. Im Gästeblock befanden sich abgezählte zwanzig Personen, die sich hinter ihrem 'Ultras Vinkovci'-Zauni versteckten, damit auch je keiner sieht, dass sie nicht supporten. In Hälfte Zwei wurde die Veranstaltung dann endgültig zur Gurke auf einem mittlerweile fiesen Acker und endete mit dem einzig logischen Resultat. Den emotionalsten Moment des Spiels dürfte nach meiner ehrenwerten Einschätzung der Platzwart gehabt haben, der nach dem Spiel wahrscheinlich stark suizidgefährdet gewesen sein dürfte. Ein Sprint zum Auto rettete mich vorm Ertrinken und nun hatte ich die angenehme Aufgabe, in der Dunkelheit 67 Kilometer unbekannte Strecke bei herrlichstem Wetter bis nach Senj zurückzulegen. In Rijeka war es 'nur' starker Regen. Richtig interessant wurd es dann aber auf der Küstenstraße, als der Regen in Schneeregen umschlug und es dazu gewaltige Winde vom Meer in Richtung Festland wehte. Der aufkommende 'Jugo' trieb sein Unwesen. Unterbrochen von einer Pause in einem Restaurant, wo ich mir ein Pljeskavica mit Pommes orderte, benötigte ich für die Fahrt knappe zwei Stunden. Zugegeben - ich war froh als die Tür zu meinem vorgeheizten kleinen Zimmerchen hinter mir schließen konnte. Hier durfte ich mich ja dann mit der angesprochenen Magnum-Pulle Pivo vergnügen.
So. 24.02. 18:00 - HNK Hajduk Split vs GNK Dinamo Zagreb (Prva HNL) ... oder auch nicht
Mann, ich werd auch immer älter. Ist doch tatsächlich n Rest in der Flasche übrig geblieben. Da das Geschmackserlebnis Bier in einer angebrochenen Plastikflasche am Folgetag nach der Öffnung wohl eher deprimierend sein dürfte, übergab ich den treuen Gefährten vom Vorabend samt Restinhalt dem Recycling. Lebe wohl! Das Wetter hatte sich am Morgen zwar ein wenig beruhigt, als ich das Haus verließ, begann es aber wieder zu regnen. Damit war das Vorhaben, die über dem Ort thronende Festung Nehaj aus dem 16.Jahrhundert näher unter die Lupe zu nehmen, auch hinfällig. Also machte mich ich mich auf nach Split, immer die Küstenstraße Nr. 8 entlang. Irgendwann hörte dann auch der Regen auf, so dass ich auch mal anhalten und aussteigen konnte, um diese beeindruckend rauhe Landschaft zu genießen. In Karlobag hielt ich an und trank in einer kleinen Bar einen Kaffee. Als einziger Gast kam ich dabei schnell mit dem Besitzer ins Gespräch. Wir waren schnell beim Thema EU-Beitritt – Kroatien wird ja am 01.07. dieses Jahres vollwertiges Mitglied – und sprachen über mögliche positive wie negative Auswirkungen und generell über die derzeitige Situation in Europa. Nach etwa einer halben Stunde gab mir der gute Mann zum Abschied noch einen Schnaps aus und weiter gings. Bei Maslenica erreichte ich dann wieder die Autobahn. Die großen Straßen und Autobahnen in Kroatien sind ja wirklich top und in dieser Jahreszeit, in der das Land eben nicht von Touristen überflutet ist, entsprechend leer. Kann schon mal passieren, dass man einige Minuten lang überhaupt kein anderes Fahrzeug zu sehen bekommt. Auf dem am Fluss Krka gelegenen Rastplatz machte ich eine kurze Pause, da man von dort eine herrliche Aussicht über das tief im Tal liegende Wasser und die Stadt Skradin hat. Dieser Rastplatz wurde wie alle, die ich bisher passierte, von mehreren Polizeibeamten überwacht.... das große Spiel am Abend warf seine Schatten voraus. Eine Vorsichtsmaßnahme, da die Fans des HNK Hajduk über das ganze Land verteilt sind und daher viele aus derselben Richtung kamen wie der zu erwartende Dinamo-Anhang. In der Agglomeration von Split war dann auch eine Polizeisperre eingerichtet, an der mit Fußballfans besetzte Fahrzeuge heraus gewunken und gefilzt wurden. Je näher man der Stadt kam, desto häufiger waren Hajduk-Graffiti an Brücken, Mauern und Häusern zu sehen, Teilweise sehr tolle Sachen dabei. Man konnte förmlich riechen, wie sehr diese Stadt hinter ihrem Verein steht. Es war nun fast 14:30 und ich wollte zunächst mal im von mir gebuchten Hostel einchecken. Nachdem ein Parkplatz in der Nähe meiner Unterkunft gefunden wurde, suchte ich eben diese dann auf. Filip empfing mich und schlug mir vor, dass wir uns auf Deutsch unterhalten sollten. Er war in Berlin aufgewachsen und mit seinen Eltern nach dem Ende des Balkankrieges nach Kroatien zurückgekehrt. Ich hatte mich für das ‚Tchaikowsky-Hostel’ entschieden, da es ein 97,8%-Rating im Internet hatte. Und ich wurde nicht enttäuscht. Supersauber, supergeschmackvoll und modern-funktionell eingerichtet, super Lage am Rande der Altstadt und ein superfreundlicher Gastgeber. Für knappe zehn Euro hatte ich mir ein Bett in einem Vierer-Dorm gesichert und der Poker ging auch noch auf: Ich hatte den Raum für mich allein. Da momentan Off-Season ist und es den ganzen Traveller- und Backpacker-Spackos zu kalt ist, durch Europa zu reisen, sind die meisten Hostels relativ leer. So auch in diesem Fall. Außer mir waren lediglich zwei mutmaßliche Amis und ein junger Hajduk-Fan aus Rijeka anwesend, die sich allesamt ins Sechser-Dorm eingemietet hatten. Der Hajduk-Fan war auch nur für das Spiel angereist. Kurz mit diesem qequasselt und dann wollte ich mir die Stadt ansehen.
Split ist mit 220tsd Einwohnern die zweitgrößte Stadt Kroatiens und Verwaltungssitz des Komitats 'Splitsko-dalmatinska županija'. Die Altstadt ist Weltkulturerbe der UNESCO. Ein großer Teil des Altstadt-Areals wird vom ‚Diokletianspalast‘ eingenommen. Dieser stammt aus den frühen Jahren des vierten Jahrhunderts und ist der Ursprung der Stadt Split. Der Palast diente als Alterssitz des gleichnamigen römischen Kaisers Diokletian, der in der römischen Provinz Dalmatia geboren wurde und nach seiner Amtszeit dorthin zurückkehrte. Er war – zusammen mit Maximilian, mit dem er sich zu der Zeit die römische Herrschaft teilte – der einzige römische Kaiser, der freiwillig zurücktrat. Unter dem Palast befindet sich ein Netzwerk aus Gewölben und Gängen, in dem heute meist touristisch orientierte Verkaufsstände ihren Sitz gefunden haben. Eine weitere Sehenswürdigkeit ist die Kathedrale ‚Sveti Duje‘, die als Mausoleum für Diokletian errichtet wurde. Just in dem Moment, in dem ich vor die Tür trat, fing es wieder zu regnen an. Immerhin hatte ich dieses Mal den Schirm dabei. Das Sightseeing brach ich trotzdem nach etwa zwanzig Minuten ab, da der Regen immer heftiger wurde. Auf jeden Fall bestätigten mir die ersten Eindrücke, dass Split wirklich eine interessante und schöne Stadt ist. Ich lief zum kleinen Platz am Theater, wo sich viele Hajduk-Fans trafen und sich auf den Kick einstimmten. In einer Bar trank ich genüsslich zwei Halbe während draußen die Welt unterging. Etwas mehr als eine Stunde vor dem Anstoß brach ich auf um den zehnminütigen Fußweg zum ‚Stadion Poljud’ zu absolvieren. Langsam wurde der Regen weniger und hörte bald ganz auf. Am Stadion war natürlich die Hölle los. Nachdem der richtige Eingang gefunden war, betrat ich das Teil eine gute Dreiviertelstunde vor dem Beginn des Spiels. Der erste Blick gehörte dem Spielfeld. Der Platz sah verheerend aus und stand an vielen Stellen komplett unter Wasser. Das sah nicht wirklich bespielbar aus. Aber alles deutete darauf hin, dass dem Anstoß nichts im Wege stehen wird und da sich das Rund langsam füllte, war ja davon auszugehen, dass alles seinen Lauf nehmen würde. Das 'Poljud' ist benannt nach dem Stadtteil, in dem es steht und wurde anlässlich der Mittelmeerspiele 1979 erbaut. Diese Spiele sind eine Art Olympia für die Mittelmeer-Anrainerstaaten und werden analog zu den Olympischen Spielen ebenfalls nach Ablauf einer Olympiade, also alle vier Jahre, ausgetragen. Durch die Form - die flacheren Kurven steigen auf den Graden an - und die Dachkonstruktion erinnert das 'Poljud' an eine geöffnete Muschel. Ursprünglich bot das Teil 55tsd Menschen Platz. Durch den Umbau in eine reine Sitzplatz-Arena verringerte sich das Fassungsvermögen auf knapp 35tsd. Bis zum Bau dieses Stadions spielte Hajduk im alten 'Stari Plac' das am Rande der Altstadt liegt. Das 'Poljud' hat aber nun auch schon einige Jahre auf dem Buckel und dementsprechend wahrscheinlich auch der Pitch, so dass die Drainage wohl nicht mehr wirklich funktioniert und es zur angesprochenen Wasserlage kam. Aus Zagreb (oder zumindest für Dinamo) waren etwa 300 Leute angereist. Ob die Bad Blue Boys, oder zumindest ein Teil, darunter waren, erschloss sich mir nicht, da eine größere Fahne zunächst noch zusammengerollt am Zaun hing. So oder so sind 300 Leute für dieses Spiel zu wenig. Da müssen eigentlich mehr den Arsch hoch kriegen. Vielleicht streikte ja auch mal wieder irgendwer aber das ist mir auch eigentlich mittlerweile Latte. Irgendwer streikt ja immer irgendwo, da blickt ja auch keine Sau mehr durch und das nimmt ja vor allem in Südosteuropa teils groteske Ausmaße an. Wenn der Hund vom Capo irgendeiner Gruppe morgens dünnen Stuhl hatte, ruft der ja direkt die ganze Kurve zum Streik auf. Kann man doch kaum noch ernst nehmen. Aber die Heimkurve füllte sich ordentlich, die Torcida gab erste Gesänge ins Rund, alles war für einen ordentlichen Fußballabend bereitet. Kurz vor der eigentlichen Anstoßzeit um 18 Uhr latschten drei Figuren über den Platz, die ich als Referee und die Kapitäne beider Mannschaften identifizieren konnte. Außerdem war noch ein Ball dabei, der sich als Versuchsobjekt missbrauchen lassen musste. In diversen Pfützen wurde dieser fallen gelassen und zur großen Überraschung aller blieb er jeweils direkt liegen. Nach anfänglichem Desinteresse verfolgte irgendwann das ganze Stadion gebannt die Aktion. Die Delegation verließ dann den Innenraum ohne dass man eine Tendenz ausmachen konnte. Nach und nach verschwanden dann aber Balljungen, Photografen und Offizielle den Innenraum. Das ließ nichts Gutes ahnen und eine gewisse Spannung machte sich im Publikum breit. Aber nicht dass man meint, es hätte dann mal eine Information durch den Stadionsprecher gegeben. Da ich selbst unsicher war, laberte ich einfach mal meinen Sitznachbarn an und teilte ihm mit, dass der Kick nach meiner Meinung off sei, da einer der Offiziellen das Wichtigste, nämlich den Spielball, der ja neuerdings in den Ligen aller Herren Länder immer auf einem Sockel am Spielfeldrand positioniert ist, mitgenommen hatte. Kollege Schnürschuh war aber der Meinung, es würde auf jeden Fall gekickt. Die Kurzzeit-Gerüchteküche brodelte. Mal hieß es, um 19 Uhr würde neu entschieden, dann ging rum, es würde am Folgetag nachgeholt, dann plötzlich erst in zwei Wochen. Irgendwann begann ein einige Reihen über mir positionierter Kameramann, sein Equipment auseinander zu nehmen und zu verstauen. Das war ein recht eindeutiges Zeichen und kurz darauf, exakt 33 Minuten nach dem eigentlichen Beginn, kam die Durchsage, dass das Spiel nicht angepfiffen wird. BAMM! Das hatte gesessen. Allerdings hatte ich mich durch die Entwicklung der letzten Minuten durchaus darauf eingestellt und fand mich damit ab. Zugegeben – auf diesem Spielfeld wäre ein geregeltes Spiel nicht möglich gewesen. Die Nachricht hatte ein gellendes Pfeifkonzert zur Folge und die Torcida schenkte mir zumindest noch eine Pyro-Show ohne dass gespielt wurde. Hatte ich auch noch nicht erlebt. Auch der Dinamo-Anhang wurde nun wach und feierte einige Minuten ordentlich mit Trommel-, Gesang- und Hüpfeinlagen, was wiederum entsprechende Sympathiebekundungen aus der Heimkurve zur Folge hatte. Ich schaute mir das Spielchen noch einige Zeit an, während sich die Geraden langsam leerten. Irgendwann hatte auch der Stadionsprecher Lust auf Feierabend und bat die Verbliebenen das Rund zu verlassen, was auch erstaunlich diszipliniert umgehend umgesetzt wurde. Draußen checkte ich erstmal die Lage ob möglicherweise noch ein wenig Rahmenprogramm geboten wurde. War aber nicht so. Der Dinamo-Anhang wurde von der Staatsmacht zu den Bussen eskortiert und der Hajduk-Anhang verweilte in mehreren Gruppen hinter der Kurve und quasselte noch einen aus. Was nun also tun? Die Lösung konnte nur einen Namen tragen: Karlovacko!
Also erstmal zurück zum Hostel und auf dem Weg dahin zwei Döschen gekauft. Als ich dort eintraf war der Kumpel aus Rijeka bereits eingetrudelt. Wir fielen uns erstmal lachend in die Arme (warum eigentlich?). Ich knipste die erste Dose auf und begab mich ein wenig in die weite Welt des Internet. Der Hunger beendete diesen Ausflug dann irgendwann. Filip empfahl mir auf Nachfrage eine Fastfood-Bude, wo es für wenig Geld ein mit gegrilltem Hühnchenfilet gefülltes Fladenbrot gab. Lecker! Da ja auf dem Balkan nahezu jedes Fleischgericht mit Zwiebeln verfeinert wird, war nach der Speisung auf einmal wieder Durst angesagt. Das traf sich ganz gut, ich hatte eh noch Bock auf n paar Karlovacko. Erstmal machte ich noch einen kleinen Nachtspaziergang an der Promenade entlang und durch die Altstadt und wurde dann auf eine kleine Pizzeria mit durch Heizstrahler erwärmter Außenterrasse aufmerksam. Die Terrasse war gut gefüllt. Dort schrömmelten zwei ältere Herren auf einer Gitarre und einer Mandoline rum und animierten die anderen Anwesenden immer wieder zu gemeinsamen Sangeseinlagen die sich mehrmals um Hajduk drehten. Irgendwie blieb ich dort auf ein paar Halbe hängen und musste ob der skurrilen aber doch angenehm kurzweiligen Situation in mich reingrinsen. Wieder ein Beweis wie sehr die Bewohner dieser Stadt zu Ihrem Verein stehen. Um 23:00 schloss die Pizzeria und ich machte mich auf den Rückweg zum Hostel. Noch zwei Dosen Karlovacko mitgenommen und einem Automaten doch noch einen Parkschein abgeluchst. Die Döschen wurden bei ein bisschen Internet geleert und dann übermannte mich irgendwann der Schlaf.
25.02. – Heimreise
Der Wecker klingelte um 9:00, da ich vor dem Flug nach Zagreb noch mal ein wenig durch die Stadt schlurfen wollte. Die Sonne lachte mir bei blauem Bilderbuchhimmel rotzfrech und schadenfroh ins Gesicht, als wäre das Gestern alles gar nicht passiert. Nach einer erfrischenden Dusche und einem kurzen Kaffeegenuss verabschiedete ich mich dann von Filip. Wirklich chiques Hostel. Da ich ja mit dem Kick nun noch eine Rechnung zu begleichen habe, scheint eine Rückkehr wahrscheinlich. Leider hatte mir die Erkältung wohl den Spielausfall persönlich übel genommen und war wieder etwas intensiver in meinen Kopf gekrochen. Kumuliert mit dem Restalkohol ergab das keine gute Symbiose. Trotzdem machte ich mich auf bei diesem herrlichen Wetter noch ein Stündchen die Stadt zu erkunden. Erstmal begab ich mich zum bereits erwähnten alten Stadion von Hajduk, dem 'Stari Plac'. Dieses sieht leider sehr mitgenommen aus und kann nicht die erhoffte Athmosphäre verbreiten. Die Tore mit den hohen Stangen waren ein untrügliches Zeichen, dass der Ground heutzutage für Rugby genutzt wird. Weiter führte mich mein Weg auf den ‚Marjan’. Das ist der Hausberg der Halbinsel und von dort oben hat man einen herrlichen Blick über die Stadt und das Umland. Über eine lange Treppe stieg ich hinab zur Hafenpromenade, wo sich natürlich ein ganzes anderes Bild zeigte als im gestrigen strömenden Regen. Die Straßencafes waren gut gefüllt. Omas flanierten mit ihren Enkeln, Rentner saßen in Gruppen auf den Bänken und plauderten. Die ganze Szenerie offenbarte bei guten vierzehn, fünfzehn Grad ein herrliches mediterranes Flair und man hätte glatt vergessen können, dass heute Werktag war. Durch die Altstadt ging ich langsam zum Fahrzeug zurück und musste festhalten, dass mir diese Stadt, diese Menschen, diese Hingabe zum Verein absolut gefallen und imponiert haben. Hajduk hat bei mir totale Sympathie gewonnen und ich freue mich schon auf den fälligen erneuten Besuch. Am ‚Poljud’ hielt ich noch mal für zwei, drei Fotos an, aber irgendwie macht die Schüssel von außen nicht so viel her. Am Flughafen entpuppte sich dann der gebuchte Flieger als Turbo-Prop-Maschine. Also stand heute der dritte Propeller-Flug meines Lebens an. Allerdings war die Bombardier Q400 (wird auch noch von der Lufthansa betrieben) bei weitem nicht so laut wie das Höllenteil von British Airways, dass mich damals auf eine schottische Insel und wieder zurück beförderte. Trotzdem hat dieser Propellersound immer etwas von Bombenangriff im zweiten Weltkrieg. Die Viecher haben ja echt ne Hammer-Beschleunigung, da können die düsenbetriebenen Artgenossen kaum mithalten. Und da propellerbetriebene Maschinen nie in großer Flughöhe unterwegs sind – in diesem Fall etwa 5000 Meter – bot mir der meist freie Himmel zunächst einen wehmütigen Abschiedsblick auf Split und dann auf das schneebedeckte Bosnien, das wir überflogen. In Zagreb angekommen investierte ich 40 Kuna und fuhr mit dem Bus in die Stadt. Das lohnte sich zwar nicht wirklich. Aber eineinhalb Stunden durch Zagreb schlendern schien mir deutlich attraktiver, als vier Stunden am Airport abzuhängen. Als ich am ‚Autobusi Kolodvor’ aus der Hucke ausstieg, kamen fast Heimatgefühle auf. Gutes, altes Zagreb, da war ich mal wieder. Mittlerweile zum dritten Mal. Nach kurzer Lustwandelei entschied ich, dass eine gute Pljeskavica ein würdiger Abschluss für die Tour sei. In einer Grillstube also eine solche in der pikanten Variante (Peperoni-Stücke im Hackfleisch) mit Pommes bestellt. Was soll ich sagen? In diesen unfassbar genialen überdimensionalen Frikadellen könnte ich mich stundenlang wälzen! Dazu dieses leckere Fladenbrot. Dieses Zeug allein wäre eigentlich Grund genug auf den Balkan zu emigrieren. Der Bus brachte mich sicher wieder zum Flughafen. Da hatte der Anbieter doch glatt mal nen ganzen Fünfzig-Sitzer für mich allein eingesetzt. Finde die Situation ja immer etwas komisch, wenn man der einzige Fahrgast in so nem großen Gefährt ist, aber ‚so what’. Ebenso sicher beförderte mich Germanwings auch nach Köln. Dummerweise hatte ich beim Check-in versäumt nach einem Sitz am Notausgang zu fragen. Aber die Sache lässt sich lösen, wenn man als letzter in den Flieger einsteigt. Dann sieht man ja ob noch welche der begehrten Plätze frei sind. Dem war so, so dass man wieder mit angenehmer Beinfreiheit heimreisen konnte. Von Köln aus wurde dann auch noch die Dreiviertelstunde Autobahn erfolgreich bewältigt.
Trotz der Spielausfälle war die Tour nicht komplett schlecht, zumal eine (wenn auch kurze) Reise, ja doch immer einen Ausbruch aus dem Alltag bedeutet. Dennoch: Winter 2013 – gefällt mir nicht!!!
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"Stell Dir vor, Du bist RWE-Fan. Da kannst Du jeden Tag nur noch saufen."
(Manni Breuckmann)
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