30.04.-03.05.2010 --- Hopping Deluxe: Stockholm-Derby mit Vor- und Nachspeise
Bereits im Februar hatte ich den schwedischen Spielplan für die Saison 2010 gecheckt - die Schweden spielen ja wetterbedingt mit dem Kalenderjahr von April bis November - und glücklicherweise war der Spielplan fast für die komplette Hinrunde schnell fix, so dass die Planungen früh intensiviert werden konnte. Spiel der Begierde sollte das Stockholmer Derby zwischen AIK Solna und Djurgardens IF im größten schwedischen Stadion, dem 'Rasunda', sein. Eigentlich ist es gar kein echtes Stadt-Derby, da Solna eine eigenständige Stadt ist, die aber mit Fläche und Bebauung naht- und merklos in Stockholm übergeht. Der Spielplan schenkte mir noch ein weiteres Erstliga- und ein Zweitligaspiel, so dass ner runden Tour nix im Wege stand.
Da die Flüge von Weeze einfach nicht günstig werden wollten und mich immer um die 100 Euro gekostet hätten, schaute ich nach alternativen Abflugorten und blieb schließlich bei Lübeck hängen. Mit Zugfahrt kam ich zwar auf denselben Preis, aber so konnte ich die Tour mit nem Besuch bei meiner Schwester in Hamburg verbinden. Die dachte sich aber wohl 'in Hamburg bleiben ist langweilig, da komm ich lieber mit' und so schwebten wir gemeinsam gen Skavsta, 80 km südwestlich von der schwedischen Hauptstadt entfernt, sie allerdings mit der Priorität Sightseeing und Shopping, ich... ähm... eher weniger. Der Vorteil war, dass wir uns so gemeinsam ein Hotelzimmer gönnen konnten und so fiel die Wahl auf einen Vier-Sterne-Bunker, den ich einigermaßen günstig (was ist bei den Elchfressern schon günstig?) über nen Internet-Anbieter schießen konnte. So fehlte zwar ne Spur Hopping-Feeling, aber man muß ja nicht immer in 8er-Hostel-Zimmern oder am Flughafen pennen. Nebenbei, das günstigste Hostelbett im Schlafsaal schlägt in Stockholm mit entspannten 30 Euronen zu buche. Oder besser: mit der entsprechenden Zahl an Kronen, denn die Schweden genießen ja nach wie vor den Luxus einer eigenen Währung.
Ankunft Freitag-Abend. Eingecheckt und erstmal auf den letzten Drücker in einen der staatlichen Alkohol-Läden gesprungen (in Schweden gibts Bier im Supermarkt mit maximal 3,5%) und n paar 'echte' Bier für den späten Durst nach Rückkehr ins Hotelzimmer geholt. Dann ab in die Altstadt, noch n Zapfbier schnappen und ne Kleinigkeit essen. Auf dem Weg dahin schmissen uns erst drei 6- bis 8jährige ne fette Glasmurmel von nem Balkon hinterher und dann flogen noch zwei halbvolle Biergläser aus nem Fenster vor unsere Füsse. Komisches Volk, diese Wikinger. Dafür ist ein Großteil der weibischen Bevölkerung wirklich nett anzusehen und vor allem haben die echt schöne..... Schuhe.
Sa. 01.05. 16:00 - Hammarby IF vs IFK Norrköping 2:3 (Superettan), 11.232 Zuschauer (500 Gäste)
Am nächsten Morgen nicht zu spät aufgestanden und erstmal n bisschen Sightseeing gemacht. Laufen ist scheiße also ab in nen Hopp-on/Hopp-off-Doppeldecker und durch die Stadt gefahren. Am frühen Nachmittag endete die Sightseeing-Nummer und der Hopping-Teil begann (endlich). Es ging in den Stockholmer Süden, wo der Traditionsclub Hammarby IF seine Heimat im 'Söderstadion' hat. Fassungsvermögen 12.800, annähernd sold-out drohte im Spiel gegen IFK Norrköping. Da zeitgleich in der unmittelbar benachbarten 'Globen Arena' (die Kölnarena von Stockholm, sieht aus wie ein riesiger Golfball) beim Eishockey-WM-Vorbereitungsturnier der Klassiker Schweden-Russland anstand, gab es ein unglaubliches Gewusel. Gäb es Deutschland auch nicht, dass Eishockey und Fusek in benachbarten Stätten zeitgleich angepiept würden. Trotz Gewusel Thomas aus Münster gefunden, mit dem ich mich verabredet hatte und auch die Abholung der reservierten Tickets im Hammarby-Shop funzte reibungslos. Ab in den Ground. Ein merkwürdiges Teil. Reines Fusek-Stadion zwar, an drei Seiten überdacht, aber komisch. Von außen kaum als Stadion eher als Bürogebäude zu identifizieren und Haupt- und Gegengerade überdacht, die eine überdachte Hintertorseite aber nur mit vier Sitzreihen. Hier waren unsere Plätze und man konnte den Spielern beim Eckball fast auf die Schulter tippen. Hammarby ist in Stockholm der Sympathieclub, selten erfolgreich aber geliebt. In der letzten Saison abgestiegen, will man natürlich die sofortige Rückkehr schaffen. Das wollen die Gäste auch um an den Glanz früherer Zeiten anknüpfen zu können. Das Stadion füllte sich gut, das Spiel war unterhaltsam und Hammarby sang 90 Minuten durch!! Dreimal ging der IFK (Idrottsföreningen Kamraterna = Sportverein 'Die Kameraden') in Führung, nur zweimal konnte Hammarby ausgleichen. Der Schlussspurt war nicht von Erfolg gekrönt, da sich in den letzten Minuten zwei Heimakteure verletzten und man schon dreimal gewechselt hatte. Immerhin kam man so auf 100 Minuten Spielzeit, hat man auch nicht alle Tage. Die Chemie zwischen Heim- und Gästemob war auch nicht die Beste. Ohne hohen Zaun hätt es wohl ordentlich was auf den Appel gegeben. Nach dem Kick trennten wir uns von Thomas, der in seinem Hostel einchecken musste und dann ab nach Södermalm, eine Art yuppie-alternatives Viertel mit ordentlicher Bar- und Kneipenstruktur. Dort was gegessen und n paar Bier in gemäßigtem Tempo getrunken (schweineteuer, das ca 0,4er-Glas liegt zwischen fünf und sechs Euro!) und zu späterer Stunde noch auf n Bier mit Thomas getroffen. Mittlerweile waren auch Maik (aus Osnabrück) und Chris (aus Berlin) eingetroffen, die sich nachmittags einen anderen Zweitliga-Kick vor 250 Zuschauern gegeben hatten und abends dazu gesellten.
So. 02.05. 12:30 - AIK Solna vs Djurgardens IF 1:2 (Allsvenskan), 21.181 Zuschauer (5.000 Gäste)
So. 02.05. 17:00 - IF Brommapojkarna vs Halmstads BK 1:0 (Allsvenskan), 1.869 Zuschauer (30 Gäste)
Wieder in aller Ruhe das Frühstücksbuffet überfallen und dann meiner bezaubernden Schwester einen Kuss auf die Stirn gedrückt und 'Mach et gut'!! Heut war lupenreiner Hopping-Tag und meine Verwandte zog es zum Glück vor, einen Shopping-Sightseeing-Tag zu starten. Zum Glück strahlte heut die Gaslampe vom wolkenlosen Himmel. Also ab in die Metro und vier Station weiter in Solna wurde ich direkt vorm Rasunda-Stadion wieder von der Erde ausgespuckt. Es war gute 90 Minuten vorm Spiel und Thomas und Maik warteten schon am vereinbarten Ort. Erstmal Karten besorgt. Für die Gegengerade waren die 'Günstigen' schon aus, also wollten 400 Kronen (knapp 40 Euro) angelegt werden. Naja, wir wollten halt gute Plätze mit Sicht auf beide Mobs. Dann erstmal allein ums Stadion scharwenzelt. In den Pinten hinter der Heimkurve hingen reichlich Personen, die man der Abteilung 'Rahmenprogramm' zuordnen konnte. Kurz in den AIK-Shop, Polo-Shirt für umgerechnet 60 Euro muss nicht sein, auch wenn es wirklich chique aussah, und dann wieder mit den anderen getroffen, wo auch Chris mittlerweile dazu gestoßen war. Also ab in den Ground, der nicht unbedingt riesengroß ist (Kapazität ca 35.000) aber durchaus zu gefallen weiß. Ein wenig kurios ist, dass die Hintertortribünen höher sind, als die Geraden. Kam vermutlich im Zuge eines Ausbaus zustande. Hinter den Geraden ist schlicht und ergreifend kein Platz um weiter auszudehnen. Das Rasunda (benannt nach dem Stadtteil) ist zumindest als Spielort der schwedischen Nationalelf bald Geschichte, da an anderer Stelle in Solna eine neue Hütte für 67.000 Leute gebaut wird. Im Stadion stolperten uns dann noch vier Typen aus Münster über den Weg, die die Anreise mit dem Auto auf sich genommen hatten (1.350 km einfache Strecke), mit Zwischenstopp in Dänemark. Leider waren letztlich nur knapp über 21tsd Zuschauer zugegen, da Djurgarden, letzte Saison nur über die Relegation in der Liga geblieben, einen durchschnittlichen, und Solna - als amtierender Meister und Cup-Winner - einen miserablen Start (nur ein Sieg aus zehn Spielen!) hingelegt hatten. Zum Einlaufen der Teams gab es dann von den ca 5.000 Gästen leider nix und von den Heim-Sups Plastikbahnen in den Vereinsfarben sowie Bengalos und jede Menge Rauch. Sah ganz gut aus. Das Spiel begann mit nem Kracher, da es bereits in Minute Zwei im Gäste-Kasten klingelte. Der Kick war spielerisch nicht der absolute Reißer aber auf jeden Fall spannend, der Support eher durchschnittlich. Die Gäste glichen noch vor der Halbzeit aus und brachten eine Viertelstunde vor Schluss die Murmel zum Siegtreffer im AIK-Netz unter. Solna verstand es nicht, die Partie trotz gefühlter 70 Minuten Ballbesitz zu gewinnen und Djurgarden versiebte hochkarätige Konterchancen - beides erinnerte mich irgendwie an die Roten. Also Spiel, Satz und Sieg Djurgarden und Solna hat nun langsam ein ernstes Problem. Nach dem Schlusspfiff das Stadion leer werden lassen und in aller Ruhe n paar Bilder gemacht. Dann hieß es Abschied von Thomas und Chris nehmen, die für den Abend schon Rückflüge gebucht hatten, und ab mit Maik zur Metro, wo es wohl ein wenig geknallt hatte, jedenfalls nahm Team Green (bzw in Schweden: Team Blue) reichlich Personalien auf. Das komfortable Zeitfenster von gut zwei Stunden bis zum nächsten Kick-off schmolz vor sich hin, da sich die U-Bahn eine Auszeit wegen Signalausfall nahm, aber so waren wir wenigstens nicht zu früh im Vorort Bromma, wo auf dem 'Grimsta Idrottsplatsen' der nächste Erstliga-'Knaller' über die Bühne gehen sollte.
1.869 Personen, davon ca 30 aus dem 500km entfernten Halmstad, wollten die Partie sehen. Brommapojkarna, oder kurz: BP, genießt keine allzu breite Akzeptanz in Stockholm, ist auch erst jüngst in höhere Sphären gelangt. Dabei ist es an der Anzahl der zum Spielbetrieb gemeldeten Mannschaften einer der größten Vereine Europas, vielleicht sogar DER Größte. 247 Teams kämpfen für BP um Punkte, und hier liegt das Geheimnis der Erstliga-Zugehörigkeit. Man hat eine exzellente Jugendarbeit, 'züchtet' den Nachwuchs für die erste Mannschaft und lässt die 'fertigen' Spieler dann in der Regel für gute Ablösen ziehen. So hält sich der Verein in der 'Allsvenskan' am Kacken. Der Kick war mit einem frühen 1:0 gegessen. Die 30 Halmstad-Fans schafften es das ganze Spiel über nicht einmal was von sich hören zu lassen und für BP trommelten 15 Teenies, schwangen ein paar Fahnen und sangen den immer gleichen nervtötenden Song. Das Stadion ist ne bessere Verbandsliga-Anlage bestehende aus drei Stahlrohr-/Holztribünen und einer gemauerten Haupttribüne mit Sozialräumen. Selten so gelangweilt. Auch die Beobachtung eines deutschen Akteurs in Reihen der Gäste - Michael Görlitz - ehemals KSC, Bayern, 1860 - haute nicht vom Hocker und der sichtlich bemühte Junge hat sich bestimmt öfters gefragt 'was mach ich eigentlich hier?'. Irgendwann hatte der Schiri dann ein einsehen mit uns und es ging zurück nach Stockholm-City. Dort trennte ich mich von Maik, der die Nacht am Airport verbringen wollte, da er einen der ersten Flüge am nächsten Morgen hatte. Ich nutzte die letzten Sonnenstrahlen um den Ground von Djurgardens IF zu spotten, das Olympiastadion von 1912. Trotz Laufbahn ein absolut kultiges Teil, zu dem ich mir allerdings mittels Zaunkarte illegal Zutritt verschaffen musste. Da schwingt ja immer n bisschen die Sorge mit, dass einen irgendwann mal der Hund vom Platzwart in die Nudel beißt. Kurz n paar Minuten ins (Halb-)Rund gesetzt und das Flair des leeren Grounds aufgesogen und dann ab zum mit dem Schwesterherz vereinbarten Treffpunkt. Noch ne Ladung geniale Köttbullar gefuttert, n Abschiedsbierchen und dann zur letzten Übernachtung ins Hotel zurück. Am nächsten Morgen via Skavsta und Lübeck wieder ab nach Hamburg, wo ich noch für ne Nacht blieb (endlich wieder maßloser Biergenuss möglich ohne Haus und Hof verkaufen zu müssen) und am Dienstag-Nachmittag hatte mich die Kulturhauptstadt wieder.