14.-18.10.2011 --- Vier Tage, vier Länder: Britische Inseln kompakt
Als im Sommer die britischen Spielpläne herauskamen, suchte ich gezielt nach dem interessantesten Kick der nordirischen Premier League zwischen Glentoran und Linfield im Kultstadion ‚The Oval’. Ungewöhnlicherweise war diese Partie auf einem Montag angesetzt. Also mal geschaut, was sich drumherum anbietet und siehe da – mit dem ‚Clasico’ :-) der Republik Irland Shamrock Rovers gegen Bohemians, dem mittelenglischen Prestige-Duell Coventry gegen Nottingham und dem Drittliga-Derby in Sheffield zwischen United und Wednesday, war ansprechendes Rahmenprogramm geboten und es konnte ein schönes Derby-Wochenende geplant werden. Dann stellte sich noch heraus, dass Christian (in einschlägigen Kreisen auch als 'Francoforte' bekannt) aus Herschbach und sein Kumpel Tim ebenfalls auf den Inseln unterwegs waren und sich deren Programm mit dem meinen am Sonntag und Montag deckte. So war auch noch für angenehme und trinkfeste Gesellschaft gesorgt. Die nötigen Hin- und Herflüge konnten für etwas mehr als hundert Euro erstanden werden, so dass sich die logistischen Kosten gemessen am Aufwand (vier Flüge) in Grenzen hielten. So freute man sich also auf eine abwechslungsreiche Tour. Aber Planung wäre ja nicht Planung, wenn man diese nicht kurz vorher wieder über den Haufen schmeißen dürfte - sonst wär Hoppen ja auch langweilig. Also durfte ich zwei Wochen vor dem Abflug feststellen, dass das Derby in Dublin vorgezogen worden war, weil an 'meinem' Wochenende unbedingt die beiden FAI-Cup-Halbfinals gespielt werden sollten. Doch damit nicht genug. Die Verbands-Homepage verriet mir, dass ein Spiel am Freitag, für den ich den Flug nach Dublin gebucht hatte, und eins am Sonntag stattfinden sollte. Die Partien lauteten Shelbourne gegen St.Patrick's Athletic und Bohemians gegen Sligo Rovers. Das erste zwar ein Stadtduell, dazu noch reizvoll, der aktuelle Tabellenführer der zweiten Division gegen eine gestandene irische Größe. Das zweite ein Duell zweier Top-Teams (nach irischen Verhältnissen) in einem genialen Oldschool-Ground, dem ‚Dalymount Park’. Diesen hatte ich im Rahmen eines ewig zurück liegenden Irland-Urlaubs in den Neunzigern mal im leeren Zustand bestaunt. Und in exakt diesem Urlaub habe ich mein bisher einziges Spiel in der Republik Irland gesehen. Die Partie damals lautete ausgerechnet Shelbourne gegen St.Patrick. Also hoffte ich nun auf die passende Ansetzung für den Freitag. Schließlich war der Kick eine guter, um den ‚Dalymount’ im Rahmen eines Spieles zu besuchen. Doch ratet, wie die Ansetzungen dann lauteten. Keine weiteren Fragen euer Ehren! Der Spielansetzungs-Gott kann kein Groundhopper sein. Einzige Alternative für den Freitag war der 'League of Ireland'-Langweiler zwischen Drogheda und Bray. Nachdem ich mich erst entschlossen hatte, den ‚Tolka Park’ von Shelbourne zu bestätigen, denn dieser hat sich im Laufe der Jahre ein wenig verändert, entschied ich mich kurz vor der Tour doch für den Sinnlos-Kick, um wenigstens einen neuen Ground zu verbuchen. Coventry gegen Nottingham hatte ich eh schon durch Cardiff City gegen Ipswich Town ersetzt, so dass die ‚Derby-Tour’ mittlerweile nur noch eine fünfzigprozentige war. Mit Cardiff wollte ich mir den Länderpunkt Wales 'erschleichen'. Manch einer aus der Hopper-Gilde wird mahnend den Finger heben, schließlich kickt der CCFC unter dem Dach der englischen F.A. mit. Aber Cardiff liegt in Wales, der Verein ist ein walisischer – was kann ich dafür, dass die bei den Tommys mitmachen?!?!
Fr. 14.10. 19:45 - Drogheda United FC vs Bray Wanderers FC 1:4 (League of Ireland Premier Divison), 400 Zuschauer (40 Gäste)
Am Freitag-Mittag wurde Feierabend gemacht und ab ging's nach Eindhoven. Durch Zufalls-Googelei hatte ich einen privaten Parkplatz-Anbieter in Flughafennähe gefunden, bei dem man den Wagen zum fairen Kurs abstellen kann. 27 Euro für fünf Tage inklusive Bring- und Holservice zum Terminal finde ich jedenfalls ganz okay. Das ganze stellte sich als privates Grundstück heraus, auf dessen Rasenfläche gut und gerne fünfzig Fahrzeuge standen – lukrativer Nebenverdienst. Herr Ryan hob wie üblich pünktlich ab uns so erreichte ich den anvisierten Bus nach Drogheda (9 Euro Return-Ticket) problemlos. Dort angekommen prüfte ich kurz, ob der einzige Bus, der mich nach 22 Uhr zurück zum Flughafen bringen konnte, auch wirklich fuhr. Sollte er, laut Schalter-Heini. Dummerweise halt erst um 1:45 Uhr, da war die kurze wie anstrengende Nacht wieder vorprogrammiert. Irgendwie auch sinnfrei. Wer soll diesen Bus eigentlich nutzen? Um diese Uhrzeit ist in Drogheda weniger als nichts los und zwischen 0 und 5 Uhr gibt's in Dublin auch keine Starts und Landungen. Egal, ich war froh, dass überhaupt einer fuhr. Zunächst führte mich der Weg an einer der wenigen Sehenswürdigkeiten vorbei, der St.Peter’s Church. Also mal kurz reingeschaut. Recht groß und beeindruckend. Ich entschloss mich, eine Kerze anzuzünden. Da ich den Münzeinwurf nicht finden konnte, fragte ich eine Angestellte der Gemeinde, die im Gebäude herumwuselte. Aha, am Pfeiler war der Münzenschacht. Also rein mit dem Metallstück und grad als ich den Wachsstift am Docht entzünden wollte, pustete die Dame die wenigen brennenden Kerzen auf dem Ständer aus und teilte mit, dass sie das Gotteshaus jetzt abschließen müsse und unbeaufsichtigt kein offenes Feuer brennen dürfe. Auch nicht schlecht, so kann man der Gemeinde auch Geld zuführen. Die Info hätte sie mir ja auch vor dem Geldeinwurf geben können. Naja, ich hoffe der Schöpfer verbucht die gefühlte Erleuchtung trotzdem auf meiner ‚Haben’-Seite. Zum Wundern blieb keine Zeit, der Magen meldete sich langsam. Drogheda ist übrigens abgesehen von zwei, drei Flecken eine graue Arbeiterstadt, die durch den einsetzenden Nieselregen auch nicht attraktiver wirkte. Knapp fünfzigtausend Menschen dürfen oder müssen hier leben. Während ich meine Chicken-Menü in einem Hähnchen-Grill verspeiste, kam plötzlich die Gewerbeaufsicht herein, um die beiden Angestellten orientalischer Herkunft zu überprüfen. Pikanterweise konnte einer der beiden keine Steuernummer nennen. Ich verließ die hitzige Diskussion aber bald, um unserem in Leder gehüllten Freund die verdiente Aufmerksamkeit zu schenken. Also im Nieselregen zehn Minuten Fußweg zum.... puh... 'Hunky Dorys Park'. Nee.... also zum 'United Park'... ich kann mich mit diesen manchmal wirklichen Panne-Sponsorennamen absolut nicht anfreunden, daher nutze ich lieber die ursprünglichen Stadionnamen. Der United Park ist ein kleines irgendwie merkwürdiges Stadion. Die Hintertorseiten verfügen über null Ausbau. Die Gegenseite sieht noch normal aus, verfügt über circa zehn Reihen, davon sieben versitzplatz und oben über drei Stehreihen und ist über gut zwei Drittel überdacht. Die Hauptseite sieht ein wenig zusammengeschustert aus. Sie verfügt über zwei baulich voneinander getrennte Tribünen, eine Sitz- und eine Stehtribüne. Letztere ist den Away-Supportern vorbehalten, die mit gut 40 Leuten aus dem sich südlich an Dublin anschließenden Bray angereist waren und damit immerhin ein Zehntel des Publikums stellten. Außerdem gibt es noch einen VIP-Bereich. Diese Funktion erfüllt das über dem Kabinentrakt befindliche Clubheim, von dem man durch große Fenster das Spielfeld überblicken kann. Die Gesamtresonanz von etwa 400 Leuten entsprach meiner Vorstellung von einem Treffen zweier unbedeutender Clubs und mehr hatte der grausige Kick auch nicht verdient. Zumindest die Torquote machte die Sache einigermaßen interessant. Die Gäste gingen schnell in Führung und bauten diese bis zur Halbzeit auf ein sattes 4:0 aus. In Hälfte zwei durfte die Heimelf noch den Ehrentreffer verbuchen. Während die Wanderers von Ihren Fans wenn auch einfallslos so doch recht kontinuierlich unterstützt wurden, war den etwa zehn 'Famous Ultras' (so heißt die Gruppe gemäß Zaunfahne) der Heimseite durch die Geschehnisse in Hälfte eins schnell der Zahn gezogen. Trotzdem kam hin und wieder mal ein zarter Anfeuerungsversuch.
Nach dem Spiel hatte ich Zeit - zu viel Zeit für eine recht triste Stadt wie Drogheda. Ich setzte mich erstmal auf zwei 'Smithwicks' in den Pub direkt am Stadion und las ein wenig in einem Fanzine. Gegen Mitternacht hatte ich die wenig glorreiche Idee, das Etablissement noch einmal zu wechseln, ließ dabei aber außer acht, dass die Pubs in der Regel zwischen null und ein Uhr dicht machen. Daher fand ich nix mehr außer zwei Diskotheken. Darauf hatte ich mit Gepäck zum einen keinen Bock und zum anderen wäre ich in meiner Kleidung wohl an den Türstehern gescheitert. Also latschte ich ein wenig durch das noch weniger bietende dunkle Drogheda und fand mich dann gute zwanzig Minuten vor Abfahrt am Busbahnhof ein, wo ich als einziger vor mich hin wartete. Es kam dann auch ein Bus. Es stieg der einzige Fahrgast aus und ich ein. Wie erwartet nutzt das Dingen keine Sau. Hauptsache es fährt für eine Person ein 50-Sitzer durch die Nacht, aber mir war es recht. Gegen halb Drei war ich dann am Flughafen und wanderte auf vorherigen Tip zielstrebig zum Terminal 2, da dort weniger los und ergo mehr Ruhe möglich sein sollte. Auf Ebene Zwei gibt es einen Bereich mit Bistro und Cafe. Dort sind ein paar gepolsterte Bänke, die allerdings schon belegt waren. Also ging ich zu einem Wartebereich, der allerdings eher suboptimal war. Zum einen Beschallung durch zwei Fernseher, die zwar gleiches Nachrichtenprogramm zeigten aber zeitversetztes Signal empfingen, so dass man ständig ein Echo hörte. Und zum anderen Bänke mit Armlehnen und dazu noch recht hart. Man kann sich allerdings einigermaßen da hineinschachteln und die Müdigkeit half mir auch in den Schlaf. Zweieinhalb Stunden später musste ich mich wieder aufraffen. Kurze Wischi-Waschi-Morgentoilette auf dem Herren-WC und ab durch den Verbindungsgang zum Terminal Eins. Dort durch den Sicherheitscheck und dann nochmal gute zehn Minuten Fußweg bis zum Gate. Alles sehr weitläufig dort.
Sa. 15.10. 15:00 - Cardiff City FC vs Ipswich Town FC 2:2 (F.A. Championsship), 21.809 Zuschauer (700 Gäste)
Herr Ryan brachte mich in weniger als einer Stunde nach Bristol. Durch die Flugzeugfenster war ein wunderschöner Sonnenaufgang zu sehen. Mit dem Airport-Bus ging es für 6 Pfund in die Stadt, dort kam ich etwa um halb neun an. Im Vorbeifahren hatte ich ein adäquates Frühstückscafe gesehen, zu dem ich die paar Meter zurück lief. Der Kopf tut weh, die Füße stinken, höchste Zeit ein Bier zu trinken... dachte sich zumindest der Mann am Nebentisch. Naja so'n Pint kann auch um kurz vor Neun schmecken, weiß man ja selbst, aber ich hielt es eher mit einem 'full English breakfast', dass ich mir nach der kurzen Nacht gönnte. Als ich danach vor die Tür trat, erhoben sich die Glocken der benachbarten Kathedrale zum Klang. Das erinnerte mich an ein Vorhaben. Schnell über die Straße und die gestern verpasste Kerze angezündet. Da nun noch reichlich Zeit war, entschloss ich mich, den Ground von Bristol City mal unter die Lupe zu nehmen. War aber doch ein Stück zu laufen, also nutzte ich den Bus. Mit 2,80 Pfund für fünf Haltestellen gewogen und für deutlich zu teuer befunden. Für den Rückweg wurde daher die Option 'Laufen' dann doch gezogen. Am 'Ashton Gate' des Bristol City FC liefen schon die Vorbereitungen für den Nachmittags-Kick gegen Peterborough. Das Stadion hat Stil, ist im Laufe der Zeit wohl nach und nach neu- und ausgebaut worden. Keine Tribüne gleicht der anderen, damit ist eine gewisse Individualität gegeben - muss man wohl auch mal irgendwann hin. Aber nicht heute. Der BCFC ist Tabellenletzter des F.A.-Championship und außerdem winkte ja mein Länderpunkt Wales fast in Sichtweite. Ein Staff lies mich für ein schnelles Foto kurz in den Ground und dann wurde auf einem kleinen Umweg am Rande der City vorbei der Rückweg zum Bahnhof angetreten. Vor dem Bahnhof winkte ein etwas zerrupft aussehender Mensch mit einer Obdachlosen-Zeitung. Nein Danke... und dann doch nochmal umgedreht und dem Mann ein paar Münzen in die Hand gedrückt. Mal Hand aufs Herz - wir lassen es uns in unserem Hobby schon ganz gut gehen, da kann man auch mal einen Bruchteil vom Reiseetat abzwacken und jemandem geben, der warum auch immer den Anschluss verpasst hat.
Die Fahrt nach 'Cardiff Central' dauerte grad mal 45 Minuten. Dort spuckte mich der Zug aus und ich denke 'Was ist denn hier los???'. Viel ordnendes Personal und von drei Passanten mindestens zwei mit rotem Trikot oder Schal. Hm... sowohl die heutigen Gastgeber als auch die Gäste haben die Clubfarben blau und weiß - da passt was nicht zusammen. Ah, ich habs... derzeit ist Rugby-WM in Neuseeland. Die Waliser hatten das Semifinale erreicht und kämpft gegen die Froschfresser. Aufgrund der entfernten Zeitzone, war das Spiel nach europäischer Zeit morgens. Da Rugby ja bekanntermaßen walisischer Nationalsport ist, war das ganze Land auf den Beinen. Leider unterlagen die 'Roten Drachen' mit einem Punkt. Schade, hab ich wohl ne gute Party verpasst. Also setzte ich mein ursprüngliches Vorhaben um und fuhr mit der Vorort-Bimmelbahn raus nach Penarth. Das ist der Cardiff vorgelagerte Küstenort und dort gibt es einen hölzernen 'Pleasure Pier' aus dem 19.Jahrhundert auf dem ich mir ein wenig Seeluft um die Nase pusten lasten wollte. Zum Glück trat dann auch die Sonne für eine halbe Stunde hinter der dichten Wolkendecke hervor, so dass ich es mir mit einem Kaffee gemütlich machen konnte und die letzten Seiten des Fanzines las - das Leben kann wirklich angenehm sein. Dann war es Zeit, das 'Cardiff City Stadium' anzugreifen. Ja, wie angenehm - es hat sich noch kein Sponsor gefunden, der bereit wäre den Namen des Grounds zu verunstalten. Allerdings ist das Ding wahrhaft nix Besonderes. Einheitsneubau Marke Hoppenheim. Ein Jammer, dass ich zwei Jahre zu spät kam, und den guten alten 'Ninian Park' nicht mehr erleben durfte. Auf dem Weg zum Stadion sah ich zu meiner Rechten auf einmal ein Eingangstor, dass vom Schriftzug 'Grange Albion AFC' geschmückt wurde und es waren eindeutige Geräusche von der anderen Seite des Zaunes zu vernehmen. Nein, nicht das was ihr denkt, ihr Schmutzbuckel - natürlich meine ich Bolz-Laute. Mal kurz um die Ecke gelinst und schon war ich Zuschauer Nummer sechs irgendeines unterklassigen wie auch unterirdischen Kicks. Der Platz war einerseits ein unebener Acker - ich weiß gar nicht ob sich die beiden Torhüter gegenseitig sehen konnten - und andererseits vor dem Spiel wohl erst gemäht und die Rasenschnitte nicht geräumt worden. Kicken unmöglich, daher haben die drei gesehenen Minuten auch gereicht. Also weiter zum Stadion. Das Spiel war zumindest ganz abwechslungsreich. Die 'Bluebirds' waren ihren Gästen zunächst überlegen, münzten das auch in die Führung um. Dem Ausgleich durch einen schönen Fernschuss ließ Ipswich nach der Pause alsbald die Führung folgen, welche aber mittels zwar zweifelhaftem Foulelfmeter doch letztlich nicht unverdient egalisiert werden konnte. Die Stimmung war mittelprächtig, aber nicht so schlecht, wie es in englischen Stadien sein könnte. Zudem bewies der Schiri Fingerspitzengefühl, in dem er beide Fangruppen bei aufkommender Langeweile durch irrationale Entscheidungen abwechselnd bei Laune hielt. Satte fünf Minuten Nachspielzeit beschnitten meine Zeit zum Bahnhof zu kommen unnötig, aber schließlich klappte das ganz entspannt. Trotz Fahrbierkauf-Stopp wurde der anvisierte Zug nach Birmingham erreicht. Dort stieg in den Anschlusszug nach Sheffield um, wo ich dann Christian und Tim treffen sollte. Die knapp dreieinhalb Stunden Fahrt wurden mittels der eben erworbenen Getränke und dem Konsum eines Films via Netbook gut überbrückt. Kurz vor dem Ziel kam dann die Handy-Info von Christian, dass unser gebuchtes Hotel 'Jurys Inn' überbucht war und wir in das Hotel Ibis umgesiedelt wurden. Klarer Fall von Downgrade! Immerhin wurde mein Taxi-Transfer vom Bahnhof dorthin vom Jury übernommen, wie auch der Transfer von den Beiden und auch unser gemeinsamer Transfer am nächsten Tag zum Stadion. Aber das war auch das Mindeste angesichts des Komfort-Unterschieds der beiden Häuser. Nach einer Dusche meinerseits begaben wir uns dann ins Nachtleben der ehemaligen Stahl-Metropole. Nach Massenarbeitslosigkeit durch geschlossene Stahlwerke und Wandel zur Dienstleistungs-Stadt ist Sheffield heute übrigens eine der wohlhabendsten Städte des Landes. Unsere Vergnügungsgruppe schwoll auf acht Personen an, da auch noch fünf Frankfurter zugegen waren. Also wurden einige berauschende Getränke in verschiedenen Etablissements konsumiert, bis ich mich aus der Runde verabschiedete. Der Körper meldete nach der letzten Flughafen-Nacht deutliche Unterdeckung im Segment 'Schlaf'.
So. 16.10. 12:00 - Sheffield United FC vs Sheffield Wednesday FC 2:2 (Football League One), 28.136 Zuschauer (5.000 Gäste)
Bis auf eine kurze Wachphase aufgrund schon bekannten Sägens von Christian - Tim bekommt da eher unterschwelliges Blubbern eines 4-Liter-8-Zylinder-Motors hin, wie feststellen durfte - hab ich dann auch gepennt wie n Murmeltier im Winterschlaf bis gegen halb zehn der Wecker schellte und sofort war das Bewusstsein da. Sheffield-Derby! Zwar nur dritte Liga, aber ein ganz heißes Eisen. Die Vorfreude wuchs. Die Dusche stellte den Allgemeinzustand wieder auf 'fit' und ab ging's zum Stadion an der Bramall Lane, Heimstätte des Sheffield United Football Club oder der 'Blades', wie sich das Team auch aufgrund der im Wappen befindlichen Säbeln nennt. Die hinterlegten Tickets wurden abgeholt, im Fan-Store noch der eine oder andere reduzierte Artikel erstanden und dann wollten wir vorm Spiel noch ein Bierchen schlabbern. Der erste Pub war wegen Überfüllung geschlossen, im zweiten waren wir erfolgreicher. Kurzer Plausch mit einem Einheimischen und dann wurde es auch schon Zeit ins Stadion zu gehen. Kommen uns circa dreißig einschlägig aussehende Figuren entgegen, die den um uns Laufenden/Stehenden plötzlich ein "Come on United" zurufen und eindeutige Gesten machen. Seltenheitswert im Fußball-England der heutigen Zeit: Der Aufforderung kommen einige 'Blades' nach und schon stehen sich auf jeder Seite dreißig Mann gegenüber. Die schienen allerdings aus der Übung und waren zu lange zu überrascht ob der plötzlichen Krawall-Chance, so dass zwei(!) heransprintende Bobbies reichten um die Sache zu entschärfen. Schade eigentlich, wäre im Mutterland des runden Leders doch gern mal Augenzeuge eines rustikaleren Meinungsaustausches geworden. Unsere Tickets waren gültig für den 'Kop Stand', Heim-Tribüne der 'Blades'. Über eine neben der Tribüne befindlichen Treppe ging es hoch hinaus, um dann von der Rückseite in der fast obersten Reihe das Stadion zu betreten. Hat schon was, wenn plötzlich unter einem das gefüllte Stadion liegt. Nur noch wenige Minuten bis zum Kick-off und dann hieß es 'festhalten und ab geht's!!!'... fertig machen für neunzig Minuten echte Gefühle!!! Ich kann nur sagen: England ist nicht tot! Klar, bei vielen Clubs und den meisten Spielen herrscht Tristesse pur, aber was sich hier vor allem in der ersten Halbzeit abspielte war nach meinem Erachten ganz nah am Non-plus-Ultra! Lautstarke Gesänge und Anfeuerungsrufe, dass einem die Nackenhaare hochstanden und die Unterarme von Entenpelle in Beschlag genommen wurden. Und das Beste war: Wir konnten stehen! In England ja fast nicht möglich, da einem bei dauerhaftem Stehen im Stadion sofort der Rausschmiss droht. Aber da die gesamte obere Hälfte unserer riesig wirkenden Hintertortribüne vom aufbegehrenden Volke einfach in Stehränge umfunktioniert wurde, beschränkten die Stewards ihre Bemühungen darauf, die Fluchtwege freizuhalten. Mag sein dass Wednesday auch gesungen hat, ich hab sie jedenfalls nicht gehört. Was United in den ersten dreißig Minuten fast ohne Pause abzog hat meinen tiefsten Respekt. Dazu war der Spielverlauf günstig. Besser organisierten und abgeklärter wirkenden Gästen kaufte die leidenschaftlich fightende Heimelf immer mehr den Schneid ab und drückte aufs Tor. Das Netz des Gäste-Keepers beulte sich in den ersten zwanzig Minuten auch zwei Mal und beim zweiten Tor passierte es: der Typ zu meiner Rechten wollte dem zu meiner Linken glücksbesoffen um den Hals fallen. Dabei riss er mir die Brille von der Nase, was ja für mich sofort fast maulwürfige Blindheit bedeutet. Christian fand das gute Stück glücklicherweise schnell und wie durch ein Wunder war keiner der springenden Fans darauf gelatscht. Allerdings konnte ich das gute Stück nicht sofort entgegen nehmen, da mich mein adrenalingesteuerter Nebenmann der Einfachheit halber mit seinem Kumpel zusammen umgerissen und in die über die Stufen rollende Jubeltraube gezwungen hatte. Was soll ich sagen? Geil! So muss es sein!! So wollen Tore gefeiert werden. Kam mir vor wie in besten Hafenstraßen-Tagen und am Ende rappelten wir uns alle ohne Verluste und Schrammen wieder hoch. Konnte dem Verursacher unmöglich böse sein. Man weiß ja selbst was abgeht, wenn der eigene Verein in einem wichtigen Kick ein Tor erzielt. Und ich wünschte United eh den Sieg. Wenn 'rot' gegen 'blau' auf dem Platz steht, sind meine Sympathien immer klar verteilt und dazu war der Support einfach erstklassig. Bis zur Halbzeit flachte die Stimmung minimal ab und Wednesday hatte auch noch zwei dicke Chancen, so dass es gut und gern auch unentschieden hätte stehen können. Die Stimmung war auch während der zweiten Hälfte wirklich gut, kam aber leider nicht mehr ganz an das Niveau der ersten 45 Minuten ran. Aber hatte man sich die Messlatte auch selbst zu hoch gelegt. Das Spiel war ein spannendes. Die Gäste wurden immer stärker und United suchte das Heil in Kontern, die aber allzu einfach abgeschenkt wurden. Als alle schon fest mit dem Heimsieg rechneten, fiel acht Minuten vor dem Ende dann doch noch der Anschluss. Sollte für die 'Owls' doch noch was gehen? Und es ging. Nach langer Flanke kam ein Gästespieler zum Kopfball und irgendwie trudelte der Ball zwischen zwei Verteidigern über die Linie zum Ausgleich. Im Gästeblock war nun ein Tor-Pogo par excellence zu bestaunen - kein Wunder. Beim Kopfball wurde der Torwart an der Fünfmeterraum-Grenze hart angegangen. In Deutschland hätte es in hundert von hundert Fällen Freistoß für den Schnappmann gegeben aber hier regte sich bis auf zartes Reklamieren keine Sau darüber auf. Irgendwie ist dieser Sport auf der Insel ehrlicher als in der restlichen Fußballwelt. Die letzten Minuten vergingen einfach so. Wednesday war zufrieden und United konnte nicht mehr. Natürlich feierten die Gäste den Punkt nach dem Ende wie einen Sieg. Gebracht hat es keinem was, aber zumindest halten beide Kontakt zur Tabellenspitze. Wird auch Zeit, dass diese Stadt wieder höherklassigen Fusek zu sehen bekommt. Zwar waren beide Clubs schon Meister und Pokalsieger - das alles spielte sich aber in Hälfte eins des letzten Jahrhunderts ab. Mit dem Vermerk, das Duell auf jeden Fall noch einmal umgekehrt zu besuchen, verließen wir die Stätte des Fußball-Rausches in Richtung der bereits vor dem Spiel besuchten Stätte des Bierausschank-Rausches. Das Stadion 'Bramall Lane' ist nach Angabe des Clubs übrigens das älteste genutzte Stadion im englischen Profi-Fußball.
Nach zwei, drei Pint hieß es dann mal langsam Aufbruch zum Bahnhof, da wir noch das Etappenziel Liverpool zu erreichen hatten, von wo aus am nächsten Tage der Flug nach Belfast gehen sollte. Wir versorgten uns noch mit ein paar Getränken und latschten zum Bahnhof. Die stündliche Direktverbindung der 'East Midland Train Company' stellte sich als Verbund von gerade mal zwei Triebwagen heraus, die zudem hoffnungslos überfüllt waren. Ich hatte plötzlich das Bild von indischen Zügen vor Augen, wo sich Passagiere auf das Dach und die Kupplungen setzen, aber wir entschieden dann doch lieber, eine Alternativroute zu wählen. Also ging es erst einmal deutlich bequemer bis 'Manchester Piccadilly' und von dort weiter zur 'Liverpool Lime Street'. Dort angekommen war es längst dunkel. Wir liefen die 20 Minuten zu unserer Luxus-Kaschemme 'F1-Hotel Liverpool City Centre'. Alter Schwede... F1-Hotels waren mir ja hinlänglich bekannt, aber so ne Schmierbude hab ich noch nicht gesehen. Aber was will man erwarten, wenn es nicht einmal eine Rezeption gibt (diese wird durch das benachbarte Ibis mit abgewickelt) und daher auch niemand aufpasst. Also schnell die Brocken ins Zimmer und in die City. Kurze Fast-Food-Verköstigung, dann ein paar Biere und ab in die Falle.
Mo. 17.10. 19:45 - Glentoran FC vs Linfield FC (Irish Premier League) - OFF!!!!!
Am nächsten Morgen konnten wir schön auspennen, da der Flieger erst um 13:00 abheben sollte. Dementsprechend unspektakulär gestaltete sich der Tag zunächst. Mit dem 'Airlink 500' ging es dann für 2,80 Pfund vom 'Paradise Street Interchange' zum 'John Lennon Airport' und mit easyJet pünktlich nach 'Belfast International'. Als wir auf den letzten hundert Metern Sinkflug durch die Wolkendecke brachen, schwante uns schon Böses. Es regnete als wollte Petrus Nordirland einen Vollwaschgang gewähren. Als wir über das Flugfeld zum Terminal liefen, mussten wir dazu noch feststellen, dass es nicht von oben nach unten sondern von rechts nach links regnete. Ein höllischer Wind gestaltete die Naturdusche besonders angenehm. Kurze ernüchternde Realisierung der Situation, ein erstes Vorbereiten auf einen möglichen Spielausfall und dann mit dem Bus für 7 Pfund 45 Minuten lang in die Stadt zur Endstation 'Europa Bus-Terminal'. Dort angekommen hatte sich keine wirkliche Besserung eingestellt und nach 200 Meter Fußweg waren wir schon arg aufgeweicht. Daher flüchteten wir zum Lunch in ein Restaurant und gaben dem Wetter damit die Chance noch einmal über seine Schandtaten nachzudenken. Dieses Verhalten fruchtete und nach Beendigung der Mahlzeit hatte es zu regnen aufgehört und die Sonne suchte sich ab und an den Weg durch die Wolken. Wir nutzten die Besserung um unser Vorhaben umzusetzen, uns die Gegend um die 'Peace Line' zwischen 'Shankill Road' und 'Falls Road' anzusehen. Dieses sind die Stadtteile, in denen von den Sechziger Jahren bis zur offiziellen Beendigung des bewaffneten Widerstandes aufgrund von Auseinandersetzungen und Terroranschlägen von IRA und die protestantisch-unionistischen paramilitärischen Organisationen über viertausend Menschen ihr Leben lassen mussten. 'Falls' ist mehrheitlich von katholisch-irischen und 'Shankill' von der protestantisch-unionistischen Bevölkerung bewohnt. Selbst heute, nach Beendigung der bewaffneten Konflikte, pflegen überzeugte protestantische und katholische Bevölkerung nur den nötigsten Umgang. Allerdings muss gesagt werden, dass die extremen Gruppen gemessen an der Gesamtbevölkerung eher klein sind. Es gibt aber immer noch seltene Ausschreitungen, die sich meist zur Zeit der im Juli stattfindenden 'Oraniermärsche' abspielen, während derer sich die jeweiligen Gruppen provozieren oder provoziert fühlen. Im Zusammenhang mit dem Konflikt wird lingual formell zwischen 'Katholiken' und 'Protestanten' gesprochen. Natürlich spielen aber auch soziale und vor allem politische Gesichtspunkte eine wichtige Rolle. Während die Katholiken republiktreu an einer Wiedervereinigung der irischen Staaten interessiert sind, stehen die protestantischen Nationalisten eher englandtreu zum eigenständigen nordirischen Staat. Eindrucksvolles Mahnmahl dieser wohl auf lange Zeit noch schwelenden Situation ist die sogenannte 'Peace Line', bis zu zwölf (!) Meter hohe Zäune, die zwischen den rivalisierenden Vierteln errichtet wurden, die zwar über offene Tore verfügen, wo Straßen oder Gehwege die Linie kreuzen, die aber im Falle von Unruhen verschlossen werden können und die Zäune dann eine schier unüberwindbare Hürde bilden. Rund um diese Zäune findet man eindrucksvolle Graffiti, die sich mit dem Thema befassen, teilweise martialisch, teilweise pazifistisch. Nachdem ich mich nach Rückkehr noch einmal durch die Geschichte des Landes und insbesondere die Situation um Shankill und Falls eingelesen habe, musste ich feststellen, dass wir die größten und wichtigsten Bilder, die teilweise ganze Häusergiebel bedecken, gar nicht gesehen haben. Aber aus noch zu erläuterndem Grunde, werde ich diese Stadt ja eh noch einmal besuchen.
Wir liefen nun in aller Ruhe ins Zentrum zurück und checkten, welchen Bus wir zum etwas außerhalb liegenden 'Oval' nehmen müssen. Das Wetter hatte sich zwar nun gehalten, aber wir waren noch skeptisch und vor dem Einsteigen in irgendeinen Bus rief ich jemanden in der Heimat an, der Internetzugriff hatte und uns letzte Infos über den Status Quo geben konnte. Leider wurde die Befürchtung bestätigt: der Kick war 'off' und 'postponed due to a waterlogged pitch' wie die website der 'Irish F.A.' zu vermelden wusste. Damned!! Aber damit war nach dem Weltuntergang zur Mittagszeit zu rechnen. So hielt sich die tiefe Enttäuschung in Grenzen, da man sich irgendwie schon darauf eingestellt hatte. Für Christian entbehrte die Lage allerdings nicht einer gewissen Tragik, da dieses bereits sein dritter Versuch war, ein Spiel in Nordirland zu besuchen und er jedes Mal vom Wettergott ausgebremst wurde. Damit ist auch eins klar - wenn ich einen neuen Anlauf starte, wird Christian nicht an Nummer 1 in der 'Gefährten-Casting-Liste' stehen, denn ihn scheint ja betreffend Nordirland eine schlechte Aura zu umgeben :-) So zogen wir also unseres Länderpunktes beraubt durch verschiedene Pubs. Dort kamen wir immer wieder mit Eingeborenen ins Gespräch, so dass der Abend noch recht kurzweilig wurde. Um1:00 in der Nacht sanken wir uns tränenverschmiert vom Abschiedsschmerz gezeichnet in die Arme. Die beiden nahmen den Bus zum 'Belfast International', um von dort am nächsten Morgen nach England zurückzukehren und die Tour noch fortzusetzen. Mein Weg führte für 12,15 Pfund oder 14 Euro (man kann diesen Bus mit beiden Währungen zahlen) mit dem 'Goldline 200' zurück zum Dublin Airport, von wo mich am nächsten Morgen mein treuer Flughund mit Namen 'Ryanair' zurück nach Eindhoven brachte. Um 3:00 Uhr war ich am Airport und suchte mir wieder einen Schlafplatz. Im Terminal 1 kann man auf der dritten Ebene ganz gut nächtigen. Dort sind am McDonalds einige Polsterbänke und es war auch noch Platz. Leider war eine Kolonne Strippenzieher damit beschäftigt Leitungen hinter die Deckenverkleidung zu verlegen. Das war mir zu unruhig, also wieder rüber ins Terminal 2, dieses Mal auf Ebene Drei. Dort ist lediglich der Eingang zum Sicherheitscheck. Ich war dort oben der einzige und hatte meine Ruhe. Dementsprechend schlief ich auch drei Stunden ganz gut. Man steht halt nur auf wie ein Fragezeichen, da man auf den unbequemen Bänken ziemlich asymmetrisch liegt. Der Flug ging pünktlich und zur Mittagszeit war ich wieder daheim und fand mich nach Dusche und Kleidungswechsel pflichtbewusst am Arbeitsplatz ein.