Das 'Stadio Apostolos Nikolaidis', Heimstatt des Panathinaikos FC, kurz auch nur PAO gerufen, hat es mir rein durch die Betrachtung von Fotos fürchterlich angetan. Ein bodenständiger, enger Oldschool-Ground. Diesen in Verbindung mit einem wichtigen Spiel und der damit einhergehenden enthusiastischen, emotionalen Stimmung zu erleben, ist ein durchaus schon länger vorhandener Wunsch. Wurde also auch mal Zeit diesen umzusetzen. Das Spiel gegen PAOK, den Top-Club aus Saloniki und nicht zu verwechseln mit PAO, weckte mein Interesse, also wurden Planungen in diese Richtung aufgenommen. Nobbi und Marius konnten meiner Denkweise folgen und so buchten wir uns Flüge in die Hauptstadt Griechenlands. Den Hinflug wollten wir gemeinsam bestreiten und für die Rückreise kauften wir aus verschiedenen Gründen unterschiedliche Flüge. Ein Gutschein-Code der amerikanischen Expedia-Plattform sollte uns für ganz kleines Geld eine ordentliche Unterkunft verschaffen. Aber die Ochsen stornierten die Buchung kurzerhand ohne Begründung. Frage mich, warum man erst Gutschein-Codes raushaut, um den Kunden dann mit so nem Rückzieher zu verärgern. Dann bucht man doch über die Plattform künftig nicht mehr. Bleibt wie es ist - die Amis haben alle einen an der Waffel. Von der Meinung kann mich keiner abbringen. Marius buchte uns dann halt eine andere Bleibe für kleines Geld und Nobbi sicherte uns einen Mietwagen für 24 Stunden. Der Plan war nämlich am Samstag noch den Superleague-Kick in Tripolis zu sehen. Prinzipiell ein super Plan, wenn nicht zwei Wochen vor der Abreise beim Clasico zwischen PAO und Olympiakos Piräus dem Heimpublikum mal wieder komplett die Sicherungen durchgeknallt wären. Wohl etwas provoziert vom Präsidenten des Gastvereins, stürmten haufenweise Leute den Pitch. Und wenn man schon mal auf dem Rasen ist, kann man ja auch mal mit Leuchtspur-Munition auf die Gästespieler feuern. Absolut krank und indiskutabel. Ich hab ja grundlegend nix gegen ein wenig Bambule, aber wenn schwere Verletzungen oder sogar Schlimmeres billigend in Kauf genommen werden, bin ich mit dem Thema fertig, denn das ist keine Randale mehr, sondern schlicht kriminell! Das braucht kein Mensch, nicht mal in Griechenland! Das Spiel wurde dann zwar über die Bühne gebracht, aber man brauchte kein Prophet sein, um Sanktionen vorherzusehen. Diese kamen in der Form, dass der Liga-Betrieb bis hinab in Klasse drei auf unbestimmte Zeit komplett ausgesetzt wurde. Bei der entsprechenden Sitzung der Verantwortlichen, zeigte sich dann, dass die Funktionäre auch nur ein Spiegelbild der Fankurven sind. Der Olympiakos-Präsi schüttete dem PAO-Präsi ein Glas Wasser ins Gesicht und als der PAO-Vize einschreiten wollte, bekam dieser erstmal ne Gerade vom Leibwächter des Oly-Präsi. Sind doch alle völlig durch. Ich überlegte nun ernsthaft die Flüge (138 Euro mit Aegean) verfallen zu lassen. Die anderen beiden leisteten aber Überzeugungsarbeit und nach dem Check unterklassiger Spielpläne war auch klar, dass man irgendwas schon zu sehen bekäme. Letztlich setzte dann nur die Superleague einen Spieltag aus und danach sollte der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden. Schönheitsfehler war nur, dass der kommende ('unser') Spieltag noch ohne Zuschauer ausgetragen werden würde. Ein bisschen Rahmenprogramm wurde schon mal zusammen gestrickt und die Entscheidung, ob man Fußball in einem zugegebenermaßen schönen, aber eben leeren Stadion anschauen will, wurde vertagt.
Pünktlichst wurde am Freitag der Feierabend eingeleitet. Daheim wurden kurz die nötigen und unnötigen Klamotten in den Rucksack gestopft und mit dem Wagen fuhr ich nach Unterrath, stellte diesen dort ab und fuhr eine Station mit der S11 direkt unter das Terminal. Erstmalig wurde diese Anreise-Variante erprobt und nach der Rückkehr auch für gut befunden. Meine beiden Begleiter warteten schon mit einem Willkommen-Bier auf mich. Kurz geleert die Hülse, ab durch die Sicherheitskontrolle, pünktlich geboardet und beeinflusst von Laberei und Dosenbier landete man nach einer gefühlten Viertelstunde, reell aber um kurz nach 23:00 Uhr Ortszeit auf dem Airport 'Eleftherios Venizelos' knapp 25 Kilometer östlich von Athen. Die Anbindung an die Stadt ist gut. Wir erwischten soeben noch die letzte Metro, die uns ohne Umstieg zur Station 'Monastiraki' brachte, von wo wir noch knappe zehn Minuten Fußweg zum 'Sparta Team Hotel' hatten. Der Rezeptionopolos drückte uns den Schlüssel für eine Bude im dritten Stock in die Hand. Hochgefahren, aufgeschlossen und eine runtergekommene Bude mit einem Einzel- und einem schmalen Doppelbett offenbarte sich uns. Mission failed! Wir hatten ausdrücklich drei Einzelbetten gefordert. Also wieder zum Diensthabenden zurück und im zweiten Versuch klappte es dann mit den drei Betten. Nur der Raum war qualitativ nicht besser. Schmuddelige Wände, uralte Einrichtung, verrostete Leitungen über Putz, defekte Beleuchtung - sagen wir mal, es lag ein kleiner Renovierungsstau von höchstens dreißig Jahren vor. Unser Fenster offenbarte uns einen romantischen in einen etwa fünf Quadratmeter großen Innenhof, der wir ein Kamin in den Himmel ragte. Und als Kirsche auf dem Kuchen hing dort direkt neben unserm Fenster ein rohes gerupftes Hähnchen in einer durchsichtigen Tüte - warum auch immer. Gut, für 66 Euro all in für drei Mann und drei Nächte darf man sicherlich selbst in der Nähe des Omonia-Platzes nicht allzu viel erwarten. Aber ich frage mich, wie so eine Kaschemme überhaupt auch nur eine einzige positive Bewertung erhalten kann. Über Ausstattung und Zustand des Badezimmers decken wir mal den Mantel des Schweigens. Auf der anderen Seite hat man aber sicher auch schon schlimmere Löcher erlebt. Wenn ich da an den sanitären Bereich des Hotels im usbekischen Olmaliq denke. Aber auch alles egal. Sollte ja kein Liebesurlaub werden, sondern man benötigte ja nur ein warmes Refugium, dass man abends mit ein paar Bier im Schädel zur Nachtruhe nutzen konnte. Also mal direkt damit anfangen. Ein naher Kiosk hatte das Geforderte im Angebot und so tauschten wir die hier dringend benötigten Euros gegen liquides Gerstenbräu. Was zu Essen brauchten wir auch noch - das Hähnchen kam nicht in die engere Auswahl - aber ein leckeres Stück Pizza konnte ich noch ergattern. In der besten Gegend waren wir nicht grad abgestiegen, aber dafür ist die Ecke um 'Omonia' ja auch bekannt. Gerade nachts, wenn sich kaum noch ein Schwein auf der Straße befindet und alles verriegelt und verrammelt ist, breitet der Stadtteil mitsamt seinem herumliegenden Müll und den vollgeschmierten Hauswänden und Rolltoren seinen ganzen Charme aus. Da fügte sich unser Quartier schon hervorragend ein. Nach ein wenig Gequatsche und ein wenig mehr Bier schliefen wir selig ein.
Sa. 07.03. 15:30 - PAE Ethnikos Asteras vs Olympiakos Neo Liosia 1:2 (A' Kategoria Athen), 40 Zuschauer (3 Gäste)
Sa. 07.03. 18:30 - AEK Athen vs AO Ermionida FC 4:0 (Football League), 6.132 Zuschauer (? Gäste)
Ich hätte ja gern noch länger gepennt, aber meine Mitstreiter wurden um 9:00 Uhr nervös. Nach der Morgentoilette steuerten wir ein Café am 'Monastiraki' an. Mir reicht ja morgens oft ein Milch-Kaffee. Die touristische Tages-Aufgabe hieß 'Akropolis'. Dieses ist ja nicht, wie viele Leute irrtümlich meinen, der fette Tempel, sondern der Hügel auf dem der 'Parthenon' (eben der besagte Tempel) steht. 'Akropolis' bedeutet nichts anderes als eine Stadtfestung, von denen es in beinahe jeder größeren Ansiedlung in der Antike eine gab. Der Aufstieg fällt nicht allzu schwer. Ganz im Gegensatz zur Entrichtung des Eintrittsgeldes, das mit zwölf Währungseinheiten ganz ordentlich in den Etat einschlägt. Die Kontrollen scheinen lasch und man hat sicherlich eine gute Chance, das abgezäunte Geländer durch den unbewachten Ausgang zu betreten, aber grundsätzlich finde ich es gerechtfertigt, dass man für erhaltenswerte Kulturgüter Eintritt berappt. Wenn dieser aber aus dem Verhältnis rutscht, bin ich geneigt alternative Zutrittsmöglichkeiten zu prüfen. Noch besser finde ich übrigens die Länder die bei Eintrittserhebung in Einheimische und Touristen unterscheiden. Aber das ist ne andere Geschichte. Also Kohle auf die Theke und Ticket am Drehkreuz auf den Scanner gepackt. Ich will nicht zu weit ausholen. Ist halt alles uralt da oben.
Erste Siedlungsspuren gehen gar bis in die Jungsteinzeit zurück. Die sichtbare Bebauung oder das, was davon noch übrig ist, finden ihren Ursprung circa 500 vor Christi Geburt. Aus dem ehemaligen Festungshügel wurde nun ein Tempelberg. Neben einem großen Amphi-Theater und weiteren weniger bedeutenden Bauwerken befindet sich dort der weltweit bekannte 'Parthenon', der zu Ehren der Stadtgöttin 'Athena' errichtete Tempel-Bau. Der Tempel wurde zum Dank der Rettung des griechischen Volkes durch die Göttin nach der Vertreibung der Perser aus der Stadt errichtet. Die Dame muss ne kampfstarke Frau gewesen sein, wenn Sie die Polsterfüße alleine weggehauen hat. Hut ab. Hätte Chuck Norris wohl nicht besser gekonnt. Warum gibt es für den eigentlich keinen Tempel?
Insgesamt ist das Gelände eher enttäuschend. Dass man mit der Eintrittskarte auch die Gegenwart der nervtötenden Touri-Gruppen erwirbt, ist zudem klar. Nach einer halben Stunde hat mein eigentlich alles gesehen. Immerhin war die Nutzung der erstaunlich sauberen sanitären Anlagen kostenlos, was mir entgegen kam, da ich am Vormittag mit ein paar Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. War die Pizza wohl doch nicht so lecker. Oder war es der Kaffee? Man weiß es nicht. Genauso plötzlich wie der unangenehme Spuk auftauchte, war er auch wieder verschwunden. Glücklicherweise ist mein Innenleben ja recht robust, so dass ich in fernen Gefilden nur selten Probleme bekomme. Ausnahmen bestätigen da nur die Regel. Wir verließen den Hügel in die einzig denkbare Richtung, nämlich abwärts. Eine Bar erregte die Aufmerksamkeit unseres Durstgefühls.
Letzteres wurde mit einem kühlen blonden 'Alfa' reduziert und langsam wurde es Zeit der einzig wahren Gottheit, nämlich dem Fußballgott, die berechtigte Aufmerksamkeit zu schenken. Kessariani hieß das Ziel, ein Vorort, der sich direkt östlich an Athen anschließt. Betreffend Athen besteht ja auch derselbe Irrglaube, wie es ihn beispielsweise hinsichtlich Paris gibt. Das eigentliche Stadtgebiet ist relativ klein, während man pauschal gern die gesamte Agglomeration meint, wenn man von der Stadt spricht. Wir latschten zum 'Syntagma-Platz', warfen einen Blick auf den Arbeitsplatz des momentan in Europa gut bekannten Herrn Tsipras und fuhren mit Bus 224 nach Kessariani. Jede Einzelfahrt mit einem Athener Verkehrsmittel kostet 1,20 Euro. Ein Tagesticket ist für 4 Euro zu haben. Kann man nicht meckern. Für ne halbe Stunde 'Akropolis' kann man also auch drei Tage kreuz und quer durch Athen fahren. In Kessariani ließen wir uns zwecks Nahrungsaufnahme in einem Restaurant nieder. Für faires Geld gab es ein paar Lamm-Koteletts mit Tsatsiki, Bratkartoffeln und Getränk.
300 Meter weiter wartete das 'Stadio Dimotiko Michalis Kritikopoulos' auf unseren Besuch. Das Teil hat eine ansehnlich Lage direkt an einer halbrunden Felswand. Der Nebenplatz ist gar an drei Seiten von Felswänden eingeschlossen.
Dagegen kann der Ground in Braga beinahe einpacken. An dieser Seite befindet sich auch kein Ausbau, während die anderen drei Seiten von je einer unüberdachten Sitztribüne geschmückt werden.
Ganz nettes Teil mit dem nötigen Schuss Gammel. Eine Partie der 'A' Kategoria' durften wir bestaunen. Das ist viertklassiges Niveau und damit die erste Liga auf regionaler Ebene. Das Dargebotene war sogar halbwegs passabel. Sicher nichts zum Zunge schnalzen, aber ich hatte mieseres Geknüppel erwartet. Zweimal gingen die Gäste von der anderen Seite des Ballungsraumes in Führung, der zweite Treffer reichte zum Sieg. Die Gastgeber konnten lediglich den zwischenzeitlichen Ausgleich bewerkstelligen. Dieser war allerdings sehenswert, denn er wurde mit der Hacke erzielt. Um die Jahrtausendwende verbrachte der Verein sogar ein paar Spielzeiten in der höchsten Spielklasse. Damals dürfte das Zuschauer-Interesse größer gewesen sein als heute, denn nur gut vierzig Personen verloren sich auf den Rängen. Zu unserem Wohlbefinden konnten wir im Kiosk der benachbarten Sporthalle ein paar Weißblechbehältnisse mit präferiertem Inhalt erwerben. Yamas!
Nach dem Abpfiff ist vor dem Anpfiff. Wir schanghaiten das erste aufkreuzende Taxi und gaben das Ziel 'Spyros Louis' vor. Exakt 9,99 Euro später war dieses erreicht. Taxifahren ist hier alles andere als teuer.
Das 'Kendriko Olympiako Stadio Spyros Louis', auch mit der Abkürzung OAKA für 'Olympiako Athlitiko Kendro Athinon' bezeichnet, dürfte dem geneigten Leser am ehesten noch von den Olympischen Spielen bekannt sein. Es ist eine riesig anmutende zweirangige Leichtathletik-Schüssel für knapp 70tsd Menschen. Der obere Rang ist in den Kurven zugunsten von Anzeigetafeln unterbrochen. Fertiggestellt wurde das Oval in den frühen Achtzigern für die damalige Leichtathletik-WM.
Damals verzichtete man noch auf eine Überdachung. Den HSV-Fans mag der Gedanke an den Ground noch ein paar Frühlingsgefühle verschaffen, da die Hanseaten hier den Europapokal der Landesmeister mit einem 1:0-Sieg gegen Juventus errangen, nachdem man im selben Stadion schon Olympiakos in einer früheren Runde mit 4:0 abfertigen konnte. Nachdem Athen dann den Zuschlag für Olympia 2004 bekam (eigentlich wollte zum 100jährigen Jubiläum die Spiele 1996 haben), war eine grundlegende Modernisierung fällig, die hauptsächlich die Errichtung eines Daches betraf. Die Dachkonstruktion wurde an zwei riesigen die Längsseiten überspannenden Bögen aufgehängt. Seit Existenz des Stadions spielten in verschiedenen Phasen die drei großen Clubs Olympiakos, AEK und PAO im Stadion. Erstgenannte zogen 2002 wieder in die eigen Spielstätte nahe des Hafens zurück. PAO verließ letztmalig 2013 das Olympiastadion, sodass nur noch AEK seine Heimspiel in der Schüssel austrägt. Der Verein 2013 in die Insolvenz ging und herabgestuft wurde, fanden in der letzten Saison neben dem Pokalfinale nur noch Drittliga-Spiele hier statt. AEK stieg aber umgehend zur aktuellen Saison in die zweite Liga, genannt 'Football League', auf. Etwas mehr als 6tsd Besucher fanden zum heutigen Spiel gegen Ermionidas, eine Mannschaft aus Kranidi im Osten der Peleponnes, den Weg ins OAKA. Auch einige Away-Fans müssen zugegen gewesen sein, da aus dem Oberrang über unserem Standort ein paar Fahnen herunter hingen. Wieviele Personen den Gästen die Daumen drückten war aus unserer Position nicht zu sehen. Gehört hat man jedenfalls keinen.
Das lag aber sicher auch daran, dass die etwa 2tsd Personen starke AEK-Kurve ganz ordentlich Gas gab und auch hin und wieder die Gegengerade mit einbinden konnte. Ein weitere kleinerer Stimmungsblock befand sich im Eck gegenüber der eigentlichen Heim-Kurve. Sicher - 6tsd Leute in einem 70tausender können nicht den absoluten Roar entfachen, aber ich habe das deutlich schlechter erwartet, Begünstigt durch recht gute Akustik knallten die Gesänge ganz gut durch das Rund und auch die eine oder andere Fackel wurde angerissen. Die Mannschaft machte ihren Anhängern aber auch Laune, kombinierte gut und brachte den Sieg deutlich und souverän mit 4:0 nach Hause. Über den letzten Gegentreffer dürfte sich der Ermionidas-Schnapper noch länger ärgern, der er nach eigentlich geglückter Rettungsaktion die Kirsche einem AEK-Spieler ans Bein bugsierte, von wo die Murmel den Weg ins Netz fand. Einige Minuten vor Schluss war es aus mit dem Support. Die Fans stoppten ohne ersichtlichen Grund die Gesänge, nahmen ihre Banner vom Zaun und die Kurve leerte sich. Für mich nicht zu erklären, da aus unserer bescheidenen Sicht nichts vorgefallen war. Vielleicht wollten die Jung auch nur ne Metro früher kriegen, denn der Sieg war ja eh schon sicher. Merkwürdige Nummer. Wer dazu etwas weiß, darf mich gerne kontaktieren und informieren. Wir entschieden demokratisch mit der Metro und nicht mit dem Taxi in die Stadt zurück zu fahren. Nobbi konnte hier einen klassischen 1:2-Sieg verbuchen. Richtig gelesen. Marius und ich voteten für das Taxi, nur Nobbi für die Metro. Aber das Wort des Gruppen-Ältesten hat halt Gewicht, daher erlaubten wir uns kein Widerwort.
Zurück in der Stadt stand endlich das erste Highlight der Tour an: ein fetter Gyros-Teller! Nachdem wir alle Restaurants umschifft hatten, in die uns die vor der Tür aufdringlich werbenden Mitarbeiter (ich hasse das!) reinziehen wollten, nur weil wir mal einen verstohlenen Blick riskiert hatten, fanden wir ein adäquates Etablissement. Eigentlich gänzlich besetzt der Laden. Ganz besetzt? Nein, im Obergeschoss befand sich ein kleines Dorf mit widerspenstigen Galliern... ach nee, das war was anderes. Na jedenfalls war noch ein Tisch für uns frei und wenn ein Restaurant gut besucht ist, ist dieses im Regelfall ein Zeichen für Qualität. Für faires Geld bekamen wir das gewünschte Schlachtfest und zwei Bier serviert. Der Plan, auf dem Weg zum Hotel noch irgendein Bier-Lokal zu finden, ging auf voller Länge schief. In der Ecke sind abends die Bürgersteige so dermaßen hochgeklappt, höher geht es gar nicht. Also erwarben wir wieder ein paar 'Alfa'-Dosen am Kiosk und verzogen uns in unser Luxus-Appartment, wo uns das rohe Hähnchen schon grinsend erwartete.
So. 08.03. 15:00 - PAE Ionikos Nikaias vs AO Nea Ionia 3:0 (C Ethniki), 500 Zuschauer (0 Gäste)
Sa. 07.03. 19:30 - Panathinaikos FC vs PAOK Saloniki 4:3 (Superleague)
Bis 10:00 Uhr durfte ich pennen, dann schmissen mich die beiden Terroristen aus dem Bett. Verdammte Bande. Nobbi war zwecks Frühstück schon zum besagten Café voraus gegangen. Marius und ich machten uns mit Verspätung auf den Weg. Nobbi war dann auch schon aus dem Schuppen verschwunden, als wir dort eintrafen. Marius versorgte sich mit irgendwas und dann latschten wir in Ruhe in Richtung 'Syntagma-Platz', wo wir den dritten im Bunde wiederfanden.
Weiter ging es quer durch den hinter dem Parlament liegenden 'Nationalgarten' auf dessen anderer Seite sich der 'Kronprinzenpalast', der Amtssitz des Staatspräsidenten (nicht zu verwechseln mit dem neuen Ministerpräsidenten Tsipras), also so ne Art 'Weißes Haus' von Athen, befindet. Vielleicht sollte man die Prunkbude mal verkaufen, statt Europa ständig mit irgendwelchen Forderungen zu düpieren. Brächte bestimmt ein wenig Geld in die Staatskasse. Aber dieser Bericht soll weder politisiert noch polemisiert werden, also lassen wir die innereuropäischen Sorgen mal die thematisieren, die es drauf haben.
Oder auch nicht drauf haben. Vor dem Palast schieben zwei Soldaten in traditionellen Uniformen Dienst. Also es liegt mir ja fern, mich über Traditionen anderer Länder lustig zu machen, aber diese Gewänder erscheinen dem fremden Betrachter zumindest etwas unglücklich. Je ein Posten steht vor den beiden etwa einhundert Meter auseinander liegenden Zufahrten. Als wir aus dem Park traten, bahnte sich grad ein Positionswechsel an, der in einem merkwürdigen überzeichneten Stechschritt in äußerster Langsamkeit vollzogen wurde. Dabei warfen die Jungs die Beine in weiten Bewegungen vor und hinter sich. Aber ich kann mir vorstellen, dass dieses einfach der Bewegung dienen soll, dass einem die Gräten nicht einschlafen. Meine ich durchaus ernst. Kann bestimmt ätzend zäh und langweilig werden, wenn man da ne ganze Schicht dumm rumstehen muss und außer ein paar dummen Touri-Fressen, die einen tausendfach fotografieren, nix zu sehen bekommt und dabei selber keine Miene verziehen darf. Die beiden werden auch von zwei oder drei Polizeibeamten geschützt, die vermutlich nur die Aufgabe haben, dafür zu sorgen, dass besagte Touri-Fressen den Wachsoldaten nicht zu nah auf die Pelle rücken und diese in ihrem Zeremoniell behindern. Whatever. Für uns ging es dreihundert Meter die Straße runter zum 'Panathinaiko Stadio'. Dabei handelt es sich um das Stadion, in dem 1896 die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit stattfanden.
Man kennt es ja von Fotos, aber wenn sich dieses lange 'U' fast im rechten Winkel zu daran vorbeiführenden Straße dann vor einem öffnet, kann man einfach nur staunen uns schwärmen. Absolut imposantes Ding. Im Internet hatte ich was von freiem Eintritt gelesen, de facto muss man seinen Zutrittswunsch aber mit drei europäischen Geldeinheiten untermauern. Die drei Euro ist es aber mehr als wert. Eine sehr hohe und recht steile in zwei Ränge geteilte Tribüne umläuft das Wettkampf-Feld. Viele Besucher waren zum Glück nicht vor Ort, so dass die Arena noch riesiger und beeindruckender wirkt. Klingt pathetisch, aber wenn der Arena-Boden nicht aus Tartan sondern noch aus Sand bestehen würde, könnte man im Geiste die Athleten von vor über einhundert Jahren um Medaillen (bekam man die damals schon?) kämpfen sehen. Das Stadion ist eine Rekonstruktion des Stadion der Panathenäischen Spiele der Antike. Es wurde an derselben Stelle auf den Fundamenten des antiken Stadions aufgebaut. Bei den Olympischen Spielen 2004 fanden hier die Marathon-Läufe ihr Ziel und die Bogenschieß-Wettbewerbe wurden abgehalten.
Wir liefen nun zurück zum Syntagma-Platz und fuhren mit der blauen Metro bis zur Station 'Kerameikos'. Von dort mussten für fünfhundert Meter die eigenen Laufwerkzeuge benutzt werden und dann brachte uns der Bus C18 in die Vorstadt Nikaias, wo wir eine gute Stunde vor dem Anpfiff des anvisierten Spiels eintrafen.
An der das Stadion umgebenden Mauer hat sich die Ultra-Gruppierung 'Rangers' verewigt. Die Zeit bis zum Anstoß nutzten wir, um an einer Grillbude eine Gyros-Pita und in der Bar daneben zwei Bier zu vertilgen. Das heißt, der Alterspräsident kniff beim Bier mal wieder und latschte lieber mehr oder weniger sinnfrei durch die Gegend und nur Marius und ich widmeten uns dem Biersinn (Irrsinn?) des Lebens. Schöner Satz. Muss ich mir merken. Als der erste Pfiff des Unparteiischen näher rückte, querten wir die Straße und betraten das schnuckelige 'Neapoli Stadion', das 5tsd Besuchern Platz bietet. Vier einzelne Tribünen umgeben den reinen Football-Ground. Drei Tribünen verfügen über sieben Stufen, die Haupttribüne hat deren zwölf. Haupt- und Gegentribüne sind bestuhlt. Eine Überdachung sucht man vergebens, was den Charme der kleinen Bude aber keinen Millimeter beschneidet. Auch die Lage inmitten der Wohnbebauung ist genial. Hinter einem Tor hat die kleine Szene von Ionikos ihren Stammplatz. Etwa zwanzig Aktive übten sich unter Taktvorgabe durch einen Trommler im Dauergesang. Hatte ich gar nicht erwartet und wurde unter willkommenem Rahmenprogramm verbucht. Die Gastgeber befinden sich in der Nähe der Aufstiegsränge und machten ihre Ambitionen auch von der ersten Minute an deutlich.
Die Mannschaft war in allen Belangen besser als der Gegner und münzte die Überlegenheit in drei Treffer zum glatten Sieg um. Am Rande sei mit Stolz in der Stimme erwähnt, dass Marius und ich den kleinen Catering-Stand in der Tribüne komplett trocken gesoffen haben! Allerdings hatten die auch nur vier kleine Dosen 'Amstel' vorrätig. Die Griechen süppeln ja alle irgendwelche kalten Frappé-Getränke. Alkohol scheint im Stadion nicht sehr gefragt. Um so mehr muss einen die Grund-Agressivität der Leute irritieren. Die wollen beinahe jedem Gegner an die Gurgel und können sich nicht mal mit der Ausrede der herabgesetzten Hemmschwelle durch Alkoholkonsum schmücken. Alles Irre hier. Nachdem wir am Stand nach einem dritten Bier fragten, war der Verkäufer tief betroffen uns abweisen zu müssen und schickte sofort irgendeinen HiWi los, der uns noch zwei Dosen besorgte. Top Service!
Nach dem Spiel trennten sich die Wege der Gruppe. Marius und ich wollten uns einen Eindruck von der Lage bei Panathinaikos machen und gegebenenfalls von unserem Zutrittsrecht Gebrauch machen, dass wir per Email mit dem Verein abgeklärt hatten.
Nobbi hatte daran kein Interesse und fuhr in die Stadt. Mit dem Bus fuhren wir wieder bis zur Metro-Station 'Kerameikos' und von dort mit der blauen Metro bis 'Ambelokipi'. Steckt man dort den Kopf aus der Erde, sind es nur noch dreihundert Meter bis zum 'Apostolos Nikolaidis'. Dort waren schon eine ganze Menge PAO-Leute zugegen. Vor der Nordtribüne war zur großen Straße hin eine kleine Video-Leinwand für eine Übertragung errichtet worden, mobile Gyros- und Getränkestände wurden aufgebaut. Vor und in den Bars hinter der Heimkurve sammelten sich minütlich mehr Leute, so dass Marius schon die abstruse These aufstellte, der Verband habe kurzfristig doch Zuschauer zugelassen. Es war aber auch reichlich Polizei anwesend, die vor allem die Zufahrt zur Haupttribüne hermetisch abriegelten.
Je näher der Anpfiff rückte, umso mehr PAO-Anhänger trafen ein, sodass wir entschieden, nicht ins Stadion zu gehen und uns lieber das Geschehen draußen anzusehen. Vor Spielbeginn wurde dann die breite Straße hinter der Nordtribüne gesperrt und vor der Leinwand sammelten sich knapp 3-4tsd Fans und fingen ganz normal an zu supporten. Trommel, Fahnen, Banner, alles wurde aufgefahren. Natürlich wurden auch regelmäßig Rauch- und Bengalfackeln gezündet und wir zündeten die eine oder andere Dose Bier. Die Video-Wand fiel immer wieder für längere Phasen aus, aber da schaute ich eh nicht oft hin. Dabei war das Spiel vermutlich äußerst unterhaltsam, denn bei wechselnder Führung konnte PAO letztlich einen 4:3-Heimsieg verbuchen. So eine Torflut gibt es in Griechenland bei den wenigsten Spielen. Gegenüber des Stadions befindet sich ein paar heruntergekommene mehrgeschossige Wohnblocks mit Flachdächern.
Ein absolut abgefucktes Viertel, dass gar nicht in diese von recht neuen Bürogebäuden dominierte Ecke passt. Hat schon fast den Charakter der von den sozialen Unterschichten beherrschten Barrios in Buenos Aires. Am Dachfirst des an der Straße gelegenen Blocks hatte eine Gruppe Fans ein Banner mit der Aufschrift "Marinakis: Heroin-Dealer" angebracht. Herr Marinakis ist der Präsident des verhassten Rivalen Olympiakos. Was an den Vorwürfen dran ist, kann ich nicht beurteilen. Grundsätzlich vorstellen kann ich mir schon, dass griechische Funktionäre in mafiöse Strukturen verstrickt sind. Da der betreffende Hauseingang offen stand, ständig Leute ein- und ausgingen und eine ganze Menge Leute auf dem Dach standen, kamen wir auf die glorreiche Idee, ihnen gleich zu tun. Als wir den Hauseingang betraten ernteten wir zwar irritierte Blicke und auch aus einer geöffneten Wohnungstür - wenn man es Wohnung nennen konnte... Himmel, was für ein Loch!!! - wurden wir argwöhnisch beäugt, aber so wirklich aufgehalten hat uns niemand. Als wir uns auf dem Dach ein Plätzchen gesucht hatten, schauten uns zwar auch die dort anwesenden PAO-Fans zunächst etwas befremdlich an, aber nachdem man mit dem einen oder anderen ein paar Worte gewechselt hatte, waren wir da oben ganz willkommen.
Vielleicht etwas grenzwertig nach dem Konsum einiger Dosenbier mit einer Gruppe unbekannter Fußballfans in einem fremden Land auf dem Dach eines Hauses zu stehen und zwei Meter von einem geht es zwanzig davon nach unten. Letztlich weiß man ja auch nicht, wie die so ticken. Sei's drum, ist ja alles gut gegangen. Von strikter Disziplin und Vernunft ist mein Leben ja eh nicht unbedingt gezeichnet.
Das überlasse ich anderen. Nach dem Abpfiff verließen wir unseren Aussichtspunkt und die ganze Szenerie löste sich ziemlich schnell auf und die Leute verschwanden in die Bars oder nach Hause. Marius und ich nahmen die nächste U-Bahn zurück zum 'Monastiraki' und suchten von dort unser Traum-Hotel auf. Nobbi hatte schon etwas geratzt und wir taten es ihm ziemlich umgehend gleich. Oder tranken wir noch ein Bier? Ich weiß es ehrlich gesagt gar nicht mehr. Da wir ja alle zu unterschiedliche Zeiten flogen (Nobbi sehr früh, ich früh und Marius nachmittags) war kein gemeinsames Aufstehen angesagt. Um meine Weckzeit nicht zu verpassen, verzichtete ich auf die obligatorischen Ohrenstöpsel und gab mich der Beschallung durch die beiden Schnarchnasen hin. Dank des Bierkonsums bekam ich von Nobbis gleichmäßigem Standard-Gegrunze nix mit. Lediglich Marius Würge-Attacken weckten mich ein paar Male auf. Alter, was passiert da nachts in deinem Hals? Das hatten wir doch damals in Tschechien schon. Ist man ja drauf und dran sich auf kurzfristig notwendige Herz-Lungen-Massage einzustellen.
Mo. 09.03. - Rückreise
Um 6:00 Uhr stand ich auf, griff meine paar Sachen und entschwand mit der Metro zum Flughafen. Diese war schon ganz schön voll zu der frühen Uhrzeit. Ich war der Meinung, dass der Grieche an sich eher etwas später mit der Arbeit beginnt. Der Flug ging überpünktlich und bei der Zwischenlandung in Saloniki wurde Nobbi eingesammelt. Ich kam mit meinem Nebenmann Giorgos ins Gespräch, der noch mit ein paar Infos zur Zuschauersperre der 'Superleague' dienen konnte. Angeblich sollten am nächsten Spieltag wieder Zuschauer zugelassen sein und lediglich Panathinaikos noch eine weitere Heim-Partie vor leeren Rängen austragen müssen. Sollte dem so gewesen sein, war diese Absicht aber zwei Tage später schon wieder hinfällig, nachdem der AEK-Anhang nach dem späten Gegentreffer im Viertelfinal-Rückspiel des Pokal-Wettbewerbs gegen Olympiakos komplett ausrastete. Ich hab echt keine Ahnung was in den Köppen der griechischen Hardcore-Fans vorgeht. Dagegen benehmen sich die gefürchteten Kurven der Belgrader Clubs wie eine Hochzeitsgesellschaft.
Noch eine Bemerkung am Rande: Meine Meinung, dass es lediglich eine mediale Aufbauschung der Realität ist, dass bedingt durch die aktuelle politische Lage eine vermeintliche Ablehnung des griechischen gegenüber dem deutschen Volk herrscht, wurde bestätigt. Lediglich einer der PAO-Leute am Stadion, ließ im Gespräch augenzwinkernd einen Satz zur deutschen Position im Konflikt zwischen Griechenland und der EU fallen. Ansonsten wurde Politik nie zum Thema, wenn wir mit Einheimischen sprachen und unsere Herkunft verrieten.
Bleibt die Absicht, das 'Stadio Apostolos Nikolaidis' baldmöglichst zu besuchen, wenn wieder Zuschauer zugelassen sind. Wer weiß wie lange es noch dauert, bis gegen die griechischen Szenen massive Restriktionen und Sanktionen erhoben werden.
zum Seitenanfang