G R O U N D F E V E R
  Baltikum
 

18.-21.06.2011 --- Rund um den Finnischen Meerbusen
 
Was macht der stadionhungrige Hopper in der Sommerpause, wenn in den hiesigen und meisten europäischen Ligen durchgeschnauft wird? Klar - er flüchtet in die wenigen Länder deren Spielsystem sich am Kalenderjahr orientiert. In diesem Falle sollte es in Richtung des Finnischen Meerbusens gehen. In Christian (den ich im letzte Jahr schon kennenlernen durfte) aus Herschbach im schönen Westerwald, nebst seinem Kumpel Alex, wurden die passenden Reisebegleiter gefunden und nachdem man sich aufs Datum geeinigt hatte, konnte die Planung beginnen und früh die Flüge günstig gebucht werden. Aufgrund günstigerer Flugtage wurde Bremen als Abflug- und Tallinn als Zielort gewählt. Anfänglich lies sich die ganze Sache gut an. Im estnischen Tallinn sollte das interessanteste Spiel des Landes, das Derby zwischen Flora und Levadia, im Nationalstadion angestoßen werden (wenn man beim Nicht-Fußballland Estland überhaupt von interessanten Spielen sprechen kann) und in Finnland warteten mit den Duellen zwischen Tampere und Haka sowie HJK und Kuopio PS die wohl prägendsten Clubs Suomis auf uns. Der erste Dämpfer ließ nicht lange auf sich warten. Aufgrund von vereinspolitischen Unregelmäßigkeiten wurden Tampere und wenig später ein weiterer Club wegen finanzieller Probleme aus der ersten Liga Finnlands ausgeschlossen, so dass die Liga reduziert und der Spielplan komplett umgeworfen wurde. Mit dem Ergebnis dass nun an 'unserem' Wochenende kein erreichbares interessantes Erstligaspiel stattfinden sollte. Also wieder Spielpläne geblättert und entschieden, statt der für den Sonntag geplanten Überfahrt nach Finnland, die Reise in die andere Richtung anzutreten und ein Spiel der ersten lettischen Division in Riga zu sehen. Zwar mit dem Tabellenletzten als Gastgeber sportlich auch ziemlicher Senf, aber zumindest im Nationalstadion des Landes und als weiterer Anreiz für alle Beteiligten ein weiterer neuer Länderpunkt. Nach einiger Bedenkzeit rangen wir uns dann noch dazu durch, Finnland im Tagesbesuch abzureißen und eine Zweitliga-Partie in Espoo zu besuchen. Doch in der Woche vor dem Abflug überschlugen sich dann die schlechten Nachrichten noch einmal. Zunächst fiel den Esten 'ganz plötzlich' auf, dass sich ihre Nationalelf ja auf Südamerika-Reise begab und das Derby wurde verschoben, da einige Spieler beider Clubs in fernen Ländern um nationale Ehren kämpfen mussten. Die zweite Negativmeldung betraf unseren Mitfahrer Alex, der leider aufgrund eines Trauerfalls in der Familie kurzfristig verzichten musste. Also hieß es nun, das Beste aus der Tour zu machen. Oft wird es ja besonders wertvoll, wenn man nix mehr erwartet.
 
Sa. 18.06. 19:30 - FC Ajax Lasnamäe vs FC Kuressaare 2:2 (Meistriiliga), 55  Zuschauer (5 Gäste)
 
Zu nachtschlafender Zeit um 4:00 stand Christian bei mir vor der Tür. Der Gute hatte es noch deutlich unangenehmer als ich, da er ja bereits die 150 km bis nach Essen zurücklegen durfte. Die Fahrt nach Bremen wurde themengerecht verquatscht. Der Bremer Flughafen stellte sich dann als einer der passagierfreundlichsten heraus. Zumindest was das Parken angeht. Kann man seinen Wagen doch im angrenzenden Gewerbegebiet kosten- und sanktionsfrei abstellen. Die Abfertigung offenbarte dann allerdings eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Zum einen der etwas provinziell anmutende schicke Check-in-Bereich der bekannten renommierten Airlines. Zum Anderen eine zweckmäßige Wellblechhalle des irischen Low-Cost-Anbieters. Nicht weiter tragisch. Mit als letzte Passagiere durch den Sicherheits-Check geknubbelt, konnten wir auch direkt in den Flieger. Keine zwei Stunden später betraten wir estnischen Boden. Die Bequemlichkeit siegte und wir wählten das Taxi zum Transfer in die Stadt. Aufgrund ausgesprochen günstiger Droschken-Kurse und der Nähe des Airports zum Tallinner Stadtkern hielten sich die Kosten in Grenzen. Hier sei auch einmal ausdrücklich die Transparenz des Taxifahrens in Tallinn gelobt. Durch allgegenwärtige Angabe des Grund- und Kilometerpreises sowie problemlose Identifikation des Fahrpersonals wird 'Bescheißen' quasi unmöglich gemacht. Könnten sich andere Länder mal ne Scheibe von abschneiden. Bild Bild Unser Zimmer im Hostel "The Dancin' Eesti" war noch nicht bezugsfertig, aber zumindest konnten wir unsere Taschen abstellen. Da sich das Wetter von seiner besten Seite zeigte, erworben wir erst einmal ein nationales Brauereierzeugnis und genossen dieses in der fast schon zu warmen Sonne. Für High Noon war eine kostenlose (bzw auf freiwilliger Spende basierende) Führung angesetzt an der wir teilnehmen wollten. Bild Zu dieser trafen wir uns mit Daniel aus Saarbrücken, wohnhaft in Köln, von dem wir durch das einschlägig vorbestrafte Forum wussten, dass er zur selben zeit in Tallinn weilte. Tallinn hat wirklich eine wunderschöne, verschachtelte Altstadt, die sich in Domberg und Unterstadt aufteilt und von einer gut erhaltenen Stadtmauer umgeben ist. Zentraler Punkt der Unterstadt ist der malerische Rathausplatz. Von der Führung bekamen wir nicht viel mit, da wir natürlich über das einzige relevante Thema parlierten, aber durch die treudoofe Verfolgung der Gruppe bekamen wir zumindest einen Rundgang geboten. Der Weg führte auf den Domberg, an der Alexander-Newski-Kathedrale und dem heute als Regierungssitz genutzten Schloss vorbei in Richtung Dom. Hinter dem Dom hat man einen wunderbaren Blick über das nördliche Tallinn und die Ostsee. Nachdem wir uns also einen Eindruck verschafft hatten, drückte der Magen aufs Gaspedal. Daniel war bereits seit Donnerstag in der Stadt und lotste uns zum 'Lido', einem Schnell-Restaurant, dass nach Marktplatz-Art strukturiert war. Bild Man kann sich aus diversen Hauptgerichten und Beilagen seine individuelle Mahlzeit zusammenstellen, und das auf fairem Preisniveau. Nach der Nahrungszufuhr ereilte uns wieder der Durst - es ist echt ein Teufelskreis. Also ab zum Supermarkt und mit ein paar Kaltgetränken eingedeckt. 'Kalt' war allerdings nur das Verhalten der Kassiererin, was die Flüssigkeitstemperatur angeht einigen wir uns mal auf 'magenfreundlich'. Mit dem erworbenen Gebräu begaben wir uns in eine Grünanlage, die etwas erhöht lag, so dass wir unter uns dem regen Treiben auf den Straßen zusehen konnten. Wir quatschten über Fußball, Gott und die Welt und der Nachmittag neigte sich gen Abend. Daniel, der erst kürzlich von einer viermonatigen Lateinamerika-Tour zurückgekehrt war (Neid!!!), wusste darüber kurzweilig zu berichten. Das festigt meinen Entschluss, diese kulturell und fußballerisch interessante wie auch brisante Region baldmöglichst zu bereisen.

Nun war es Zeit, zum Kick des Tages aufzubrechen. Das bedeutete, den Bus nach Lasnamäe zu nehmen. Lasnamäe ist die östliche Vorstadt von Tallinn. Es handelt sich um eine riesiges Plattenbauviertel, dass in den 70ern und 80ern im Sowjet-Style errichtet wurde. In diesem lebt knapp ein Zwölftel der nur knapp 1,3 Mio Esten. Bild Bild Zum Vergleich: Estland hat also grad mal so viele Einwohner wie München. Diese verteilen sich aber auf eine Fläche, die ungefähr so groß ist wie Niedersachsen. Ein Zwölftel der Esten stapelt sich aber auf einem prozentual minimalen Teil des Landes, einer Fläche die einem Siebtel des Essener Stadtgebietes entspricht! Irgendwie Irre, aber lassen wir das... hier geht‘s ja um Fuppes . Nach Verlegung des Derbys blieb also lediglich die Möglichkeit den dritten Erstligisten der Stadt zu besuchen, wenn man denn den Länderpunkt verbuchen wollte. Ajax Lasnamäe ist siegloser Tabellenletzter der Meistriiliga und hat es in 15 Spielen schon auf beachtliche 53 Gegentore gebracht. Dass versprach eigentlich ein Schützenfest, wenn... ja wenn nicht mit dem FC Kuressaare das einzig andere Team der Liga, dass ähnlich miese Vorstellungen abzuliefern scheint und als einziges noch ansatzweise in Reichweite war, zu Gast gewesen wäre. Der FC Kuressaare ist übrigens auf der größten estnischen Ostseeinsel Saaremaa beheimatet. Dass sich die Gastgeber mit ihrem Namen an den mehrfachen Europacup-Sieger anlehnen, kann ich zwar nur vermuten, aber der Aufbau des Clubwappens nährt diesen Verdacht. Wer hierzu Fundiertes zu berichten weiß, darf mich gern über das Gästebuch oder per Email in Kenntnis setzen. Das 'FC Ajax Staadion' übertreibt reichlich, wenn man es denn auf seinen Namen reduziert. Bild Von einem Stadion kann man in keinster Weise sprechen. Es handelt sich um einen normalen Rasenplatz, dem an einer Längsseite ein mit Sitzbänken versehenes fünfstufiges Holzgestell beigefügt ist. Das war immerhin mehr, als vorher auf Fotos auszumachen war. Bild Letztlich waren 55 Betrachter zugegen. Support wurde natürlich nicht geboten - wie auch, bei den paar Leuten. Eintritt wurde nicht erhoben, aber als wichtigste Entdeckung entpuppte sich ein Catering-Stand, der uns ermöglichte, der trostlosen Veranstaltung zumindest durch Bier und Wurst eine Spur Fußball-Gefühl zu verleihen. Über das sportliche Geschehen decken wir den Mantel des Schweigens. Dabei kann ich nicht mal sagen, ob es gut oder schlecht war, da wir mit dem beschäftigt waren, was wir den ganzen Tag schon taten. Quatschen und Bier trinken. Vielleicht trafen wir damit dieses mal nicht den Grundgedanken des Hoppings, aber anders war diese zweifelhafte Erstliga-Veranstaltung wohl auch nicht zu ertragen. Wir waren aufmerksam genug, um mitzubekommen, dass der einzig wahre FC Ajax seinen dritten Punkt einfuhr und dabei sogar die Saisontreffer fünf und sechs erzielte. Nach diesem Brisanzkick fuhren wir zurück in die Altstadt und krendenzten uns noch einen Gerstensaft in einer Lounge, Bar oder was es auch immer sein sollte. Ich wurde bald müde und ließ mich von Christian zu unserem Hostel bringen, da wir über nur einen Schlüssel verfügten und er mit Daniel ein letztes Getränk schlürfen wollte. Glücklicherweise hatten wir unser Vierer-Zimmer für uns allein. Der Raum war zwar im Decken- und Fensterbereich ziemlich runtergekommen, aber dafür war es das hinterste Gemach und wir hatten unsere Ruhe. Auf den Straßen war es zwar noch laut (Tallinn ist überflutet von Engländern, alles weitere kann man sich denken), aber in unserem, wie wir erfahren hatten, als Party-Hostel verrufenen Etablissement herrschte Stille.
 
So. 19.06. 19:00 - Olimps Riga FC Gulbene 2005 1:3 (Virsliga), 435  Zuschauer (? Gäste)
 
Der nächste Morgen brachte uns eine Straßenbahnfahrt zum internationalen Busbahnhof. Daniel war nun nicht mehr an unserer Seite. Er verbrachte noch einen Tag in Tallinn und flog dann nach Hause. Die Fahrt nach Riga verlief reibungslos und wurde zum großen Teil verpennt. In den Wachphasen konnte man Eindrücke von der Landschaft sammeln. Viel Grün in Form von Wald und Wiese. Wenig Population und Bebauung. Is ja auch klar, wohnen ja alle in Lasnamäe . Nach etwas mehr als vier Stunden Ankunft nach 14 Uhr in Riga. Bei der Fahrt durch die Außenbezirke der Stadt sieht man reichlich alte heruntergekommene Plattenbauten, die in Tallinn völlig fehlen. Die Plattenbau-Viertel Rigas sind auch nicht mit Lasnamäe zu vergleichen, da sich letztgenannte Siedlung in ganz passablem Zustand präsentierte. Riga offenbart sich da schon deutlich ex-sozialistischer. Die Stadt wirkt auch deutlich metropolitischer und größer, ist sie ja auch. Riga hat mit knapp 800tausend fast doppelt so viele Einwohner wie Tallinn und ist auch die größte Stadt überhaupt in den baltischen Staaten. Kurz vor Riga ging meteorologisch mal kurz die Welt unter, aber es schien, dass sich der Wettergott entschieden hatte die gesamte Niederschlagsmenge des Tages in fünf Minuten abzuwerfen und als wir aus dem Bus stiegen herrschte schon wieder eitel Sonnenschein. Zunächst mussten wir ein wenig Kohle tauschen, da Lettland ja noch nicht über den Euro als Zahlungsmittel verfügt. Der erste Weg führte dann zum Hostel, das auf den schlichten Namen 'Central Hostel' hört und sehr sauber und aufgeräumt wirkt. Wir hatten wiederum zwei Betten im Vierer gebucht. Der Raum war sehr geräumig, hübsch aufgemacht und da noch niemand da war, konnten wir uns die beiden Einzelbetten schnappen. Kurz die Sachen abgestellt und dann ging es auf Stadtrundgang. Allerdings mussten wir vorher noch den Bedürfnissen unserer wohlgeformten Körper gerecht werden. Glücklicherweise gibt es auch in Riga ein 'Lido', welches zunächst zielstrebig aufgesucht wurde.

Bild Bild Auch Riga hat eine schöne Altstadt zu bieten. Allerdings wirkt diese nicht so kuschelig eng wie die Tallinner Altstadt. Riga ist erinnert vom Baustil ein wenig an Prag oder Budapest. Zunächst liefen wir an der orthodoxen Christi-Geburt-Kathedrale und dem Freiheits-Denkmal vorbei. Dann weiter quer durch die Altstadt in Richtung des Flusses Daugava, der hier kurz vor der Mündung eine beachtliche Breite hat, und ließen uns auf einer Bank am restaurierten 'Schwarzhäupterhaus', dem ehemaligen Versammlungshaus der hanseatischen Kaufleute, dessen Geschichte bis ins 14. Jahrhundert zurückgeht, nieder. Von da ein kurzes Stück an der Daugava entlang, an der Alexander-Nevski-Kirche vorbei. Dann an einem kleinen Laden zwei Buddels mitgenommen und in den Park am Rande Bild Bild der Altstadt niedergelassen. Hier ließen wir uns ein wenig die Sonne auf die Runkel scheinen, schlürften in Ruhe die zwei Fläschkes und bestaunten die lettischen Schönheiten. Irgendwann war es dann Zeit in Richtung Stadion aufzubrechen, dass in einer guten Viertelstunde fußläufig zu erreichen ist. Die Ansetzung zwischen Olimps und Gulbene hatte zwar den sportlichen Nährwert der Vortags-Partie, aber der Kick fand dafür im Länderspiel-Ground des Landes, dem 'Skonto-Stadion' statt. Damit war zumindest das Ambiente einem Fußallspiel angemessen. Es handelt sich um ein reines Fußballstadion für etwa 8.000 Personen, welches ausschließlich Sitzplätze bietet. Die Geraden wissen sich über die volle Länge an überdachten Tribünen zu erfreuen. Die Südseite wird durch eine unüberdachte etwas niedrigere Stahlrohrtribüne geschmückt. Die Nordseite hat zur Hälfte ebenfalls eine überdachte Tribüne zu bieten, die baulich mit der Gegengeraden verbunden ist. Die andere Hälfte ziert die Außenwand der 'Skonto-Halle', Bild Bild in der sich ein Fußballfeld in Originalgröße befindet und worin zum witterungsunbeständigen Saisonstart im Frühjahr die ersten Spieltage der Saison stattfinden. Praktischerweise wird für das Stadion auch der Umkleidetrakt der Halle genutzt, so dass die stadionbegrenzende Hallenwand gleichzeitig den Einlauftunnel für die Mannschaften beherbergt. Durch diese bauliche Beschaffenheit wirkt der Ground etwas unorthodox. Der Eintritt war wiederum frei - schon wieder kein Ticket  . Bild Olimps wurde seiner Negativ-Favoritenrolle gerecht und verlor die Partie mit 1:3. Support wiederum Fehlanzeige. Nach dem Schlusspfiff watschelten wir zurück gen Hostel, kehrten kurz vor Toresschluss nochmal beim Lido ein und fanden vom Durst getrieben noch eine Kellerpinte, in der ein Musiker an einem Keyboard einheimisches Liedgut im Stile von Udo Jürgens oder Howie Carpendale zum besten gab. Die wenigen anwesenden Herren balzten um die Gunst der in noch kleinerer Anzahl anwesenden Damen, was diese überwiegend genervt über sich ergehen ließen. Für uns jedenfalls ein amüsantes Schauspiel während des Genusses einiger Schlafbiere. Danach ab ins Hostel und ins Reich der Träume.
 
Mo. 20.06. 18:30 - FC Espoo vs PK-35 Vantaa 2:1 (Ykkönen), 362  Zuschauer (50 Gäste)
 
Am nächsten Morgen hieß es etwas früher aufstehen, um den 8:00-Bus zurück nach Tallinn zu erreichen. War auch kein Problem. Leider war die Kutsche fast ausgebucht und ich konnte darin nicht gut pennen, obwohl ich mich noch saumüde fühlte. Aber auch diese 4,5 Stunden gingen rum und die estnische Hauptstadt hatte uns wieder. Bild Für die kommende Nacht hatten wir wieder das 'Dancin Eesti' gebucht, bekamen auch dasselbe Zimmer und konnten glücklicherweise unsere Brocken schon mal darin abstellen. Dann ein kurzer Stopp an einer Burger-Bude und weiter ging es zum Fährhafen, wo um 14:00 unser Boot nach Helsinki ablegen sollte. Für die Überfahrt versorgten wir uns mit ein paar Fahrbier oder besser: Fährbier. Beim Boarding fiel uns dann auf, warum es offensichtlich eine solche Dichte im Fährfahrplan und auch mehrere Anbieter gibt. Für die Finnen ist die relativ kurze Überfahrt der reine Alkohol-Einkaufstourismus. Die skandinavischen Brüder karren einkaufswagen- und kofferweise Bier und Spirituosen in ihre Heimat. Ich habe zwar keine Kenntnis von den zollrechtlichen Grundlagen, aber angesichts der bewegten Mengen, muss es sich so oder so lohnen. Auf der 'Tallink Superstar' begaben wir uns erstmal an Deck und genossen das gute Wetter. Da die Fähre aber mit 27,5 Knoten (50 km/h) zu den schnelleren Ihrer Art gehört, wurde nach einiger Zeit der Fahrtwind auf See zu unangenehm und wir begaben uns hinter die Panorama-Bugscheibe unter Deck, sehr zur Freude der finnischen Familie am Nebentisch. Nach nur zwei Stunden wurde die finnische Hauptstadt erreicht. Bild Mit dem Bus ging es ins Zentrum. Das Wetter war weiterhin prächtig und da wir noch ein wenig Zeit hatten, inspizierten wir die Innenstadt und blieben schließlich im parkähnlich angelegten mittigen Grünstreifen einer Straße, die sehr an die Düsseldorfer Kö erinnerte, auf einer Parkbank hängen. Bild Diese grüne Lunge schien sehr beliebt zu sein, da alle Bänke besetzt und viele Spaziergänger unterwegs waren. Durch die Küstennähe, übernahmen die Möwen die Rolle, die in den deutschen Innenstädten die Tauben innehaben. Verdammt dreist die Viecher. Versuchten sogar eisessenden Passanten das Hörnchen aus der Hand zu klauen! Würde so'n gefiedertes Fluggerät auch nicht unbedingt gegen mich aufbringen wollen. Aus der Ferne sehen die ja ganz harmlos aus, aber wenn die einem so um die Runkel flattern, fällt erstmal auf, wie groß die doch sind. Langsam wurde ich müde, die Atmosphäre war entspannt und ich hätte sofort einpennen können. Aber wir hatten ja noch ein wichtiges Date mit einem vollschlanken, ganz in Leder (oder Synthetik) gekleideten Spielgerät, welches - obwohl sehr beliebt - den Großteil seines Daseins mit Füßen getreten wird. Also auf nach Espoo!

Wir liefen zum Bahnhof, hatten uns vorher schon nach der Verbindung erkundigt, und nahmen für ein paar Euro den Vorortzug nach Leppänvaara. Bild Vom dortigen Bahnhof ist das gleichnamige Stadion fußläufig zu erreichen. Es verfügt über eine blau-graue Laufbahn und eine recht stattliche Haupttribüne, die sich durchaus sehen lassen kann. In der einen Kurve befindet sich eine ziemlich alte und völlig überdimensionierte Anzeigetafel, in der anderen zwei Stahlrohr-Stehtraversen. Die Gegengerade bietet einige in den kleinen Hang gebaute Stufen, Bild die mit Brettern versehen sind, welche von den meisten dort Anwesenden als Sitzgelegenheit genutzt wurden. Die Kreidelinien auf dem Rasen verrieten, dass das Teil neben den Fußballern auch Leichtathleten zu Gast hat. Jedenfalls müssen dort vor Kurzem noch Hammer oder Diskusse um die Wette geflogen sein. Die Besucherzahl war zwar überschaubar, aber doch noch höher als wir erwartet hatten. Ob es daran lag, dass ein Hauch von einem Derby in der Luft lag? Es spielte mit Espoo gegen Vantaa die zweit- gegen die viertgrößte Stadt Finnlands. Die erstgenannte ist die westliche, die zweitgenannte die nördliche Nachbarstadt Helsinkis. Es war ein Spiel der Gegensätze. Der sieglose Tabellenletzte empfing den ungeschlagenen Tabellenführer. Aber unverhofft kommt oft. Nach zwanzig Minuten führte der Außenseiter mit 2:0. Zuerst schlug ein perfekt getretener direkter Freistoß genau im Torgiebel ein und wenig später noch ein abgefälschter Sonntagsschuss.Bild BildNee, nee, und sowas an einem Montag. Es war auch nicht auszumachen, wer Erster und wer Letzter war. Die Heimelf mühte sich redlich und hätte auf 4:0 oder 5:0 erhöhen können und die Gäste grotteten so vor sich hin. Christians Laune hielt sich in Grenzen, da ihm dieses Ergebnis unerwartet den bwin-Kombi-Tipp versaute. Die abartige Halbzeitwurst im zentimterdicken Kunstdarm verbesserte die Situation natürlich auch nicht. Da die Partie später begonnen hatte (wohl kaum wegen unerwartetem Andrang), mussten wir das Stadion leider ein paar Minuten früher verlassen, um das Erreichen der letzten Fähre sicherzustellen. Dadurch verpassten wir den späten Anschlusstreffer von PK-35. Also hetzten wir zum Bahnhof zurück und nahmen den nächstbesten Zug nach Helsinki. Da man im Zug lösen darf, aber kein Schaffnix kam, war die Rückfahrt sehr kostengünstig. Am Hauptbahnhof von Helsinki entschieden wir uns für ein Taxi zum Fähranleger. Bild Als der Fahrer den Taxameter anstellte, bekamen wir erstmal Schnappatmung – 8,30 Euro war der Grundpreis . Alter Falter - die spinnen, die Finnen! An der Fähre waren wir dann doch eine halbe Stunde zu früh, naja, besser als zu spät. Die ‚Talllink Star’ (Schwesterschiff der ‚Superstar’) hatte die Ehre, uns nach Estland zurück zu bringen. Eigentlich wollten wir nur ein gemütliches Bier auf der Rückfahrt trinken, aber in der Bar war es zu teuer und im Schiffs-Discounter gab es keine einzelnen Dosen. Daher entschieden wir uns für einen 24er-Karton 0,33er-Dosen mit Tragegriff und wollten ein paar Dinger trinken und den Rest stehen lassen. Büchsenbier, das lob ich mir. Bild Wir setzten uns ans Heck in eine windgeschützte Ecke und genossen den Sonnenuntergang über dem finnischen Meerbusen. Der Kahn (nicht der Olli, sondern die ‚Tallink Star’) erreichte pünktlich Tallinn und wir nahmen die letzte Etappe, den Fußweg zum Hostel in Angriff. Allerdings liegt der Fährhafen nur zwanzig Minuten ‚walking distance’ von der Altstadt entfernt. Im Zimmer stellten wir dann fest, dass sich ein weiterer Bewohner eingefunden hatte. Eigentlich wollten wir uns leise hinlegen, aber er setzte sich sofort auf und sprach uns an. Er war Südafrikaner und hatte an den Besuch einer Hochzeit in England noch eine kleine Europa-Tournee gehängt. Also quatschten wir noch eine Stunde. Wir hatten es dann doch nicht übers Herz gebracht, den Karton mit dem Bier stehen zu lassen und teilten die letzten Dosen (O-Ton Christian:“ Gib mir noch ma n Bier aus unserer Reiseapotheke!“) mit unserem Zimmergenossen. Der nächsten Morgen führte uns dann nur noch zum Flughafen. Herr Ryan brachte uns pünktlich nach Bremen zurück und die Fahrt nach Essen verlief auch ohne Zwischenfälle. Christian durfte ja noch weiter fahren in sein Heimatdorf.

Fazit: Eine recht kurzweilige Sache mit ausreichend Spaß. Irgendwie zu viel Bier für ne Hopping-Tour, aber trotzdem lecker. Zwei wunderschön zu betrachtende Städte mit ebenso wunderschönen weiblichen Eingeborenen und die Erkenntnis, die Taxi-Nutzung in Finnland möglichst zu vermeiden. Außerdem drei neue Länderpunkte durch dreifachen sportlichen Rotz. Nun ja, da ich mit Litauen auch noch eine sportliche Rechnung offen habe, wird mich das Baltikum eines Tages wiedersehen.

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(Manni Breuckmann)


 
 
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