Wir schreiben Oktober 2011 und ich bin gerade mit Christian und Tim aus Liverpool kommend am 'Belfast International' eingeflogen. Während das Wetter am Mersey noch stabil war, geht hier nun die Welt unter und es schüttet wie aus Whiskey-Fässern. Gegen Mittag wird es etwas ruhiger und es gibt nur noch vereinzelte Schauer, so dass wir einen Rundgang durch das Viertel um die 'Falls Road' und die 'Shankhill Road' unternehmen können, also die Gegend wo sich katholisch-republikanische mit protestantisch-unionistisch eingestellten Bewohnern immer wieder gewaltsame Konflikte lieferten und heute viele 'Murals', die kunstvollen Wandbilder, an die Bürgerkrieg-ähnlichen Auseinandersetzungen erinnern. Dieses war aber nicht der Grund unseres Besuchs in der nordirischen Hauptstadt, sondern der 'Clasico' des 'NIFL Premiership', das 'Belfast's Big Two' genannte Derby zwischen Glentoran und Linfield im legendären 'The Oval', dem Stadion in dem Glentoran seit 1892 seine Heimspiele austrägt. Nachdem wir uns in einem Pub gestärkt haben, latschen wir zur Haltestelle und als wir den Fahrzeugführer befragen, ob wir mit seinem Gefährt zum gewünschten Ziel gelangen, antwortet er nur mit einem überraschten "Oh - is the game on again?". WAMS! Ohne eine einzige Handbewegung hatte uns der Kutscher alle drei mit einem klassischen Punch auf den Ringboden befördert. Über ein Smartphone verfügte vor fünf Jahren von uns tatsächlich noch keiner, so dass ein Anruf in der Heimat mit der Bitte um Überprüfung der Glentoran-Website die Gewissheit brachte: "Game postponed due to a waterlogged pitch!". Prinzipiell musste man gar nicht überrascht sein, da es am Vormittag wirklich in atemberaubenden Mengen gekübelt hatte. Aber die Besserung der Wetterlage hatte uns in der Hoffnung bestärkt, dass die witterungs-erprobten Nordiren einfach nen Ball in die Mitte schmeißen und loslegen. So blieb nur ein geselliger Pub-Abend und gegen Mitternacht trennten sich unsere Wege, da am frühen Morgen mein Heimflug ab Dublin anstand.
Fr. 21.10. 19:45 - Derry City FC vs Sligo Rovers FC 2:1 (League of Ireland), 1.300 Zuschauer (40 Gäste)
Seit diesem tragischen Ereignis ist mir die Schließung dieser Wunde nicht gelungen. Ich hatte den Anspruch, dieses phantastische Stadion und den damit verbundenen Länderpunkt unbedingt mit dem Derby einzulösen, aber da sich immer wieder Terminüberschneidungen oder Ansetzungen in der Woche ergaben, schob ich die Nummer fröhlich vor mir her. Vor ein paar Monaten schlug dann die Nachricht ein, dass das Oval bald einem Neubau weichen soll. Also wurde es Zeit sich dem Thema wieder intensiver zu widmen. Das Derby konnte es mangels Flexibilität leider nicht werden, so wurde ein Wochenende herausgesucht, an dem man auch gleich den nicht weniger kuscheligen 'Dalymount Park' in Dublin abhaken konnte. Dass es dazu nicht kommen sollte, weil das Spiel des gastgebenden Bohemians FC vorverlegt wurde, passt dann optimal zur Vorgeschichte. Der Ärger darüber hielt sich aber in Grenzen, da mit dem Spiel des Derry City FC guter Ersatz vorhanden war. Da 2012 das Titanic-Museum in Belfast eröffnet wurde war es obligatorisch dass mich die wichtigste Frau in meinem Leben auf diesem Trip begleitet, denn die Dame verspürt eine intensive Affinität zum Schicksal des Luxusliners. Frühzeitig wurden Flüge mit dem irischen Billig-Bomber zu vertretbaren Preisen gebucht. Am Freitag-Morgen ging es dann kurz nach acht gen Eindhoven, wo das Auto kostenfrei im an das Business-Viertel 'Flight Forum' angrenzende Wohngebiet Meerhoven abgestellt wurde. Von dort sind es knappe 20 Minuten Fußweg zum Terminal. Kumpel Ryan hatte heute etwas Probleme, so dass es mit 45minütiger Verspätung losging. In Dublin verfolgte ich dann die übliche Taktik auf dem Weg zum Exit an allen Passagieren schnellen Schrittes vorbeizukommen, um etwaige Wartezeiten an der Mietwagen-Bude zu minimieren. Man weiß ja nie wer möglicherweise alles eine Kiste beim selben Vermieter gebucht hat. Klappte aber dieses Mal nicht so recht, denn die Vermieter sitzen nicht unmittelbar im und am Terminal. Stattdessen wird man per Shuttle zu einem nahen Gelände gebracht, wo alle großen Vermieter sitzen und geschätzt eine Millionen Autos geparkt sind. Irgendwie logisch, denn annähernd 90% der Irland-Sommer-Touris werden sich einen Mietwagen nehmen, da die Insel sonst nur sehr unflexibel zu erkunden ist. Weil ich aber der totale Pfiffikus bin, stand ich trotzdem ganz vorn am Schalter und wir nahmen unseren Wagen, einen Seat Mii, binnen weniger Minuten entgegen und los ging es.
Das Ziel hieß Londonderry oder für die weniger unionstreuen einfach nur Derry. Einen kleinen Schlenker bauten wir ein, indem wir erst die M1 bis Höhe Dundalk fuhren und dann auf die N53 wechselten.
Von dort noch mal kurz abgebogen gab es eine kleine nicht allzu spektakuläre Burgruine kostenfrei zu begutachten, das im 13.jahrhundert erbaute 'Roche Castle'. Weiter ging es über Monaghan und Omagh nach Derry. Tja, Londonderry oder Derry - was ist nun richtig? Ursprünglich hieß die Stadt nur Derry, abgeleitet vom gälischen 'Doire', was soviel wie 'Eichenhain' bedeutet. Im 17.Jahrhundert wurde der Name zum Dank für die Spenden einiger Londoner Handelsunternehmen in Londonderry abgeändert. Schon damals stieß das bei vielen Einwohnern auf Ablehnung. Im Zuge des Nordirlandkonflikts, den sogenannten 'Troubles', bekam die unterschiedliche Bezeichnung dann einen politischen Beigeschmack. Unionstreue Einwohner sprechen von Londonderry, republikanisch eingestellte Bürger von Derry. Schwierig wurde es für die, die Neutralität wahren mussten oder wollten, wie z.B. diverse Medien.
Diese verwendeten auch im gesprochenen Wort die Bezeichnung "Derry/Londonderry", also "Derry-Stroke-Londonderry", woraus die umgangssprachliche Bezeichnung 'Stroke City' entstand. Ganz grob zusammengefasst finden die Troubles ihren Ursprung in der Eroberung und Unterwerfung Irlands durch die Engländer im Mittelalter. Vor allem der Norden Irlands litt unter der konsequenten Besiedelung protestantischer Engländer.
1921 kam es in Folge des Unabhängigkeitskrieges zur Teilung. Nur der Großteil der nördlichen Provinz Ulster (die Grafschaften Donegal, Monaghan und Cavan wurden dem irischen Freistaat, der heutigen Republik, zugesprochen) blieb britisch. Da aber die Radikalen in der Republik weiterhin einen Gebietsanspruch auf die ganze Insel erhoben und die Katholiken in Nordirland weiter benachteiligt und unterdrückt wurden, schwelte die Aggression gegen die Besatzungsmacht so vor sich hin. Ende der 60er Jahre verschärfte sich der Konflikt in dem unionstreue Protestanten in Belfast mit Einschüchterungen gegen Katholiken begannen. Der Konflikt schwappte dann auch nach Derry und eskalierte dort in der 'Battle of Bogside' als protestantische Gruppen symbolisch den 280.Jahrestag der "Befreiung Derrys von den Katholiken" feierten und den katholischen Stadtteil Bogside stürmten und dessen Bewohner provozierten. Zwei Tage tobte eine blutige Schlacht,
so dass sich die nordirische Regierung gezwungen sah, die britische Armee zu Hilfe zu rufen. Anfangs wurde dies von den Katholiken begrüßt, da die Armee als neutraler Beschützer angesehen wurde. Da aber die allseits bekannte paramilitärische IRA an Einfluss gewann und eine Art Guerilla-Krieg gegen die Armee begann, kippte die Stimmung bald, denn die Armee griff hart, teilweise überhart gegen die republikanischen Kämpfer und deren Sympathisanten durch. Damit war der Nordirlandkonflikt in vollem Gang und sollte erst mit dem 'Karfreitagsabkommen' im Jahr 1998 ein Ende finden.
Der 'Bloody Sunday' im Januar 1972 wird gemeinhin als Auslöser der totalen Eskalation des Konflikts bezeichnet. An diesem Sonntag im Januar 1972 wurde eine nicht genehmigte Demonstration für Bürgerrechte von britischen Fallschirmjägern blutig niedergeschlagen. 13 Menschen fanden den Tod. Keiner davon war bewaffnet und einige wurden hinterrücks erschossen. Ich kann hierzu den gleichnamigen Film von Paul Greengrass empfehlen, der die Ereignisse dieses Tages beeindruckend wie bedrückend aufarbeitet. Es dauerte übrigens bis 2010, dass sich die britische Regierung für das unrechtmäßige Handeln der Soldaten entschuldigte.
Nachdem wir unser Zimmer im gebuchten Guesthouse bezogen hatten, nutzten wir die letzte Helligkeit des Tages, um uns mit der Geschichte der 'Troubles' zu befassen. Im Bereich um die 'Rossville Street' findet man zwei Dutzend der bereits angesprochenen 'Murals',
die es ja nicht nur in Belfast gibt, sondern in jedem Ort Nordirlands, der mit dem Konflikt zwischen Republikanern und Unionisten beschäftigt ist. Die Rossville Street begrenzt das bereits angesprochene Bogside-Viertel. Die Malereien sind teils sehr düster und geben einen Eindruck von dem, was die Menschen während des Konfliktes bedrückt hat und vermutlich auch heute noch beschäftigt. Bekannt dürfte das Bild der 'Free Derry Corner' sein. Der Slogan wurde auf eine fensterlose Giebelwand des Häuserblocks an der Ecke Rossville Street, Lecky Road und Westland Street gemalt. Mittlerweile wurde diese Ecke komplett umgestaltet. Der ganze Häuserblock wurde abgerissen, nur die symbolträchtige Giebelwand wurde stehen gelassen. Auch die ghettoartigen neunstöckigen Wohnblocks 'Rossville Flats' existieren heute nicht mehr und wurden zugunsten gemütlicher typischer Reihenhäuser ersetzt, so dass dieser Straßenzug heute viel freundlicher wirkt, als es Bilder aus den frühen 70ern vermitteln.
Zeit, sich der Nahrungsaufnahme zu widmen. In einem nahen Pub wurde diesem Bedürfnis bei Burger und Guiness nachgekommen. Kennt ihr das, wenn einem bestimmte Lebensmittel oder Getränke nur an bestimmten Orten schmecken? Ein prominentes Beispiel ist ja der Tomatensaft im Flugzeug. Oder die gute alte Klobasa, die ja eigentlich auch nur beim Fußball in Tschechien wirklich mundet. So geht es mir auch mit dem Guiness. Also ich trinke die dicke Brühe ja grundsätzlich gerne.
Aber nirgendwo schmeckt mir das Zeug so gut wie auf den britischen Inseln. Eine halbe Stunde vor dem Kick-off latschten wir dann mal los und trafen zehn Minuten vor dem Beginn am 'Brandywell Stadium' ein. Derry City - ein Club mit einer interessanten Geschichte. Der Verein nahm bis in die späten 60er Jahre ganz normal am Spielbetrieb der nordirischen Liga teil. Dann eskalierten die beschriebenen Unruhen zwischen den republikanischen Katholiken und den unionstreuen Protestanten und die Lage verschärfte sich.
Das 'Brandywell' liegt außerhalb der Zone, die unter vollem Einfluss der zur Hilfe gerufenen britischen Armee stand, so dass die Lage dort immer unsicherer wurde. Nach mehreren Vorfällen bei Spielen gegen unionstreue Vereine wurde der Ground vom Fußballverband gesperrt und City musste nach Coleraine ausweichen. Da die Derry-Anhänger es vermieden ins protestantische Coleraine zu fahren und Sponsoren absprangen, bekam der Verein finanzielle Probleme. Nachdem ein Antrag ins 'Brandywell' zurückkehren zu dürfen abgelehnt wurde, zog sich der Club 1972 aus der Liga zurück. Es folgten mehr als zehn Jahre auf regionaler Ebene und da der jährlich formell eingereichte Antrag, im 'Brandywell' wieder an der Profi-Liga teilnehmen zu dürfen, jedes Mal abgelehnt würde, beantragte man schließlich die Aufnahme in die Liga der Republik Irland, dem 1985 dann stattgegeben wurde. Seitdem kickt Derry City also mit einigem Erfolg in der irischen Liga mit. Das 'Brandywell Stadium' fasst 7.700 Zuschauer und hat einen ganz speziellen Charakter. Da sich das Spielfeld in der Mitte einer Windhund-Rennbahn befindet, ist die Anlage nicht typisch britisch. Über die eine Gerade zieht sich bis in die Kurven eine überdachte Tribüne. Der übrige Ausbau in den Kurven ist marginal. Auf der anderen Geraden findet man einige Stehtraversen und einige Sitzreihen, sowie eine Überdachung für Rollstuhlfahrer.
Bis vor kurzer Zeit befand sich auf dieser Seite auch noch eine kleine, kultige, überdachte Sitztribüne. Diese wurde aber vor wenigen Monaten abgerissen, da eine ganz neue Tribüne errichtet werden soll. Eigentlich sollte diese längst fertig sein. De facto ist aber nicht mal im Ansatz ein Bauvorhaben zu erkennen. Da heute das letzte Heimspiel der Saison stattfand, hatte City versucht seine Anhänger noch einmal in größtmöglicher Zahl zu mobilisieren.
Das gelang nicht so wirklich, so dass sich 1.300 Zuschauer eingefunden hatten. Zumindest die lange Sitztribüne war aber ordentlich gefüllt. Aus dem westirischen Sligo, dem zu Derry nächstgelegenen Spielort, hatten sich knapp 40 Anhänger her bemüht. Diese hatten als erste was zu jubeln, denn ihr Team ging nach einem Torwart-Fehler mit dem Pausenpfiff in Führung, obwohl die Gastgeber feldüberlegen waren. Ich hatte eigentlich mit üblem Gebolze gerechnet, aber erstaunlicherweise konnte man sich das Geschehen auf dem Rasen ganz gut anschauen. Auf Seiten den Heimmannschaft wurde auch aktiv supportet. Eine Gruppe von 25 Kibolen versuchte die 'Candystripes' angetrieben von Snare und Trommel mit einfachen Chants nach vorne zu treiben. Der Kracher war das natürlich nicht. City kam frisch aus der Kabine und legte eine gewaltige Schüppe drauf. Die Gäste kamen eigentlich kaum noch zu Zuge. Folgerichtig konnte Derry die Partie drehen. Dieses unfassbar aufregende Spiel hatte uns fürchterlichen Durst bereitet, so dass wir nach dem Schlusspfiff unbedingt noch zwei schöne Pubs mit unserer Anwesenheit beglücken mussten, bevor wir uns nach Mitternacht zur Nachtruhe zurückzogen.
Sa. 22.10. 15:00 - Glentoran FC vs Cliftonville FC 2:1 (NIFL Premiership), 1.878 Zuschauer (300 Gäste)
Lang war die Nacht nicht so wirklich. Halb acht aufstehen ist am Wochenende ja nicht so mein Ding. Geht aber gerade noch klar. Wenn dann aber die Herzdame vergisst, ihr Telefon an die Zeitzone anzupassen und trotzdem ganz normal den Wecker stellt, kann es auch schon mal passieren, dass man noch ne Stunde früher wach ist und das geht dann eben nicht mehr klar! Das fiel mir aber auch erst auf, als meine Sinne schon geweckt waren, so dass nur noch ne Stunde Dösen angesagt war. Das 'cooked breakfast' hörte sich auch besser an als es war. Zwei blasse Scheiben Speck, zwei Spiegel-Eier und ne lauwarme halbe Tomate sind jedenfalls nur bedingt ein Zeichen für Wertschätzung der Gäste. Um neun hieß es Abfahrt und um kurz vor halb elf stellten wir unseren Boliden in der Tiefgarage unter dem Titanic-Museum ab. Meine Dame ist fasziniert vom Schicksal des Luxusliners, dessen Jungfernfahrt seine einzige bleiben sollte. Mit dem 'Titanic Belfast', welches nicht als Museum sondern als Erlebniszentrum bezeichnet wird, wurde vor vier Jahren eine Attraktion geschaffen, welche die Geschichte des Schiffs von der Planung bis zum Untergang und dem Aufspüren des Wracks umfassend beleuchtet. Gebaut wurde die 'Titanic' bei der Werft 'Haarland & Wolff'.
Belfast war in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts die Welthauptstadt des Schiffsbau und unmittelbar neben der Stelle an der die Rumpf, quasi die Karosserie, des Dampfers gebaut wurde, steht nun ein futuristisch wirkendes Gebäude mit glänzender Fassade. Dabei wurden einige Gemeinsamkeiten zum Schiff hergestellt. Die vier Zacken des sternförmige Gebäudes erinnern stark an einen Schiffsbug und sie ragen exakt so hoch in den Himmel wie der Bug der 'Titanic' war. Im Inneren des Gebäudes wird dem Besucher mit 3D-Animationen, Holografien, interaktiven Touchscreens die Geschichte des Rekorddampfers nahe gebracht. Diese ist in verschiedene Kapitel aufgeteilt, die man in einzelnen Ausstellungsräumen durchläuft. Die Abteilung, die sich mit dem Untergang befasst, berührt durchaus emotional. Dafür sorgen geschickte Effekte. Die Temperatur ist niedriger als in dern anderen Räumen, es ist eng und dunkel, wirkt beklemmend und aus dem Off hört man Morsezeichen und die ängstlichen Original-Stimmen von Überlebenden, die berichten, wie sie die dramatischen Stunden erlebt haben. Zur Geschichte des Schiffs brauche ich ja nichts erzählen, die ist ja wirklich jeder Sau zumindest in groben Zügen bekannt. In der Ausstellung erfährt man ergänzend zum eigenen Wissen viele interessante Details. Wenn man sich Zeit nimmt, ist man drei Stunden beschäftigt. Mit umgerechnet knapp 20 Euro ist das 'Titanic' nicht ganz billig, aber es lohnt sich absolut, kann ich nur empfehlen.
Für die Dame war das Highlight der Reise nun Geschichte aber meines stand ja kurz bevor. Nur fünf Minuten zu fahren waren es zum 'Oval' vom Glentoran Football Club. Heute also zweiter Versuch, dieses Mal aber safe, denn das Wetter präsentierte sich stabil. Ab und an zeigte sich sogar die Sonne, dann wurde es richtig kuschelig. In der Ecke, wo sich der Gäste-Eingang befindet, war ein völlig absurdes Bullen-Aufgebot mit gepanzerten Wagen aufgefahren worden. Okay, der Kick gegen Cliftonville ist ein Derby, aber von massiven Riots war ja eher nicht auszugehen. Sogar ein Hubschrauber war in der Luft, was ein Typ neben mir im Stadion mit Blick in den Himmel mit den Worten "Fuck off, it's nobody here!" kommentierte. Hatte er recht.
Für nicht mal 2tsd Zuschauer so ein riesiges Bullen-Fass aufzumachen, wirkte etwas überdramatisiert. Glentoran ist einer der ältesten nordirischen Clubs mit Gründungsjahr 1882. Das 'Oval' wird seinem Namen ziemlich gerecht. Die Grundform der Ränge mit den beiden an den Spielfeldrand gezogenen Geraden und den in sanfter Rundung gebauten Kurven erinnert stark an die Hafenstraße der 70er Jahre. Beide Längsseite bieten überdachte Sitztribüne.
Wenn man den positiven Aspekt der charakteristischen Giebeldächer, welche die Tribünen decken, unbeachtet lässt, verfügt die nördliche Gerade über eine relativ normale Tribüne. Dagegen ist die Hauptseite mit einer recht hohen wie steilen Tribüne nahezu spektakulär. Zudem überdeckt ein hoher Oberrang einen schmalen Unterrang, was einen wuchtigen Anblick schafft. Diese Tribüne ist nur etwa halb so lang wie das Spielfeld und sie steht Interessanterweise nicht in Symmetrie zu diesem sondern zu einer der Spielhälften versetzt. Was ich beim Betreten des Main Stand dann entdecken durfte, ließ mein Nostalgie-Herz noch höher schlagen. Im Bauch der Tribüne befindet sich ein lupenreiner Pub! Ein Traum. Auch das erinnerte mich stark an das alte Georg-Melches-Stadion mit seiner kultigen Stadion-Kneipe. Schade, dass ich noch ein Fahrzeug zu bewegen hatte,
sonst wären sicher ein paar Pint geflossen. Unmittelbar nach Betreten des Stadions waren wir übrigens wie erwartet auf Sascha aus der verbotenen Stadt getroffen, der Burger-fressend eine Mülltonne zum Stehtisch umfunktioniert hatte. Ein strikter Bezug zwischen dieser Szenerie und seiner Heimatstadt ist übrigens rein zufällig. Die Heim-Kurve war komplett beflaggt. Ich mag ja diese Farb-Kombination schwarz-rot-grün. Bis wenige Augenblicke vor dem Kick-off stand allerdings das zahlenmäßige Verhältnis von Zaunfahnen zu Kurven-Gästen in absolutem Widerspruch. Dann ergoss sich der Pub-Inhalt in die Kurve, die damit allerdings weiterhin eher spärlich gefüllt blieb. In früheren Zeiten waren in Europapokal-Duellen gegen britische Vereine auch schon mal über 50tsd im 'Oval'. Irgendwann wurde die Kapazität dann mehr und mehr begrenzt, so dass heute maximal 6.050 Zuschauer die Turnstiles passieren dürfen. Aber selbst gegen Linfield wird dieses Fassungsvermögen nur noch selten ausgereizt. Sportlich blieb das Niveau so überschaubar wie befürchtet. Cliftonville war in Durchgang eins das etwas abgeklärtere Team.
Die leichte Überlegenheit spiegelte sich dann auch im Halbzeit-Resultat von 0:1 wieder. Seit Anfang August hatte Glentoran kein Heimspiel gewinnen können und diese Serie schien sich fortzusetzen. Glentoran spielt eh eine erschreckend schwache Saison. Normalerweise spielt der Verein immer im oberen Bereich mit und holt auch alle paar Jahre den Titel ins 'Oval', aber aktuell hängen die 'Glens' dick und fett in der unteren Tabellenhälfte fest. Nach dem Seitenwechsel änderte sich das Bild allerdings. Die 'Glen-Men' gaben nun ordentlich Gas und setzen die Gäste ordentlich unter Druck.
Daraus resultierte zunächst der verdiente Ausgleich, durch Routinier Nacho Novo, den Spanier, der jahrelang für die Rangers gut genetzt hat. Die 'Glens' machten dann weiter Druck und beackerten unermüdlich die Hälfte der 'Reds' - mit dem Liverpool FC hat Cliftonville aber nur den Spitznamen gemeinsam. Mit Gründung im Jahr 1879 ist der Cliftonville FC ist aber sogar noch älter als die heutigen Gastgeber. Fünf Minuten vor dem regulären Ende war es dann aber so weit. Eine Flanke von der rechten Seite wurde lang und länger und segelte über die ganze Abwehr auf den langen Pfosten, wo sich ein 'Glen-Man' nach oben schraubte und die Kirsche in den Giebel nickte. Das veranlasste die Glentoran-Fans, die zur zweiten Hälfte hinter dieses Tor, auf das ihr Team nun spielte, gewandert waren, zu einem netten Ausrasten. In den letzten Minuten brannte nix mehr an. Dann konnte man noch ein Phänomen bestaunen, dass einem im britischen Fußball immer wieder begegnet. Keine Ahnung, ob die Blase drückte, das Irish Stew zu Hause dampfend auf dem Tisch stand oder die Kumpel im Pub warteten, aber binnen 120 Sekunden war das ganze Stadion wie leer gefegt. Sascha und ich nahmen uns noch ein bisschen Zeit, die leere Hütte ein wenig unter die Lupe zu nehmen, während sich die Dame panisch den übrigen Zuschauern anschloss und im Auto Zuflucht vor der mittlerweile abgekühlten Witterung suchte.
Saschas und mein Weg trennten sich dann, da er das Eishockey-Match der Belfast Giants anstrebte. Wäre prinzipiell auch für mich interessant gewesen, aber ich musste da etwas Rücksicht auf die Herzdame nehmen. Wir steuerten also unser südlich des Zentrums gelegenes Guesthouse an, mit dem wir einen echten Volltreffer gelandet hatten. Richtig gemütliches Teil, sehr liebevoll eingerichtet und mit einem supernetten Gastgeber mit dem wir eine interessante Unterhaltung führten. Den Abend verbrachten wir dann im Pub 'The Pavillon'. Ich finde es echt faszinierend wie die Briten und Iren ihre Pub-Tradition pflegen. Ich war ja schon in einigen Public Bars und kann mich an kaum einen erinnern, in dem nicht richtig was los war. Zu spät fanden wir nicht ins Bett, da die vorherige Nacht nicht richtig erholsam war. Am nächsten Morgen fuhren wir dann in Ruhe zum Airport Dublin und traten die Heimreise an. Mit Ryanair bin ich ja prinzipiell rundum zufrieden. Für günstige Kurse wird man in der Regel pünktlich befördert. Komfort-Ansprüche habe ich auf kurzen Strecken keine und das Anpreisen von Losen und sonstigem Schnick-Schnack muss man dann einfach mal überhören. Der Rückflug verspätete sich aber wie der Hinflug dann doch um eine Stunde, was mich ja grundsätzlich total nervt. Am besten finde ich aber die Hirnis, die sich schon eine halbe Stunde vor dem Boarding am Gate anstellen. Die Zeiten freier Platzwahl sind ja nun mal lange vorbei. Was soll das also? Und dann kommt die Durchsage, dass sich der Start um 60 Minuten verzögert und was machen die Ochsen? Stehen weiter fröhlich an, insgesamt also 90 Minuten, nur um dann brav den sowieso vorgegebenen Platz im Flieger einzunehmen. Naja, wer's braucht. Ich steige jedenfalls konsequent als einer der Letzten ein. Man hat ja schließlich lang genug mit der geringen Beinfreiheit zu kämpfen. Dumm nur, wenn dann bei eigentlicher Start-Bereitschaft der Captain mitteilt, dass man noch eine unbestimmte Zeit auf Freigabe warten muss, weil man das Start-Slot verpasst hat. Nee, mein lieber Herr O'Leary, das war heut nix.
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