G R O U N D F E V E R
  Zentralasien
 

18.-29.09.2014 --- Die Seidenstraße entlang…

Was ne schwere Geburt! Seit mindestens drei Jahren quält mich der Wunsch, Zentralasien zu besuchen. Immer passte irgendwas nicht, aber als ich mich nun mit Nobbi im Sommer darauf verständigte, eine gemeinsame Tour zu unternehmen und die Tendenz langsam aber sicher zu der betreffende Region ging, sah man bald klarer. Schmackhafter wurde dieses durch die Entscheidung Kasachstans, unter anderen deutschen Staatsbürgern für ein Jahr auf Probe die visafreie Einreise zu gewähren. Mit Tobias war ein weiterer willkommener Mitfahrer schnell gefunden und mit ihm war das Südamerika-Geschwader des letzten Jahres wieder vereint. Nun galt es noch den passenden Termin zu finden. Ziel war es, die Länder Kasachstan, Uzbekistan und Kirgisistan zu besuchen. Alle Länder in dieser Region spielen Ihre Saisons mit dem Kalenderjahr, da die Wintermonate dort zu kalt sind, um einen Spielbetrieb aufrecht erhalten zu können. Während die Usbeken ihre Runde komplett durchspielen, teilt sich bei den Kasachen und den Kirgisen das Feld nach der Hauptrunde in Abstiegskandidaten und Meisterschaftsaspiranten. Man findet im Netz zwar Infos zu den Fußball-Terminen der betreffenden Länder, allerdings sind diese beinahe ausschließlich in kyrillischer Schrift gehalten. Aber mit Geduld und einem Übersetzungsprogramm kommt man dann doch an die gewünschten Fakten. Die Kirgisen hatten leider entschieden ihre Pause auf lange zehn Wochen auszudehnen, um nicht mit der Teilnahme ihrer U23-Nationalelf an den 'Asia Games' in Südkorea zu kollidieren. Das bedeutete, dass der Spielbetrieb dort bis in die erste Oktober-Woche ruhen würde. Das hemmte uns lange in unserer Entscheidung, denn auf ein Land zu verzichten, kam zunächst nicht in Frage. Bild Den möglichen Alternativ-Zeitraum in der zweiten Oktober-Hälfte wahrzunehmen, hätte einerseits bedeutet, dass die Tage in der Region deutlich kürzer und die Abende und Nächte bereits verdammt kalt würden. Und andererseits hätte Tobias dann nicht teilnehmen können. Also gaben wir uns doch mit Usbekistan und Kasachstan zufrieden und Nobbis Drängen auf eine Entscheidung nach und buchten Ende Juli die unglaublich günstige Gabel Düsseldorf-Kiew-Tashkent und Almaty-Kiew-Berlin für 338 Euro inklusive Buchungsgebühren mit 'Ukraine International' gebucht. Zu diesem Zeitpunkt war also klar, dass wir wohl Spiele in Usbekistan und Kasachstan sehen würden. Allerdings fehlten noch die Terminierungen der Endrunde in diesen Ländern. Diese kamen dann Ende der ersten August-Woche und fielen erstaunlich günstig für uns aus. Dazu schienen die Zeichen gut zu stehen, auch Tadschikistan in Verbindung mit einem Spiel besuchen zu können.

Stellte sich nun die Frage nach den Visa. Für Kasachstan war ja glücklicherweise keines notwendig, also beschäftigten wir uns mit den Usbeken. Die Anforderungen sind grundsätzlich gar nicht so hoch. Ein bisschen teuer ist es, da sich die eh schon nicht günstige 7-Tage-Mindestgebühr von EUR 60 um noch einmal EUR 20 erhöhte, da wir sicherheitshalber ein 15-Tage-Visum wählten und zudem eine zweifache Einreise benötigten. Nachdem dann auch letzte Unklarheiten im persönlichen Telefonat mit der usbekischen Botschaft in Berlin ausgeräumt worden waren, ging der ganze Krempel zur Post. Also auch wenn ich nicht der Weltreisende an sich bin, hat man ja schon ein paar Visa beantragt. Die Nervosität, ob ich alle Fragen im Antrag zur Zufriedenheit beantwortet und alle nötigen Unterlagen korrekt beigelegt habe, werde ich aber wohl nie los. Da fehlt mir völlig die Grundentspannung. Natürlich war die Sorge unbegründet und nach nicht mal vierzehn Tagen war der Reisepass mit dem begehrten Visum wieder bei seinem Besitzer. Also ab zu den Tadschiken mit dem Ding. Wäre ein netter Service von den Usbeken gewesen, den Pass direkt dort vorbeizubringen, befinden sich beide Botschaften doch auf derselben Straße gerade einmal neunzehn Hausnummern voneinander getrennt unweit des altehrwürdigen Berliner Poststadions. Da die genannten Nationen sich aber aufgrund Jahrhunderte alter ethnischer Konflikte nicht sehr wohlgesonnen sind, wäre dieses wohl selbst bei grundsätzlicher Existenz derartiger Dienstleistung kaum möglich gewesen. Die Tadschiken machen auf ihrer Website weis, dass man den Schmirgel spätestens sieben Tage nach Eintreffen im Konsulat wieder zurück bekommt. Da das nicht der Fall war und auch die folgenden Tage nur einen enttäuschten Blick in den Briefkasten für mich übrig hatten, wurde ich natürlich wieder unruhig. Alles unbegründet. Auch wenn die benannte Frist um exakt einhundert Prozent überschritten wurde, kam der Pass mehr als rechtzeitig zurück und auch die anderen Member der Tour-Gemeinschaft waren bald im Besitz der notwendigen Visa-Aufkleber.

Do. 18.09. - Abreise

Kurz vor Mittag schmiss ich den Kugelschreiber hin und fuhr mit dem RE3 vom Bahnhof Altenessen zum Flughafen. Ich freu mich ja immer, wenn man versucht, sich am Flughafen-Bahnhof mit den anderen zweihundert ankommenden Personen in zwei viel zu kleine 'Sky Train'-Gondeln zu quetschen und diese Dödel dann mit Ihren Schrank-Koffern vor einem direkt in der Tür stehen bleiben. Nobbi und Tobias trafen auch bald ein und mit ein wenig Verspätung hob 'Ukraine International' mit uns gen Kiew ab. Von dort ging es mit proppevollem Fluggerät nach kurzem Aufenthalt mit einer knappen Stunde Verspätung weiter nach Tashkent, wo wir uns mit der Einreiseprozedur rumschlagen durften. Zunächst kam die Passkontrolle. Es kamen also über hundert Passagiere um die Ecke und da saßen dann zwei traurige Männekes, die pro Passagier fast eine Minute für die Passabfertigung benötigten. Als die Jungs aber nach einiger Zeit beim Blick in die Menge uns drei Rundaugen-Weißgesichter entdeckten, durften wir vorrücken. Sonderbehandlung für Europäer - so isses recht! Während man dann anschließend auf das Gepäck wartete, konnte man schon mal das Zollformular zweifach ausfüllen. Natürlich gab es das nur in kyrillischer Schrift, aber immerhin war man so schlau, große Schautafeln an die Wand zu hängen, wo erklärt wurde was man in englischer Sprache in welches Feld eintragen muss. Mit den Formularen und dem Gepäck ging es dann weiter zur Zollkontrolle. Nachdem dieses durchleuchtet und der Zoll-Mokel die Formulare für gut befunden und eines gestempelt wieder ausgehändigt hatte, war man nach etwas mehr als einer Stunde endlich wirklich in Usbekistan angekommen. Ich hab eigentlich erwartet, dass das Prozedere noch länger dauern würde. Die Taxi-Mafia flippte dann völlig aus, als wir aus dem Flughafen-Gebäude traten. Eine Horde von etwa dreißig Droschken-Kutschern umringte uns außer Rand und Band und jeder von ihnen war der Meinung die beste Dienstleistung anbieten zu können. Es ist für mich irgendwie wie eine Droge. Ich weiß, dass es nicht gut für einen ist und ich besser die Finger davon lassen sollte aber ich komme nicht davon weg. Verdammt - es geht mir jedes Mal wahnsinnig auf die Nerven, wenn ein Armee von Taxi-Mokeln auf mich zustürmt und trotzdem stehe ich irgendwie total drauf. Vermutlich ist es das Wissen um die finanzielle Macht bei diesem Paarungs-Ritual. Man sonnt sich irgendwie unbewusst darin, dass die transportdienstleistende Bevölkerung des jeweiligen bereisten Landes um einen Krümel seines relativen Reichtums buhlt. Der Rädelsführer rief ohne unser Ziel zu kennen einfach mal zehn Dollar auf. Aber das ist dann halt so, wie wenn man sich einen Hund aus dem Tierheim holen will. Nie den nehmen, der direkt angerannt kommt und einen schwanzwedelnd anspringt. Also mal in aller Ruhe den Markt sondiert und einem zurückhaltenderen Kollegen unser Wunschziel, das ‚Hotel Rovshan’ genannt. Der schaute erst einmal verschüchtert zum Anführer, der natürlich auf seinen zehn amerikanischen Geldeinheiten beharrte. Wir schlugen mal drei davon vor, worauf schon mal die Hälfte der Meute abwinkte und sich umdrehte. Der von uns auserkorene Dienstleister zeigte sich zwar wenig begeistert, war aber dann einverstanden. Bild Das war ja mal so einfach, dass es uns direkt komisch vorkam und wir den Mann dann mehrfach mit Händen und Füßen fragten, ob klar sei, dass wir drei Dollar für die Fahrt und nicht pro Person zahlen würden. Fünfzehn Minuten später waren wir im gewünschten Hotel. Wir hatten uns vorher um eine Online-Buchung bemüht, aber weder die Buchungsmaske der Hotel-Homepage, noch mehrere Emails und auch ein Anruf brachten überhaupt eine Reaktion. Völlig überraschend war von unserer Ankunft also nichts bekannt. Ein Dreibett-Zimmer war nicht frei, aber die beiden Jungs, die in dieser Nacht Dienst schoben, waren hilfsbereit und telefonierten die Hotels in der Nähe ab. Im 'Rohat' wurden wir fündig. Also Taxi gerufen, bei den Hotel-Mokeln ein paar Dollar in heimische Währung getauscht und für 10tsd Sum (= 3,30 EUR) ging es einige Minuten durch die Nacht. Im 'Rohat' war dann ein wenig Verhandlungsgeschick nötig, da es mittlerweile 5:00 Uhr war und wir um die Zahlung der Rest-Nacht herum kommen wollten. Letztlich einigten wir uns auf die Zahlung einer halben Nacht. Fairer Deal. Ab in die Falle.

Fr. 19.09. 18:00 - Lokomotiv Taschkent vs Pakthakor Taschkent (Professional Futbol Ligasi)

Heute stand also das Topspiel zwischen dem Ersten und dem Zweiten der usbekischen Top-Liga an. Betonung auf 'stand'! Als ich am Mittwoch meine Tasche packte, checkte ich parallel noch einmal die Ansetzungen und stieß auf der Homepage des Liga auf eine verdächtige Meldung. Ein paar Recherchen später war leider Gewissheit, dass das Spiel verlegt worden war. Grund dafür konnten nur die momentan in Südkorea stattfindenden Asien-Spiele sein, die das bereits genannte Fußball-Turnier der U23-National-Teams beinhalteten. Da auch das Pakthakor-Spiel des Vor-Wochenendes gecancelt worden war, musste der Verein wohl zu viele Spieler für das U23-Team abstellen. Mit Sorge prüfte ich nun noch die Ansetzungen der tadschikischen Liga, denn da hatten wir ja nur eine Chance. Mit Schrecken musste ich feststellen, dass dort am letzten Wochenende nur zwei von fünf Spielen stattgefunden hatten. Zum kommenden Wochenende war aber noch nichts zu finden. Dafür aber am darauf folgenden Morgen. Es sollten wieder nur zwei von fünf Spielen stattfinden. Aber man muss auch mal Glück haben - eines der beiden sollte das von uns anvisierte in Ghafurov sein.

Den Wecker hatten wir auf 9:00 Uhr gestellt, um das Frühstück mitzunehmen. Aufstehen war aber nach nur drei Stunden Schlaf nicht möglich. Kollektiv hatte uns eine temporäre Lähmung erwischt und wir blieben bis 11:00 Uhr liegen. Da man in Usbekistan an Geldautomaten nicht viel Glück hat, wird die Mitnahme von US-Dollar zum Cash-Tausch empfohlen. Der beim Schwarz-Tausch zu erzielende Kurs ist auch deutlich besser, als an Banken oder Automaten. Bild Also steuerten wir mal die benachbarte Markthalle an und schauten uns eine angemessen zwielichtig wirkende Person aus, die wir befragten. Nun wurde es ein wenig skurril. Der Typ schleppte uns zu einer älteren Frau am Eierstand, bei der wir jeder 100 Dollar eintauschen wollten. Diese hatte aber nicht genug einheimische Währung und suchte Hilfe beim Metzger. Am Ende bekamen wir jeder 302.000 usbekische Sum ausgehändigt. Kurs also 1 zu 3.020, bei der Bank gibt es nur um die 2.500. Bild Nun ist es so, dass der größte Schein im Lande der 5tsd-Sum-Schein ist, was dann eh schon einen großen Packen bedeutet. Da Metzger und Eierfrau aber nicht genügend davon hatten, gab es noch - man muss es so sagen - einen verdammten Haufen Tausender dazu. Als ich das Bündel in der Hand hielt, erinnerte mich das an Gangster-Filme, in denen Auftragsmörder ihre Entlohnung erhalten. Bekam man kaum in die Hosentasche das Gerümpel. Der erste Weg führte zurück zum Hotel, um das Zimmer bezahlen, und damit den Papierberg zu verringern. Das Rezeptions-Mädel war aber wenig geschockt, als wir ihr 315.000 Sum in Tausendern auf den Tisch blätterten sondern meinte nur trocken "Our currency is horrible". Berge von Monopoly-Geld zu tauschen ist hier natürlich Tagesgeschäft sein. Die ganzen Scheine wurde einfach durch eine Zählmaschine geballert und fertig. EIgentlich sollte man sich den Spaß machen und in Usbekistan ein Auto kaufen. Bestimmt ein Moment für die Ewigkeit, wenn der Sattelzug mit den Geldscheinen vorgefahren kommt. Die erste Tagesaufgabe war erledigt, damit stand die zweite Aufgabe an. Das Wetter bot uns blauen Himmel und Sonne. Bild Der Fußweg zur Metro führte uns am neuen Stadion von Bunyodkor vorbei. Schick, schick. Vorher stand an dieser Stelle das 'MHSK Stadion', das 'Markaziy Harbiy Sportklubi Armi Stadion'. 2009 wurde das multifunktionale Oval abgerissen und stattdessen in drei Jahren Bauzeit dieser neue 34tausender hingesetzt. Das Design stammt aus der Feder eines deutschen Architekten. Eigentlich wurde das imposante Dingen mit seinen Zeltdachbahnen für die U20-Fauen-WM errichtet. Aber wie es so ist in fernen Ländern mit chaotischer Mentalität, wurde das Teil natürlich nicht rechtzeitig fertig und erst Monate nach dem Dosenball-Turnier eröffnet. Die Metro kostet 1000 Sum, also knapp 30 Euro-Cent. Über den Umsteigepunkt 'Pakthakor' fuhren wir zum Bahnhof. Bild Dort fanden wir vor den Kassen das erwartete Rumgemokel. Jeder steht irgendwie an, wirkliche Reihen gibt es nicht, dafür werden zwischen manchen Leuten 'Warte-Allianzen' gebildet. Heißt, es stellen sich Leute an unterschiedlichen Kassen an und wenn abzusehen ist, dass es irgendwo schneller geht, wird die Kasse entsprechend gewechselt. Dazu kommt dann die übliche Vordrängelei. Man sieht also nie richtig durch, wie viele Leute vor einem stehen. Als eine weitere Kasse öffnete, schaltete Tobias schnell und wir waren dann bald dran. Mit eigenem Gestammel, einem Zettel, auf dem ich vorher in kyrillischer Schrift, die gewünschte Zugverbindung gedruckt hatte, und mit Hilfe eines Mannes, der des Englischen mächtig war, erwarben wir für je 67.000 Sum (knapp über 20 Euro) Liegeabteil-Tickets für den Nachtzug von Bukhara nach Tashkent für den kommenden Mittwoch. Damit hatten wir alle Tagesaufgaben erledigt und konnten uns dem Amusement hingeben. Dieses bedeutete zunächst Nahrungsaufnahme und Pivo. BildEine Bar mit Außenbereich weckte unser Interesse. Speisekarte natürlich nur in Kyrillisch, was Nobbi und mich wenig schockte, da wir einfach irgendwo drauf zeigten und uns überraschen ließen. Tobias hatte es als Vegetarier etwas schwieriger, aber auch das wurde gelöst und er bekam ein paar Fritten. Wir hatten Glück mit unserer Blindwahl und erhielte Geschnetzeltes mit Gemüse und Fritten. Dazu ein paar Pivo und die Welt war in Ordnung. Mit der Metro fuhren wir dann zum Fernsehturm. Die Info des eigentlich aktuellen Lonely Planet wich aber von der Realität ein wenig ab. Statt der erwarteten 5tsd Sum wollte man 45tsd. Kostenlos wurde dazu ein völliges Fotografie-Verbot verteilt. Wir winkten dankend ab. Das Einheimische nur 7.500 Sum bezahlen müssen, sei nur am Rande erwähnt. Nun war der 'Shakantaur'-Komplex mit seinen Mausoleen unser Ziel. Nach viel zu viel Lauferei kamen wir dort in der Dämmerung an. Lohnte sich aber nicht wirklich und wir traten den Rückweg Richtung Hotel an. Dort nahmen wir noch zwei Pivo in einer Restaurant-Bar, in der ein DJ russische oder usbekische Pop-Mucke auflegte, ein weiteres gab es in einem kleinen Restaurant, wo Nobbi und ich auch zu den gegrillten Fleisch-Spießen nicht "Nein" sagen konnten. Nobbi ging dann zum Hotel und Tobias und mein Interesse zog ein Laden mit dem Namen 'München' auf sich. Auch dort gab es noch ein Pivo und dann verzogen wir uns endgültig ins Hotel.

Sa. 20.09. 18:00 - FK Olmaliq vs FK Mash'al Mubarek 2:1 (Professional Futbol Ligasi), 4.225 Zuschauer (0 Gäste)

9:00 Uhr war Aufstehen angesagt. Das Frühstück war in Ordnung und anschließend wurde noch einmal ein Bündel Tausender bei der Eierfrau unseres Vertrauens geholt. Neben den offiziellen Taxen kann man auch einfach Privatfahrer auf der Straße anhalten. Grundsätzlich ist jedes vorbeifahrende Auto ein potentielles Taxi. Und vor allem günstiger. Diese Möglichkeit wählten wir und kamen für 8.000 Sum zum 'Kuyluk Basar' an, von wo die Marshrutki und Shared Taxis gen Südosten starten, eben auch zu unserem Ziel Olmaliq. Die Taxi-Mafia überschlug sich wieder, als sie uns entdeckte. Ein Dutzend Typen mokelte um uns rum und redete lautstark auf uns ein. Nachdem wir den Mob ein wenig beruhigt hatten und klar war, dass wir keine Phantasiepreise bezahlen wollen, einigten wir uns mit dem Mann unseres Vertrauens auf 20.000 Sum, also keine sieben Euro. Gut fünfundvierzig Minuten später kamen wir in Olmaliq an. Unser Fahrer lieferte uns noch bei einem Hotel ab. Es war unmöglich etwas vorab zu buchen, da online einfach nichts zu finden war. Die Rezeptions-Olga im ‚Rohat’ hatte auf unser Bitten versucht, etwas in Erfahrung zu bringen. So richtig erfolgreich war sie dabei aber auch nicht. Olmaliq scheint ‚überraschenderweise’ kein Touristenziel zu sein. So hatte sie sogar beim dortigen Stadtrat nachgefragt. Dort war man erstmal irritiert, was Fremde in dieser Industriestadt wollen. Wir konnten sie aber beruhigen, dass wir lediglich das Fußballspiel sehen wollten. So ließ man uns ausrichten, dass uns der Bürgermeister willkommen heißen würde und wir uns dort nach Ankunft melden sollten. Die einzige andere Info war, dass es ein 'Hotel Vesna' geben sollte. Eben dieses, wo wir uns hinbringen ließen. Dieses sah gar nicht schlecht aus, allerdings war kein Zimmer frei. Kam uns komisch vor, lag aber letztlich daran, dass sowohl die Mannschaft des FK Olmaliq (warum auch immer) als auch der Gegner dort residierten. War aber am Ende gar nicht so schlecht, denn die Olga an der Rezeption sprach kein Englisch und sie rief einen der Spieler zwecks Übersetzung zur Hilfe. So erfuhren wir, dass es noch ein zweites Hotel in der Stadt gab, wo wir mit einem Taxi hinfuhren. Nun wurde es richtig interessant, denn dort sprach absolut niemand Englisch. Der Schuppen sah aber auch mal verdammt abgefuckt aus. Wir landeten schließlich beim Hotelmanager, der mit Hilfe eines kleinen selbstgefertigten Wörterbuches, welches die wichtigsten Sätze enthielt, die Kommunikation mit uns aufnahm. Der gute Mann war superfreundlich und wollte uns partout drei Einzelzimmer andrehen. Hauptsächlicher Grund war, dass wohl kein Dreibettzimmer frei war. BildDa wir nicht weiter kamen, zeigte er uns die Räume. Unter anderem ein Doppelzimmer, zu dem noch ein Wohnraum mit Couch gehörte. Wir machten dem Mann mit Händen und Füßen klar, dass wir dieses Appartement nehmen und dort zu dritt schlafen würden. Er konnte es kaum glauben, vermutlich weil er sich unserer sexuellen Vorlieben plötzlich nicht sicher war, denn Homosexualität ist in Usbekistan verboten und dass zwei Männer ein Doppelbett teilen wollen, war ihm wohl nicht geheuer. Letztlich einigten wir uns aber, dass die Couch als drittes Bett hergerichtet wird. 195.000 Sum tauschten dafür den Besitzer. Abgesehen davon, dass dieses Loch - spätestens der Sanitärbereich war mehr als grenzwertig - damit absolut überbezahlt war (hätten wir uns mal lieber beim Bürgermeister gemeldet), war der Bezahlvorgang absolut genial und trieb uns vor Lachen die Tränen in die Augen. Für uns war das die Chance einen ganzen Haufen 1.000-Sum-Noten loszuwerden. Also stapelte jeder von uns 65 Tausender auf den Tisch. Liest sich unspektakulär, war aber in der Realität eine völlig absurde Situation.

Nachdem wir am Busbahnhof die Verbindung zur Grenze nach Tadschikistan für den nächsten Morgen erfragt hatten, gingen wir eine Kleinigkeit essen. Nobbi und ich bestellten wieder blind - dieses Mal gab es dann Hühnchen - und Tobias löste seine vegetarische Aufgabe auch wieder nach ein wenig Hin und Her. Mit dem Minibus führen wir für 700 Sum die letzten zweieinhalb Kilometer zum Stadion. Bild Bild In den ehemals sowjetischen Republiken muss man beim Fußball mit dem Fotografieren ja manchmal vorsichtig sein, und da Miliz in Massen vertreten war, holten wir uns beim Ablichten des Stadion-Portals die Erlaubnis vom nächsten Uniformierten ein. Dieser war aber wohl nicht ausreichend bevollmächtigt und so wurde ich zum Chef beordert, der fett auf einem Stuhl sitzend die Lage im Auge behielt. Ich wurde zwar freundlich mit Handschlag begrüßt, durfte aber anhand meines Visums und tausend Beteuerungen glaubhaft nachweisen, dass ich Tourist und kein Journalist bin. Für 3.000 Sum dürften wir dann Einlass-Ermächtigungen erwerben. Das 'Markaziy Stadion' ist niegelnagelneu und erst im Frühjahr fertig gestellt worden. Bild Ist aber auch völlig bescheuert. Olmaliq ist eine üble Industriestadt, wo die umliegenden Fabriken ständig fieses Zeug in den Himmel blasen. Die Stadt ist alles andere als schön, die Bausubstanz ist völlig hinüber und man hat nichts besseres zu tun, als ein neues Stadion zu bauen! Es handelt sich um einen komplett unüberdachten All-Seater mit Laufbahn. Nicht hässlich, aber auch nichts besonderes. Spielerisch war das Dargebotene nicht so schlecht, aber deutlich langsamer, als das, was man aus Europa gewohnt ist. Zwischendurch bekam ich das Endergebnis vom Kick meines Herzensclubs beim Nachwuchs der blauen Brut - fünftes Remis im achten Saisonspiel... klasse!! Olmaliq ging verdient in Führung und gab das ganze Spiel den Ton an. Wie es aber manchmal so ist, kamen die Gäste Mitte der zweiten Hälfte zum Ausgleich. Bild Olmaliq rannte weiter an und bekam in der Schlussphase Chance um Chance. Dabei sah es aus als ob die Abwehrreihe der Gäste komplett die Arbeit eingestellt hatte. Olmaliq erzielte in der Nachspielzeit den Siegtreffer und ich denke, dass man mit der Vermutung, dass dieses Ergebnis vom einen oder anderen asiatischen Wettanbieter begrüsst wurde, nicht völlig daneben lag. Bild Eine kleine Supportgruppe gab es auch. Die Anfeuerung beschränkte sich aber auf den Ruf des Vereinsnamens und dem Versuch, rhythmische Trommel-Laute zu produzieren. Ich hatte aber eher den Eindruck, dass der Trommler einen epileptischen Anfall hatte, so wie er sein Instrument verprügelte. Neben dem Länderpunkt Usbekistan sollte die Partie für Nobbi aber noch einen weiteren Gewinn bringen. Irgendwie kamen wir bei unserer Dummlaberei auf den Film 'Bang, Boom, Bang' und rappzapp hatte Nobbi den Spitznamen 'Kampmann' (im Film gespielt von Legende Dieter Krebs) weg. Wir fuhren mit dem Minibus wieder in die Ecke um unser Hotel und gingen noch was essen und auf den neuen Länderpunkt anstoßen. Das Schaschlik war lecker und unsere Bedienung mit ihren paar Brocken Englisch total Klasse. Für eine Person sollte dieser Restaurant-Besuch aber noch Folgen haben...

So. 21.09. 16:30 - FK Parvoz Gafurov vs FK Istaravshan Ura-Tyube 1:2 (Tajik League), 4.000 Zuschauer (3.000 Gäste)

Als um 7:00 Uhr der Wecker schellte, irrte Kampmann schon etwas unruhig durch unser Luxus-Etablissement. Ihm waren die Fleischspieße des Vorabends nicht so gut bekommen und Montezuma hatte ihn schwer erwischt. Da er mit ein bisschen Finger-Spielerei an den Mandeln einen Würfelregen vom Hotel-Balkon herbeiführen konnte, ging das Unwohlsein wohl schnell vorüber, aber trotzdem kam er nicht richtig in Gang. Kein Wunder - weiss ja jeder wie man sich fühlt, wenn man sich den Magen verdorben hat. Der arme Kerl musste das eine oder andere Mal die Kachel-Abteilung aufsuchen. Half nix - Tadschikistan rief. Die Marshrutka in Richtung Grenzübergang Oybek fuhr wie am Vortag angesagt um 8:15 Uhr. Bild Gerade mal 5.500 Sum waren für die etwa 60 Kilometer fällig und um 9:45 Uhr standen wir vor dem usbekischen Grenzposten. Ausreise aus Usbekistan und Einreise nach Tadschikistan waren mega-easy. Bild Der junge tadschikische Beamte freute sich noch nen Ast ab, dass er seine drei Worte Schul-Deutsch an den Mann bringen konnte. Nachdem auch die Zollkontrolle, die darin bestand, dass wir handschriftlich in ein dickes Buch eingetragen wurden, zur Zufriedenheit aller erledigt war, betraten wir tadschikischen Boden. Unerwartet zögerlich kam die Taxi-Fraktion auf uns zu und schnell war ich mir bei zwei Dollar pro Nase mit einem älteren Herrn für die 65 Kilometer nach Khujand handelseinig. Dachten wir. Eine Knappe Stunde später trafen wir an der Adresse unserer Unterkunft ein. 'Großzügig' gaben wir sieben Dollar, was den Mann fassungslos machte. Ich verdeutlichte dass wir uns auf zwei Dollar pro Person geeinigt hatten. Er war der Meinung, dass zwanzig(!) pro Fahrgast vereinbart waren. Das war nun völlig überzogen und wir schalteten auf stur. Die ganze Sache schaukelte sich nun total hoch. Ein Wort gab das andere und Passanten wurden in die Sache einbezogen. Am Ende gaben wir dem Mann insgesamt zwölf Dollar. Nach Studium der einschlägigen Fachlektüre mussten wir einsehen, dass der Mann uns zwar mit seiner Forderung abzocken wollte, wir ihm aber eindeutig zu wenig gegeben hatten. Shit happens - oft genug gewinnen die Geier, nun hatte halt mal einer das Nachsehen. Die Unterkunft zu finden war nicht weniger einfach. Wir hatten mal einfach die günstigste auf booking.com zu findende Bude, das 'Amir Appartement' gebucht. An der angegebenen Adresse war aber nichts was darauf hinwies. Man schickte uns zum Nebeneingang, wo ein alter Mann zwar völlig verwundert war, uns aber eine totale Bruchbude zeigte. Nee, das war falsch. Also mal erfolglos die angegebene Telefonnummer angerufen. Ein Typ, der an seinem (geklauten?) Mercedes rumfummelte, wurde aufmerksam. Mit Händen und Füßen erklärten wir unser Problem. Also wählte er die Numer und holte Infos ein, die er uns aber mangels gemeinsamer Sprachbasis nicht weitergeben konnte. Er rief ein vorbeilaufendes junges Mädel dazu, die Englisch sprach und uns erklärte, wo wir hin mussten. Besten Dank für den Einsatz. Zweihundert Meter weiter kamen wir aber auch nicht klar. Zwei junge Frauen wurden auf unsere suchenden Blicke aufmerksam und versuchten uns zu helfen. Bild Plötzlich stand das Mädel von vorhin wieder neben uns und fragte ob wir weiter gekommen wären. Und genauso plötzlich stellte sie fest, dass das gesuchte Appartement ja von ihren Eltern vermietet würde. Was war n das jetzt für ne komische Geschichte? Hätte ihr doch auffallen dürfen, als sie uns die Wegbeschreibung übersetzt hat. Egal. Jedenfalls war das eigentlich gebuchte Dingen warum auch immer nicht frei und wir könnten ein anderes haben. Wir waren zwar mittlerweile genervt, aber die ganze Nummer zu canceln und ein Hotel zu suchen, hätte zu viel Zeit als wohl auch Geld gekostet, also willigten wir ein. Mittlerweile war auch die Mutter eingetroffen. Das Taxi dorthin übernahmen die Vermieter. Die Alternativ-Bude lag stilecht in einem abgeranzten Plattenbau und verfügte nur über zwei Betten. Warum uns das angeboten wurde, weiß niemand. Nach Intervention wurde uns zugesagt, dass ein drittes Bett gebracht würde. Himmelarsch - was ein Gehampel! Naja, für 32 Dollar war die Bude Grad noch okay. Zwar sehr einfach, aber sauber und vor allem mit annehmbaren Sanitärräumen.

Nobbi legte sich erst einmal hin, um seinem leidenden Körper ein wenig Ruhe zu gönnen. Tobias und machten uns direkt wieder auf, um einheimische Währung zu beschaffen und ein wenig von der Stadt zu sehen. Bild Nachdem wir einem Geldautomaten jeder einhundert Somoni (= 16 Euro) entlockt hatten, schauten wir uns das Denkmal für die im Zweiten Weltkrieg gefallenen Tadschiken, das ‚Sheik Massal ad-Din Mausoleum‘ und den alten ‚Panjshanbe Basar‘ an Bild Bild und latschten dann zur Unterkunft zurück. Dort wurde Nobbi wach gerüttelt und dann die Marschrutka nach Ghafurov gesucht. Für zwei Somoni war es Nummer 55 und doch nicht die richtige. Wir erregten aber im Mini-Bus genug Aufsehen, dass sich wieder Leute für uns interessierten, nach unserem Ziel fragten und uns den Umsteigepunkt und die richtige Marshrutka zum Stadion zeigten. Dort war schon richtig gut was los. Drei Somoni kostete der Eintritt und nach Vorsprache bei irgendeinem wichtigen Tellermützen-Träger dürften wir auf die kleine überdachte Tribüne. Das war gut so, den der goldgelbe Gasplanet brannte mit über dreißig Grad vom Himmel. Das Spiel zwischen den Gastgebern aus Ghafurov und den Besuchern aus Istaravshan war durchaus ein Derby und es fanden sich gut viertausend Besucher im 'Stadion Furudgokh' ein, was für die tadschikische Liga eine sehr gute Zahl ist. Mehr als ein Drittel der Anwesenden drückten den Gästen ihre Daumen. Bild Auf unfassbar schlechtem Boden entwickelte sich ein gar nicht mal so schlechtes Spiel. Istaravshan ging schnell in Führung, doch Parvoz glich ebenso schnell aus. Noch vor dem Wechsel konnten die Gäste den erneuten Führungstreffer erzielen. In Hälfte Zwei entglitt dem Ex-FIFA-Referee mehr und mehr die Partie. Es wurde ein ziemliches Geknüppel, ständig lag irgendwer am Boden und auf den Tribünen gab es auch ein paar undurchschaubare Situationen. Bild Letztlich brachten die Gäste die Partie mit viel Schauspielerei und Zeitspiel über die Bühne. War ne kurzweilige Geschichte und authentischer konnte man den Länderpunkt in diesem Ground, der aus einer großen unüberdachten und einer kleineren teilweise überdachten Tribüne ohne Kurvenausbau besteht, kaum machen. Vor dem Stadion war nun heilloses Durcheinander und mit viel Glück fanden wir eine Marshrutka zurück nach Khujand. Nobbi suchte direkt unsere Traum-Villa auf, Tobias und ich organisierten für uns zwei noch ein paar Pivo und an einem Grillstand zog ich mir noch einen Schaschlik-Spieß rein. Das dritte Bett war auch eingetroffen und der Vermieter schaute mit seiner Tochter noch vorbei um die Finanzen zu regeln. Er nahm dann nur dreißig Dollar und entschuldigte sich für das Durcheinander. Zu Freude meiner Mitreisenden, einmal Fohlen, einmal EffZee, kam das Derby zwischen den beiden Teams live auf Eurosport, so dass die Abendunterhaltung geklärt war. Über die Qualität dieses Spieles decken wir mal den Mantel des Schweigens. Danach legten wir uns alle ab.

Mo. 22.09. - Reise nach Samarkand

Bis 7:00 wollten wir pennen. Die Handwerker waren aber anderer Meinung und legten schon eine Stunde früher irgendwo nebenan los. Schlafen die hier eigentlich nie? Überall wird bis tief in die Nacht gemokelt und dann geht es wieder los, sobald das Tageslicht es zulässt. Unser Vermieter brachte uns wie verabredet um halb acht die Quittung vorbei und das Taxi gleich mit. In Tadschjikistan ist jedes zweite Auto ein Opel der Baureihe Astra F und G oder Vectra B. Hier weiß man deutsche Wertarbeit noch zu schätzen. Für zwanzig Somoni brachte man uns zum 'Abreshim Avtovokzal', wo die Sammeltaxen zur Grenze ablegen. Bild Binnen einer Minute hatten wir ein solches für fünfzehn Somoni pro Nase gebucht und eine Dreiviertelstunde später standen wir an der Grenze. Die letzten tadschikischen Geldeinheiten verwandelten sich beim Schwarz-Tausch in usbekische und genauso entspannt und freundlich wie am Vortag verlief der Staatenwechsel heute. Das Wetter war wieder ein Traum, wie eigentlich alle Tage in Usbekistan und Tadschikistan. Erst in Kasachstan sollte sich das ändern. Bild Als wir die letzte Kontrolle passiert hatten, rastete die anwesende Taxi-Mafia mal wieder völlig aus, als sie uns erspähte. Ich trat als erstes aus dem Grenzbereich und allen anwesenden Kutscher umlagerten mich und ballerten mir nach Nennung unseres Zieles die Preise entgegen. War natürlich alles wieder total fern der Realität. Bei hundert Dollar fing es an. Da war es wieder, dieses Balz-Ritual um den Preis, mit dem alle leben können. Die Taxi-Mafia hatte sich ein wenig beruhigt und tanzte mal eine kollektive sechzig vor. Wir gingen in Formation und versuchten es mit eingesprungen fünfundvierzig mit halber Schraube. Jetzt wurde es zäh, denn wir kamen uns minutenlang nicht näher, so dass wir erst einmal abwinkten und uns auf eine Mauer setzten. Direkt an der Grenze befindet sich auch eine Kontrollstelle der vorbeiführenden Schnellstraße. Dort ging ich hin und wollte die Milizionäre fragen, was denn wohl ein fairer Preis wäre. Keiner Verstand mich, aber Big Boss zog sofort sein Handy und rief einen Bekannten an, der des Englischen mächtig war. Dieser meinte, dass fünfzig Dollar angemessen wären und genau auf diesen Betrag hatten sich Tobias und Nobbi mittlerweile mit einem Fahrer geeinigt. Kobul hieß unser Begleiter für die nächsten vier Stunden. Unser fahrbarer Untersatz war ein alter Daewoo Nexia, der die besten Tage lange hinter sich hatte. Konnte man aber nicht nur daran festmachen, dass erst beim Fahrer und dann bei Nobbi auf der Beifahrerseite mal einfach die Seitenscheibe schlagartig herunterrutschte. Mit Mokel-Musik aus dem Mokel-Radio ging es durch die wenig abwechslungsreiche Landschaft. Wir sahen auf Baumwollfelder, dann auf wüstenähnliche SteppenlandschaftBild Bild Bild und dann wieder auf Baumwollfelder. Dann sahen wir endlich mal Baumwollfelder. Einmal durchschnitten wir einen Höhenzug, was schon das landschaftliche Highlight darstellte. Mehr Abwechslung versprachen die Straßenverhältnisse, denn die waren teilweise katastrophal. Fiese Schlaglöcher und völlig verschlissene Fahrbahndecke wechselten sich munter ab. Es rappelte und knallte überall. Der tapfere Koreaner ächzte aus allen Schweißnähten. Was für ein Ritt! Nach gut vier Stunden kamen wir in der 350tsd-Einwohner-Stadt Samarqand, eine der ältesten Städte der Welt, an. Unser Fahrer war eigentlich ein feiner Kerl und es tat uns fast leid, dass wir ihn so massiv runter gehandelt hatten. Aber so ist das im Leben - mal verliert man und mal gewinnen die anderen.

Mit unserer Unterkunft, dem 'Furkat B+B', hatten wir einen Treffer gelandet. Schönes, uriges, traditionell eingerichtetes Zimmer mit eigenem Bad, schöner Innenhof und eine Dachterrasse mit traumhaftem Ausblick. Lange hielten wir uns nicht auf und spazierten zum nur fünf Geh-Minuten entfernten 'Registan'. Das Wort 'Registan' bedeutet 'sandiger Platz'. Daher ist 'Registan' auch kein fest an Samarkand gebunder Begriff. Registane gibt es auch noch anderswo. Der in Sarmaqand gilt aber als einer der prächtigsten, wenn nicht gar als der prächtigste, Mittelasiens. Der hiesige 'Registan' wird an drei Seiten eingerahmt von Koranschulen, den Medresen oder arabisch 'Madrasas', in denen islamische Wissenschaften aber auch traditionelle Lerninhalte wie z.B. Mathematik gelehrt werden. Die vierte Seite ist offen. Bild Bild Bild Bild Bild Optisches Merkmal eine Medrese ist der meist gewaltige Lanzetten-Bogen, der wie kaum ein anderes Bauwerk den Charakter des orientalischen darstellt. Wenn man die Schule durch die in den mit Mosaiken verzierten Lanzetten-Bögen betritt, eröffnet sich dahinter ein Innenhof, in dem sich eine Moschee, Lehrräume und Wohnräume der Schüler befinden. Die 'Ulugbek Madrasa' und die 'Sher Dor Madrasa' stehen sich gegenüber und sind fast identische Bauwerke, die von Minaretten flankiert werden. Die erstgenannte galt im orientalischen Mittelalter als eine der besten Lehrstätten der muslimischen Welt. Bild An der Kopfseite erhebt sich die 'Tilya Kori Madrasa', die über einen größeren Innenhof verfügt, als die anderen beiden. Hier befand sich lange Zeit eine der wichtigsten Moscheen. Heute wird in den Medresen natürlich nicht mehr gelehrt, sondern dienen ausschließlich touristischen Zwecken. Wir hatten das Glück, dass sich der Andrang in Grenzen hielt. Der 'Registan' in Samarqand war (neben Bukhara) einer der hauptsächlichen Gründe, warum ich diese Region bereisen wollte. Seit ich Bilder davon gesehen hatte, wollte ich diesen Platz unbedingt selbst erleben, Eindrücke und die orientalische Atmosphäre aufsaugen. Ein tolles Erlebnis. Nach ausgiebiger Besichtigung gingen wir kurz zum nahen Hostel, um alles unnötige abzulegen und alles nötige mitzunehmen. Ich genoss noch den Sonnenuntergang von der Dachterrasse aus und dann latschten wir dann zum nahen Restaurant 'Old City' und ließen uns mit Schaschlik versorgen. Naja, fast alle. Zwei Zimmer-Bier rundeten den gelungenen Tag ab.

Di. 23.09. - Samarkand & Reise nach Bukhara

Gegen 8:00 Uhr standen wir auf, sortierten uns und frühstückten. Und wieder knallte der Gasball vom Himmel auf uns runter. Über das Wetter konnten wir echt nicht klagen. Schon eher zu viel des Guten. Oder besser gesagt: Es war schweineheiß! Unser Wirt nahm unsere Pässe zur notwendigen Registrierung entgegen. Kurz darauf kam er leicht aufgeregt angelaufen und wies Nobbi und Tobias, dass ihr Visum schon am Donnerstag endet. Okay wir hatten bei der Einreise nach Tadschikistan festgestellt, dass ihre Visa zwar die Gültigkeit von fünfzehn Tagen, aber nur einen Aufenthalt von sieben Tagen auswiesen. Im Gegensatz zu meinem Visum, dass auch fünfzehn Tage Aufenthalt gewährte. Merkwürdig, da wir uns mit den Visa-Antragen abgesprochen und alle dasselbe darin eingetragen hatten. Bild Bild Das bedeutete grundsätzlich, dass die beiden bereits am Donnerstag Usbekistan verlassen müssten. Bild Wir maßen dem aber keine große Bedeutung bei, da wir der Meinung waren, notfalls mit monetären Argumenten alles klären zu können. Als nun der Wirt von 2.500 Dollar Strafe sprach, herrschte große Verunsicherung. Tobias sendete noch eine Email an die usbekische Botschaft, aber die Hoffnung auf Klärung war gering. Wir schoben das Problem erst einmal beiseite und machten uns bei gut 35 Grad ans Sightseeing. Die 'Bibi Khanum Moschee' sollte noch unsere volle Aufmerksamkeit bekommen. Diese war im 15.Jahrhundert eine der prächtigsten Hof-Moscheen der Welt. Sie verfiel aber bis ins 19.Jahrhundert zusehends und Mitte des letzten Centenniums war nur noch eine Ruine übrig. Die Bedeutung des Bauwerks wurde aber neu entdeckt und die Moschee restauriert, so dass sie heute beinahe wieder vollständig hergestellt ist. Anschließend bummelten wir über den angrenzenden Basar und verliefen uns im jüdischen Viertel, aus dem wir dann doch noch irgendwie wieder heraus fanden.

Gegen 13.30 Uhr waren wir wieder am B+B um unser Gepäck zu holen. Für 6tsd Sum fuhren wir mit dem Taxi zum Ulugbek-Basar, von wo Shared Taxis und Busse nach Bukhara starten. Nun ging das Gemokel wieder los. Ein jüngerer großgewachsener Typ mit Grinsegesicht kam direkt auf uns zu und schlug 40tsd Sum pro Nase vor. Wir hatten am Nachmittag einen deutschsprachigen Guide getroffen, der meinte, dass 25tsd reichen sollten. Damit versuchten wir es und ernteten nur Gelächter. Nun ging es schier ewig hin und her. Alles ohne gemeinsame sprachliche Basis natürlich. Abwechselnd wurden Zahlen auf Zettel gemalt und ins Handy eingetippt. Wir kamen keinen Sum nach vorne und es stellte sich raus, das für den Preis von 40tsd auch noch ein weiterer Fahrgast nötig war, sonst würde die Fahrt insgesamt 160tsd kosten. Bild Also versuchten wir es mit einem nebenan stehenden Bus. Wahnsinn, was für eine abgefuckte Gurke das war. Ein Setra aus den Achtzigern in dem nichts, aber auch nichts mehr intakt war. Stickige Hitze rundeten das Erlebnis ab. Auch wenn die Fahrt nur 10tsd pro Person kosten sollte, wie ein junger deutschsprachiger Usbeke, der in Kassel studiert hatte, übersetzte, war es uns das nicht wert. Also wieder raus aus der Hitze-Hölle und in die zweite Verhandlungsrunde mit der Mafia. Brachte überhaupt gar nix. Keine Chance. Also ab in die nächste Busmöhre, einen Mercedes ähnlichen Baujahres. Auch hier gefühlte 70 Grad, aber wir hatten keine Wahl mehr. Die Zeit schritt voran und wir wollten die Niederlage vor der Taxi-Mafia nicht eingestehen. Bild 20tsd Sum kostete die Fahrt in diesem Bus, womit wir natürlich klar beschissen wurden, denn die Usbeken zahlten nur die Hälfte. Aber uns blieb keine andere Möglichkeit mehr, wenn wir nicht erst spät abends in Bukhara ankommen wollten. Die Busse enden aber alle in Gijduvon und der Taxi-Anschluss im Wert von 5tsd Sum war zumindest im Preis mit drin, wie uns eine des Englischen mächtige Passagierin mitteilte. Die Fahrt war anstrengend und an den Bedingungen gemessen doch entspannt. Wir waren natürlich die Attraktion in der Schaukel, denn in diese Schrotthaufen verirrt sich wohl nur selten ein Tourist. Nach dreieinhalb Stunden waren wir in Gijduvon, etwa 40 Kilometer vor Bukhara. Der Kutscher brachte uns zu Fuß ein paar Meter weiter zum Abfahrtspunkt der Taxen und wollte abhauen. So nicht, mein Lieber. Deutlichst wurde ihm klar gemacht, dass er drei Mal 5tsd Sum abzudrücken hat, was er nach einigem Widerstand auch zögerlich tat. Nun wollten die Taxi-Gauner natürlich pro Person 8tsd bis zum Stadtrand und noch einmal je 2tsd bis zu unserem Hotel haben. Meine Fresse, nimmt das denn hier nie ein Ende? Ein junger Typ, der auch im Bus war, half uns, indem er einfach ein Auto aus dem fließenden Verkehr anhielt und die Mitfahrt für 5tsd für uns klar machte. Wie bereits erwähnt, läuft das ja so in Usbekistan. Jeder kann einen Privatwagen aus dem Verkehr anhalten und sich gegen kleine Kohle mitnehmen lassen, so denn der Fahrer interessiert ist, seine eigenen Fahrtkosten minimieren zu wollen. Eine klassische 'Win-Win-Situation' also. Unsere Chaufferin war eine waschechte russische Matka mit krasser Lache. Die Olle fuhr wie der Teufel und lichthupte alles vor ihr weg. Allerdings haben uns in keiner Sekunde unsicher gefühlt. Matka wusste schon, was sie tat.

Am Hotel wollte sie dann insgesamt 5tsd mehr, da sie uns bis ins Stadtzentrum gebracht hatte. War uns nach diesem Tag auch mittlerweile egal, also die Moppen abgedrückt und feddich. Damit waren wir um 19:45 Uhr endlich am Ziel. In unserer Unterkunft wurden wir schon erwartet. Eigentlich ne coole Location. Die Zimmer liegen im Erd- und Obergeschoss um einen Innenhof. Bild Allerdings war alles sehr hellhörig und das WLAN auch wieder dickflüssig. Dafür war aber unser Raum mit eigenem Bad ganz nett. Die usbekische Botschaft hatte sich erwartungsgemäß nicht geäußert, daher war klar, dass Nobbi und Tobias am Donnerstag aus Usbekistan raus mussten, um nicht eine hohe Geldstrafe zu riskieren. Ich wollte bleiben, um am Donnerstag-Abend noch das Heimspiel von Bunyodkor zu sehen und wollte dann am Freitag nachreisen. Denn seit heute Abend war auch klar, dass der anvisierte Pakthakor-Kick am Freitag wieder ausfallen würde. Verdammte Axt - die beiden besten Grounds der Tourplanung fallen nicht. Aber zumindest sind die Länderpunkte ja safe, denn um Kasachstan machten wir uns keine Sorgen. Alles andere wäre Zugabe gewesen, also reiner Luxus und wer braucht den schon...?! Wir gingen nun in aller Ruhe am 'Labi Hovuz', dem zentralen Platz mit Wasserbassin in der Mitte und historischen Bauten drum herum, essen. Nobbi und ich labte uns an einem Berg Fleisch und Tobias mümmelte einen vegetarischen Spieß. Das ganze wurde begleitet von einer miesen Playback-Einlage zweier Musiker. Hätten sie einfach nur die Musik laufen lassen, wär es besser gewesen. Dann gab es wieder das obligatorische Zimmerbier bevor wir in das Reich der Träume entschlummerten.

Mi. 24.09. - Bukhara

Bild Eigentlich wollten wir ausschlafen, da sich aber ab 7:00 Uhr der Innenhof füllte, wurde das nix. Frühstück war in Ordnung und nachdem wir uns in aller Ruhe sortiert hatten, nahmen wir die Stadtbesichtigung in Angriff. Knapp 250tsd Einwohner hat die Stadt. Der Weg führte uns von unserer Unterkunft am 'Labi Hovuz' vorbei zur Festungsanlage 'Ark' Bild Bild mit ihren gewaltigen Mauern und Wehrtürmen. Ein von außen wahnsinnig beeindruckendes Bauwerk, das wir durch das Festungstor betraten. Der zu besichtigende Teil ist allerdings eine ziemliche Enttäuschung, denn man kann lediglich gut ein Viertel der Anlage durchschreiten. Der Rest ist verschüttet und bisher nicht wieder freigelegt. Unser Weg führte uns nun durch den zentralen Teil der Altstadt. Hier sticht der 'Poi Kalon Komplex heraus'. Dieser Komplex besteht aus mehreren einzelnen Bauwerken, von denen die 'Kalon Moschee', wiederum eine Hof-Moschee heraussticht. Bild Hier war so gut wie nichts los und jeder von uns ging ein wenig seiner eigenen Wege, so dass ich mich für einige Zeit einfach in den weiten Hof setzte und die Eindrücke auf mich wirken lassen konnte. Direkt neben der Moschee steht das 'Kalon Minarett' das auch dazu genutzt wurde, um zum Tode verurteilte aus fünfundvierzig Metern in den sicheren Tod zu stürzen. Bild Bild Diese Hinrichtungs-Art wurde bis ins späte 19.Jahrhundert ausgeübt. Die gegenüber der Moschee befindliche 'Miri Arab Madrasa', eine der bedeutendsten in Usbekistan, war für die Öffentlichkeit leider nicht zugänglich. Wir liefen weiter durch die Altstadt. Tobias und ich erwarben Seiden-Schals (hoffentlich auch wirklich echte) für die Herz-Damen daheim. Dann schauten wir uns noch die 'Chor Minor Madrasa' im östlichen Teil der Altstadt an, aber wir waren mittlerweile etwas ermüdet von den sich dann doch ähnelnden Ansichten und der Hunger gewann die Oberhand. Es knallten wieder sonnige dreißig Grad Bild Bild auf uns runter und wir waren ziemlich platt. Auf der Dachterrasse eines Restaurants - eines zu finden, dass den Ansprüchen aller Teilnehmer gerecht wird, war mal wieder nicht so einfach - ließen wir es uns gut gehen. Nobbi und ich konsumierten endlich mal ein 'Plov', das usbekische Nationalgericht, ein Eintopf bestehen aus Reis, Rindfleisch und allerhand Gemüse. Bild Absolut lecker! Nobbi ging danach schon mal zur Unterkunft zurück, wo wir das Gepäck eingelagert hatten und Tobias und ich machte einen Schlenker am nahen Stadion vorbei. Wir dachten zwar nicht, dass wir Einlass finden würden, durften aber feststellen, dass die Sportstätte für die Bevölkerung geöffnet ist, damit diese die Gelegenheit hat, körperlicher Ertüchtigung nachzugehen. Das Ding ist eine absolut geile Hütte. Zwar mit Laufbahn, aber das mindert die Attraktivität in keiner Weise. Die Geraden doppelstöckig mit überdachtem Oberrang. Die Kurven einrangig und im oberen Drittel ebenfalls überdacht. Nach ausgiebiger Foto-Session gingen auch wir zum Gepäck-Lager. Nachdem wir alle noch eine Internet-Session abgehalten hatten (was hat man eigentlich früher ohne dieses Internet gemacht... ich weiß es nicht mehr), verabschiedeten wir uns und fuhren mit dem Taxi zum Bahnhof, wo unser Zug um 20:40 Uhr ablegen sollte.

Der Bahnhof befindet sich nicht direkt in Bukhara, sondern im fünfzehn Kilometer entfernten Kogon. Nach einem Schaschlik-Spieß und dem Kauf von ein paar Fahrbier enterten wir den Nachtzug nach Tashkent. Allerdings erst nach ausgiebiger Sicherheitskontrolle. Bedeutet, dass das ganze Bahnhofs-Gelände massiv abgesperrt ist. Beim Betreten des Geländes kontrollieren zunächst zwei Milizionäre (nicht zu verwechseln mit Millionären) die Tickets und gleichen diese mit dem Ausweis ab. Bild Beim Betreten des Bahnhofsgebäudes werden dann alle Gepäckstücke durchleuchtet und man selbst geht durch eine Metalldetektor wie am Airport. Dann muss man sich sein Ticket noch von irgendeiner Trulla abstempeln lassen. Der Stempel wird dann beim Betreten des Bahnsteigs geprüft. Und schlussendlich nehmen die Zugbetreuer des betreffenden Waggons Ticket und Pass nochmal ganz genau unter die Lupe. Total beschmiert! Ich stelle mir vor, was auf unseren Bahnhöfen los wäre, wenn das so bei jeder S-Bahn gehandhabt würde. Der vierte Mann in unserem Kupé-Liegewagenabteil war ein junger Usbeke, der ein wenig Englisch sprach. Als wir unser Bier auspackten und der Zugbegleiter, ein totaler Muffkopp, den Stoff sah, wurde er gleich noch unfreundlicher und bedeutete uns, dass Alkoholgenuss nur im Restaurant-Waggon gestattet ist. Arsch lecken, mein Freund. Nach Rücksprache mit unserem Mit-Insassen schlossen wir die blickdichte Abteiltüre und schraubten uns die Brause quatschend rein. Irgendwann gegen 23:00 Uhr legte wir uns in die Kojen und ließen uns in den Schlaf rumpeln.

Do. 25.09. 18:00 - Bunyodkor Tashkent vs Nasaf Qarshi 1:2 (Professional Futbol Ligasi), 3.210 Zuschauer (1.300 Gäste)

Gar nicht mal so schlecht geschlafen hab ich in dem Ding. Die Gleise gewähren natürlich nicht so eine Laufruhe wir in West- und Mitteleuropa, aber obwohl ich ziemlich empfindlich bin, schaukelt mich so ein Nachtzug immer sanft in den Schlaf. Nach Ankunft in Tashkent war uns nichts wichtiger als ein Toilettengang. Das ist ja hier so ne Sache, denn in öffentlichen Gebäuden und Gaststätten findet man nur diese französischen Toiletten vor, also das klassische Loch im Boden. Nicht zwingend unser Primär-Wunsch. Wir versuchten unser Glück in einem modernen Verwaltungsgebäude der Bahn. Dort waren alle Türen verrammelt, aber eine Reinigungskraft öffnete und erhörte unser Flehen. Auch hier fanden leider nur das vor, was wir befürchtet hatten, aber es war alles sehr sauber und eine Wahl hatten wir eh nicht mehr. Es musste raus, was raus sollte und das dringend! Die freundliche Dame schlug unser angebotenes Trinkgeld aus und wir zogen um einiges erleichtert von dannen. Nachdem wir unseren dringendsten Wunsch erfüllt bekommen hatten, steuerten wir ein kleines gammeliges Cafe an, um einen Tee bzw Kaffee zu trinken. Für eine Kanne Tee, einen Instant-Kaffee und ein Gebäckteil waren grad mal 2.000 Sum fällig, das sind keine 60 Euro-Cent! Unfassbar. Dann war die Stunde des Abschieds gekommen. Bild Bild Macht's gut, meine treuen Begleiter, auf das was wir uns bald in einem anderen Land heil wiedersehen. Mein Ziel war das 'Hotel Rovshan', was ich per pedes ansteuerte. Zweiter Versuch und wieder ging es daneben. "Comepletely booked" war die Antwort auf meine Frage nach einem Einzelzimmer. Ich bat den Rezeptions-Mokel beim benachbarten 'Astra Hotel' anzurufen und hier war für vierzig Dollar ein Raum für mich frei. Kurz unterhielt ich mich mit einem deutschen Paar mittleren Alters, das gerade auscheckte. Sie wollten weiter ins Fergana-Tal - eine reizvolle Ecke. Leider hatten wir keine Zeit dafür. Auf dem Weg zum Astra erweckte aber ein anderes Hotel mein Interesse. Also sprach ich im 'Grand Hotel Ist' vor, das einen wirklich hervorragenden Eindruck machte. Auf dem Tresen stand das Preis-Register. Der 'Single room for foreign citizens' sollte 65 Dollar kosten. Für Einheimische aber nur 80tsd Sum (ca. 27 Dollar). Ich bat das junge Mädel, mit dem ich mich nicht verständigen konnte, einen des Englischen mächtigen Kollegen zu holen und sagte diesem, dass ich in Sum zahlen wolle und er errechnete 190tsd davon. Ich fragte, warum das so sei, denn alle Menschen seien schließlich gleich und westliche Touristen hätten auch keinen Geldbaum im Garten. Er lächelte nur verlegen und schaute zu Boden. Mir war klar, dass er das nicht erfunden hatte, sondern nur der Bote war und dass ich an den Usbeken-Preis niemals rankommen würde. Aber mehr als im 'Astra' wollte ich auch nicht zahlen. Also fiel der Preis nach ein wenig zureden über 140tsd auf 120tsd Sum, was etwa vierzig Dollar entspricht. Geht doch. Und immer noch unverschämte 50% Touri-Aufschlag. Der Raum war es aber wert, denn er hatte absolut West-Niveau, ein gutes eigenes Bad und endlich mal eine stabile Internet-Verbindung. Ich gönnte mir zunächst eine Dusche und rasierte mich dann auch mal wieder, denn ich sah schon fast selber aus wie so'n Mokel. Danach fühlte ich mich wieder wie ein Mensch.

Die nächste Aufgabe hieß Geld wechseln, damit ich die Rechnung auch bezahlen konnte, denn dafür hatte ich nicht mehr genug von dem Gerümpel. Also ab zum Basar, an dem ich auf dem Weg vom Bahnhof vorbei gekommen war. Die Eierfrau meines Vertrauens war hier die Äpfelfrau und 30 Dollar sowie 91.200 Sum wechselten die Seiten. Bamm! Wieder so ein Batzen Geld. damit man es noch besser in die Hosentasche bekommt, gab es dieses Mal ausschließlich 500 Sum-Noten. Lange nannte ich diese nicht mein Eigentum, denn um die entsprechende Differenz aufgestockt übergab ich das Zeug an das Rezeptionsmädel des Hotels. Vorher kaufte ich mir auf dem Basar noch eine Banane. Da hatte ich endlich mal einen Luxus-Artikel gefunden, denn die krummen gelben Dinger kosten hier knapp drei Euro das Kilo. Da ich ein wenig mit meiner Verdauung zu kämpfen hatte, blieb ich erst einmal im Zimmer, bis sich die Lage beruhigt zu haben schien. Bild Bild Bild Gegen halb drei brach ich auf, um vor dem Spiel noch ein bisschen was von der Stadt zu sehen. Ich wollte eigentlich quer durch das parkähnlich angelegte Regierungsviertel flanieren, aber dafür muss man die entsprechende Legitimation vorweisen könne, sprich: dort arbeiten. Jeder Eingang in die Anlage wurde von einem Milizionär bewacht und es gibt nicht wenige Zugänge zum Gelände. Theoretisch muss sowieso jeder zweite männliche Einwohner dieser Stadt bei der Miliz sein. Die Viecher sind überall. An den Kreuzungen, an jeder Metro-Station und auch darin. Und beim Fußball sind die natürlich sowieso in zig Rudeln vertreten. Welch ein Kontroll- und Sicherheitswahn. Bild Bild Die Viecher sind überall. An den Kreuzungen, an jeder Metro-Station und auch darin. Und beim Fußball sind die natürlich sowieso in zig Rudeln vertreten. Welch ein Kontroll- und Sicherheitswahn. Also mal direkt weiter zum 'Stadion Pakhtahor'. Die Hoffnung, ein offenes Tor zu finden, war gering, aber ich fand dann doch ein Schlupfloch. Was eine Wahnsinns-Hütte! Bild Über 50tsd passen hinein, überdacht ist so gut wie nichts, Laufbahn gibt es auch und doch ist das ein richtig geiles Brett. Sieht klasse aus mit den rundherum gelben und blauen Sitzschalen, den Clubfarben von Pakthakor. Nochmal in der Verwaltung gefragt, ob morgen wirklich nicht gekickt wird, war aber natürlich sinnlos. "No futbol" war die erwartungsgemäße Antwort. Nächste Haltestelle 'Chorsu Basar'. Hier war aber mal so richtig Basar. Ein Geschreie und Gewusel, ein Hin und Her - traumhaft. Ich steh total drauf. In der Gewürz-Abteilung erwarb ich ein bisschen scharfes Zeug für daheim. Der Standbesitzer war von meiner Kauf-Idee so begeistert, dass er mir der Reihe nach alle Gewürze lautstark und euphorisch anpries. Das hätte aber meinen schrumpfenden Sum-Bestand gesprengt.

Bild Vom größten Basar der Stadt ist es nicht mehr weit zum 'Jar Stadion'. Ich stattete zunächst der dem Basar benachbarten 'Kukuldash Madrasa' einen kurzen Besuch ab und latschte dann die wenigen hundert Meter zum Stadion rüber. Die eigentliche Spielstätte von Bunyodkor ist ja das bereits erwähnte vor zwei Jahren eröffnete und 34tsd Zuschauer fassende 'Bunyodkor Stadioni'. Da es sich bei den Zuschauerzahlen der usbekischen Liga nicht lohnt, das Teil aufzuschließen, spielt Bunyodkor weiterhin im 9tsd Menschen fassenden 'Jar Stadion'. Bunyodkor mag manchem durchaus ein Begriff sein, obwohl der Club noch keine zehn Jahre alt ist. In der dritten Liga begann man, zwei Jahre später war man bereits erstklassig. Ein weiteres Jahr später verpflichtete der Verein Altstar Rivaldo und als Trainer die Legende Zico. Auch mit Andrés Iniesta und Samual Eto'o wurden Gespräche geführt, ohne diese aber zu einem Engagement überzeugen zu können. Bild Zico und Rivaldo führten das Team zum ersten Meistertitel. Zico verschwand danach wieder, Rivaldo blieb aber und Mitte 2009 wurde Felipe Scolari Trainer von Bunyodkor, dessen Vertrag nach einem Jahr vorzeitig aufgelöst wurde, da dem Club langsam die Gelder ausgingen. Eine weitere Anekdote ist die Verpflichtung von Wandervogel Thomas Brdaric, der Bunyodkor als Sportdirektor professioneller aufstellen sollte und immerhin achtzehn Monate blieb. Nachdem ich mir ein Ticket für 5tsd Sum gekauft und das Stadiongelände betreten hatte, kam ich auf die glorreiche Idee, mich an der Miliz vorbeischleichen zu wollen um den Team-Bus abzulichten. Super Idee. Natürlich kam direkt so ne Tellermütze angelaufen und es folgte die Prozedur vom Olmaliq-Kick. Ausweis zeigen, Visum prüfen, warum den Bus knipsen, kein Journalist, stimmt das auch...? Mitten in die Show platzte ein gute gekleideter junger(!) Mann meine Alters, der sich einmischte, die Sache mit Foto-Erlaubnis beendete und direkt mal das Mannschaftsgefährt in höchsten Tönen lobte ("Same as Barcelona! 500tsd US Dollar!!") und auch gleich noch das Spiel als fettes Ding anpries ("Hot game!"). Bild Es stellte sich heraus, dass es sich um den Marketing-Fuzzi des Clubs handelte. Alles klar, Alter. Danke Dir, dann geh ich mal rein, damit ich vom 'hot game' nix verpasse. Ich suchte mir ein Plätzchen im unspektakulären reinen Football-Ground. Bild Zwei baugleiche überdachte Sitztribünen auf den Längsseiten, hinter den Toren nix, außer der Anzeigetafel. Dafür erhebt sich dahinter ein stilechtes Plattenbau-Viertel allerfeinster Kategorie. Beide Teams durften sich über die Unterstützung von je etwa fünfzig aktiven Fans freuen. Auf Seiten der Gäste ware drei gut anzusehende hellblau-weiße Schwenker zu bestaunen. Bunyodkor hatte vier weniger schöne davon und eine große Blockfahne in Trikot-Form. Außerdem hatte die Heimseite vier große Trommeln, zwei Snare Drums und eine Trompete im Einsatz. Was daheim in der gelobten Bundesrepublik extrem nervig gewesen wäre, bedeutete hier aber irgendwie einen coolen Sound. Bild Die in schwarz-weiß spielenden Gäste erzielten gegen die dunkelblauen Gastgeber nach einer schönen Aktion bereits nach zwei Zeigerumdrehungen den Führungstreffer. Beinahe das halbe Stadion sprang auf. Nanu, was war denn hier los? Hatte ich bei den Vereinsfarben und Teams doch was nicht geschnallt? Qarshi ist 450 Kilometer entfernt, nahe der turkmenischen Grenze, da kommen doch nicht so viele Leute mit. Die Lösung war, dass in Tashkent arbeitsbedingt viele Zuwanderer aus Qarshi leben, die sich die Chance, ihre Mannschaft zu sehen nicht entgehen lassen wollten. Spielerisch war das Dargebotene gar nicht so verkehrt. Das Tempo fehlte, aber es war deulich besser als der Kick in Olmaliq. Bunyodkor glich nach zwanzig Minuten aus. Der Mann an der Linie hatte aber sein Winkefähnchen wegen angeblichem Abseits gehoben. Schlauerweise wurde die Szene umgehend auf der Video-Tafel gezeigte und entlarvte eine deutliche Fehlentscheidung. Die folgenden Proteste brachten natürlich nichts und auch dass sich der Linesman entschuldigte, verhalf dem Treffer nicht zur Gültigkeit. In der zweiten Halbzeit gab sich Bunydkor alle Mühe aber Qarshi spielte ein cleveres Ding und blieb ungefährdet. Ein paar Minuten vor dem Ende zwirbelten die Gäste einen Freistoß zur Entscheidung in den Giebel. Auch der Elfmeter zum Anschlusstreffer änderte nichts mehr an der Punkte-Vergabe. Auf dem Rückweg zum Hotel erwarb ich zwei Flaschen Pivo der Marke 'Sarbast'. Der Magen war den Tag über ruhig geblieben. Bei russischem Musik-Sender und Internet genoss ich die Brühe, ließ aber die zweite Röhre halb stehen. Bedeutet ja schon nix Gutes, wenn einem das Bier nicht richtig schmeckt...

Fr. 26.09. - Reise nach Taraz

So war es dann auch. Um kurz nach 2:00 Uhr weckten mich die SMS meiner Mutter (Zeitverschiebung von drei Stunden sei Dank) und intensive Tätigkeiten im Darm-Trakt. Der WC-Besuch brachte leider den Beweis - so wirklich hatte ich die Sache nicht überstanden. Schlief aber wieder gut und tief ein, wiederholte die Prozedur aber nach dem Aufstehen um viertel vor sieben noch einmal. So nen Mist braucht man ja generell nicht, aber erst recht nicht auf Reisen. Bis auf einen einzigen Abend in Südamerika kann habe ich unterwegs überhaupt noch nie Probleme damit gehabt. Eigentlich ist mein Innenleben dahingehend ganz gut konditioniert. Zumindest blieb mir Übelkeit erspart und grundsätzlich fühlte ich mich auch ganz gut. Um halb acht verließ ich das Hotel und fuhr mit der grünen Metro - drei Linien gibt es - bis zur Endstation 'Halil Abdullayev'. Nach einem Kilometer Fußmarsch erreichte ich den 'Yunusobud Basar', Abfahrtspunkt für die Mini-Busse zum Grenzort Chernayevka. Für einen meiner letzten drei 1.000 Sum-Scheine wurde ich für fünfzehn Kilometer Fahrgast in einem Suzuki-Minibus aus den 90ern. Im Lonely Planet liest man wahre Horror-Zeiten, was die Grenz-Prozedur angeht. Bis zu sechs Stunden könnten Ein- und Ausreise dauern aber daran wollte ich nicht glauben und rechnete auch aufgrund anders lautender Berichte von bekannten Fußball-Touristen mit maximal zwei Stunden. Doch erstens kommt es anders, und zweitens... stand ich nach vierzig Minuten auf kasachischem Boden. Tschüss Usbekistan! Du bist eigentlich ein cooles Land, aber es läuft noch zu viel verkehrt. Zwar war an dieser Grenze viel mehr los als an der usbekisch-tadschikischen bei Oybek, dafür war aber die Abwicklung deutlich professioneller und zügiger. Der kasachische Beamte hatte totalen Spaß an meinem Pass und feierte jedes Visum sozialistischer bzw offiziell ehemals sozialistischer Staaten wie einen Lotto-Gewinn. "Aserbaidschan! Belarussia! Vietnam! And now... Kazakhstan!!!" Mit einem krachenden Stempel war die Einreise besiegelt. "Spasiba" und ab dafür. Keine drei Schritte hinter dem Grenztor hatte man sie wieder am Leib, diese Taxi-Maden. Kurz genoss ich die vielfachen "Taxi? Taxi? Shymkent? Fünfzig Dollar!"-Rufe und beendete die heitere Raterei mit einem souveränen "No! Marshrutka!!" Enttäuschte Blicke waren die Folge, während mir der weiter hinten stehende Marshrutka-Mokel schon den roten Teppich ausrollte. Ich versteh die Jungs ja weitestgehend. Die versuchen sich mühsam Ihre Sum, oder hier eben Tenge zu verdienen. Und dass sie sich gegen die zahlreich vorhandene Konkurrenz durchsetzen wollen, um einen der - an Angebot und Nachfrage gemessen - wohl wenigen finanziell potenten Fahrgäste zu sichern, ist auch logisch. Aber dass ständiges Anschreien und Anfassen die Erfolgsaussichten eher schmälern, muss doch auch dieser Spezies klar sein.

Mit einem alten Mercedes 208D hatte ich das High-End-Modell unter den Marshrutki erwischt. Das altersschwache Gefährt verlor an jeder Steigung Geschwindigkeit fast bis zum Stillstand. Bild Statt der von Nobbi per SMS prognostizierten eineinhalb Stunden, benötigten wir für die knapp hundert Kilometer mehr als zwei. Dazu kommen die Busse von der Grenze im Süden der Stadt an, der vereinbarte Treffpunkt mit Nobbi und Tobias zur Weiterfahrt nach Taraz war aber der 'Samal Avtovokzal' im Norden. Ich war schon ziemlich genervt und der Fahrer brachte mich glücklicherweise für zwei weitere Dollar zu den bereits entrichteten fünf quer durch die Stadt. Wir fielen uns weinend vor Glück in die Arme. Lange hatten wir uns nicht gesehen und es gab erst einmal viel zu erzählen. Drei Minuten später stiegen wir in die wartende Marshrutka nach Taraz. Für 800 Tenge (etwas mehr als drei Euro) durften wir die 180 Kilometer mitreisen. Das Gefährt war ein flatschneuer Mercedes Sprinter. An den Sitzen waren noch Reste der Kunststoff-Schutzhülle zu sehen. Wie zum Teufel leisten die sich hier so ein Fahrzeug? Das erste Drittel der Strecke war geprägt von Baustellen. Die Schnellstraße wird dort komplett saniert. Manche Teilstücke sind schon fertiggestellt, manche sehen aus, als ob sie in zwanzig Jahren nicht fertig werden. Alle drei Kilometer wechselten wir von perfekter Fahrbahn auf unbefestigte Nebenstrecken. Bild Dazu waren viele Überholmanöver nötig, um an den schweren wie langsamen Lkw vorbeizukommen, die der junge Fahrer aber sicher meisterte. Wir durchquerten wohl typische kasachische karge Steppenlandschaft. Die Sonne knallte auch wieder vom Himmel, was die Fahrt im unklimatisierten Fahrzeug nicht angenehmer gestaltete. Wir passierten die nördlichen Ausläufer des bis über 4tsd Meter hohen Tien Shan-Gebirges und erreichten exakt nach den prognostizierten drei Stunden Fahrzeit um 17:00 Uhr Taraz. Mit dem Taxi ging es ganz in den Süden der Stadt zum Bahnhof. Knapp 200 Meter davon entfernt befand sich das auserkorene 'Hotel Lirona', das der Lonely Planet mit 'ganz okay' beschrieb. War es auch. Nur die weibliche Rezeptionsbesatzung hatte nen Vollschuss und war nicht in der Lage uns vernünftig zu erklären, wie der Gesamtpreis für unser Zimmer inklusive Frühstück sein sollte. Wir zahlten letztlich 8.000 Tenge, also dreißig Euro, womit wohl alles abgegolten sein sollte. Nach kurzer Geldbeschaffung, zog es Tobias aufgrund anhaltender Magenprobleme zurück ins Hotel. Bei mir hatte sich die Lage auch nicht signifikant verbessert. Ich verspürte zwar eigentlich nie den Drang das WC aufsuchen zu müssen, aber wenn, dann war das Ergebnis weit vom Optimal-Zustand entfernt. Da sich die feste Ernährung seit Donnerstag-Morgen aber auf drei Kekse, eine Banane und einen Biss ins Milchbrötchen beschränkte, entschied ich mich, Nobbi zum Spachteln zu begleiten. In einem Biergarten sollten ein paar Fritten und ein wenig Hühnchen mal den Magen füllen. Nach wenigen Bissen merkte ich aber, dass es keine gute Idee war und ließ das eigentlich leckere Zeug stehen. Highlight war dann eine etwa 30-jährige Kasachin, die sich während des Essens plötzlich neben mich drängelte und irgendwie versuchte Konversation zu betreiben. Die Tante hatte nen Wimpel, den selbst Tobias im fünfhundert Meter entfernten Hotel hätte riechen müssen. Meine Fresse, war die blau. Zum Glück erreichte sie nach wenigen Minuten ein Ordnungsruf ihrer ebenfalls anwesenden (vermutlichen) Mutter und sie verschwand wieder. Zurück im Hotel erhielt ich die Bestätigung, dass die Huhn-Idee keine gute war. Okay, dann konnte die Konsequenz nur sein, bis zur Heimreise so gut wie nichts mehr zu essen.

Sa. 27.09. 16:00 - FK Lashyn Qaratau vs FK Kyran Shymkent 1:3 (1.Division), 115 Zuschauer (2 Gäste)

Die Nacht verlief völlig ruhig, so wir die Hoffnung hatten, dass Besserung eintreten würde. Dafür waren diese Drecksbetten so hart - dünne Matratzen auf Spanplatte - dass man jeden Knochen spürte. Beim Frühstück stellte sich dann raus, dass mit der Bezahlung doch nicht alles klar war, sondern nur eine Person freies Frühstück haben sollte. Diskussion mangels sprachlicher Basis unmöglich, dazu wies die von uns blind unterschriebene Quittung nur 7.000 und nicht die bezahlten 8.000 Tenge aus. Tobias und ich wollten eh nur schwarzen Tee, den uns die Frühstücks-Oma dann 'for free' zusammen mit ein paar salzigen Crackern überließ. Spasiba. Gegen halb zwölf starteten wir die Mission zweite Liga. Da der Pakthakor-Kick ja abgesagt worden war, hatten wir uns nach einer Alternative umgesehen, die auch zu den Visum-Problemen der beiden anderen passte. Die Lösung hieß eben Zweitliga-Fußball in Kasachstan. Obwohl in Taraz angesiedelt, sollte der FK Lashyn laut allen halbwegs glaubhaften auffindbaren Quellen im hundert Kilometer entfernten Karatau spielen. Mal sehen, ob Spielort und dann auch die Anstoßzeit stimmen sollten. Wir hatten Zweifel. Bild Ein Taxi brachte uns quer durch die Stadt in die nördliche Peripherie, wo sich der Avtovokzal, der Busbahnhof, befindet. Marshrutki nach Qaratau fuhren alle 20 bis 30 Minuten ab, so dass wir nicht lange warten mussten. 500 Tenge kostete der Spaß nur und nun ging es quer durch die Pampa. Bald passierten wir eine üble petrochemische Fabrik, über der sich der Himmel feurig-schwarz färbte, wie über Mordor in 'Herr der Ringe'. Danach war nur noch Steppe und kaum Zivilisation angesagt. Irgendwann kam ein Wahnsinns-Wind auf, der über dem kargen Land ohne jeden Baumbestand leichtes Spiel hatte und den Mercedes-Bus schwer schwanken ließ. Bild Dazu wurde der Himmel immer dunkler und wir waren uns schon einig, dass der Ausflug großer Schwachsinn war. Aber das wussten wir ja vorher nicht. Nachdem wir einen kleinen Höhenzug überwunden hatten ging es hinab ins 30tsd Einwohner große Qaratau, wo wir nach 90 Minuten Fahrzeit eintrafen. Und nun Bühne frei für die hässlichste Stadt, die ich wohl jemals besucht habe. Nach dem Ortseingang begrüßten uns leer stehende unvollendete Plattenbau-Rohbauten. Dem Aussehen nach zu urteilen, mussten die dort schon zwei Jahrzehnte so rumstehen. Es folgten abgeranzte bewohnte Plattenbauten, die man eigentlich keinem mehr zumuten konnte. Der Busbahnhof, wenn man ihn denn überhaupt so nennen kann, passte absolut ins Bild. Karatau entpuppte sich als der absolut trostloseste und deprimierendste Ort, an dem ich je war. Wenn ich Wetter wäre, wurde ich mich hier auch grau und stürmisch zeigen. Der Gang richtig Ortsmitte brachte zwar optische Verbesserung in Form dieser typisch russischen Einfamilien-Flachbauten, konnte aber den Gesamteindruck nicht retten.

Erste Aufgabe war zum Stadion zu latschen, um zu checken, ob überhaupt heute gespielt wird, denn das Wetter hielt sich beständig stürmisch. Doch alle Sorgen waren unbegründet. Netze hingen, Linien waren gezogen und erste Zuschauer und Menschen in Trainingsanzügen rannten auch schon rum. Daumen hoch. Also mal ein Cafe gesucht, was nicht einfach war, aber dank engagiertem Einsatz einer freundlichen Dame doch gelang. Dort aßen wir etwas. Das heißt, Nobbi aß etwas und wir schauten ihm dabei sehnsüchtig zu, da es Tobias eher schlechter als besser ging und ich mir trotz verbessertem Zustand auch noch nicht recht traute. Zwanzig Minuten vor Kick-off waren wir drei von letztlich insgesamt 115 Bild Bild nicht zahlenden Besuchern dieses Zweitliga-Spiels. Das Spielniveau war überschaubar, gemessen an den Bodenverhältnissen aber noch hinnehmbar. Die Gäste aus Shymkent dominierten die Partie als Tabellenzweiter bis auf wenige Phasen und erhielten dafür auch verdient drei Punkte. Highlights waren ein Tor aus 45 Metern und einer von zwei Gäste-Fans, der die Treffer einsam (der andere war zurückhaltender) abfeierte, als wäre der Champions League-Titel greifbar nahe.Bild Dazu blies er völlig unkoordiniert in seine mitgebrachte Trompete. Ein Traum! Das kleine alte Stadion verfügt über Ausbau auf den Geraden, wobei sich eine Seite als Haupttribüne profiliert, da sie im mittleren Teil Sitzschalen und ein kleines Dach bietet und irgendwann durch eine inzwischen nicht mehr sehr vertrauenserweckende Stahl-Holz-Konstruktion aufgestockt worden sein muss. Nun mussten wir uns beeilen, zum Busbahnhof zu kommen, da wir in Erfahrung gebracht hatten, dass spätestens um 19:00 Uhr der Marshrutka-Verkehr eingestellt wird. Als wir dort ankamen, waren wir genau die fehlenden drei Fahrgäste für ein abfahrbereites Fahrzeug, aber als wir Platz genommen hatten, schmiss der Fahrer plötzlich alle wieder raus und zog missgelaunt und kommentarlos mit seinem Schrotthaufen von dannen. Keine Ahnung was war und kurz darauf traf ein altersschwacher 208D ein, der von den Kasachen sofort bestürmt wurde. Wirkte auf uns, als ob der Fahrer so ein wenig zwangsverpflichtet wurde, noch eine Tour zu fahren, aber Hauptsache er tat es.

Zwei Stunden später waren wir zurück in Taraz und zu unserer Freude fuhr der Mann nicht den Busbahnhof sondern den Zugbahnhof an. Perfekt, da ja nur 200 Meter von dort entfernt unsere phantastische Unterkunft lag, wo wir unser Gepäck für den Tag noch eingelagert hatten. Ein Stündchen nutzten wir noch das Hotel-Wifi und dann latschten wir wieder zum Bahnhof rüber, wo um 21.49 Uhr unser Nachtzug gen Almaty ablegen sollte. Mit wenigen Minuten Verspätung fuhr der Zug ein. Wenn man bedankt, dass das Ding aus Moskau kam und beinahe fünf(!) Tage bis Almaty benötigt, ist das schon eine grandiose Leistung, auch wenn das Geheimnis darin liegt, dass entsprechend lange Aufenthalte in den Bahnhöfen vorgesehen sind, so dass mit ziemlicher Garantie immer wieder pünktlich abgefahren werden kann, auch wenn mal ein paar Minuten Verzögerung eingetreten sind. Bild Nobbi und Tobias hatten es an ihrem freien Tag in Shymkent unter vollem Einsatz ohne Russisch-Kenntnisse geschafft, uns drei Tickets für den Zug zu ergattern. Wie ich aus der Erzählung der beiden entnehmen konnte, war das alles andere als einfach und es musste wohl mehrfach mit Nachdruck auf die Fortsetzung der eigentlich einfachen Prozedur bestanden werden. Die Ticket-Trulla hatte sich wohl einfach ziemlich blöde und beratungsresistent angestellt und weigerte sich, Hilfe ihrer Kolleginnen anzunehmen. Da die Züge ja oft schon Tage vorher ausgebucht sind, mussten wir dieses Mal mit Liegen in der ‚Platskartni‘-Klasse vorlieb nehmen. Dabei handelt es sich um Liegewagen mit offenen Abteilen. Es befinden sich jeweils vier Liegen im Separee rechtwinklig zur Zugrichtung, zwei oben zwei unten, und nochmal zwei in Fahrtrichtung auf der anderen Seite des Durchgangs. Das ist mal authentisches Reisen. Ich hatte meine Liege ein paar Abteile von den anderen getrennt und machte Bekanntschaft mit zwei älteren Russinnen und einem Kasachen. Da man ja dann in dieser Wagenklasse auf dieser Strecke doch eher ein Exot ist, war man sehr an mir und meiner Herkunft interessiert. Eine Unterhaltung war aber leider mangels Sprachkenntnissen nicht möglich. Schade – meine Nachbarn für die nächsten zehn Stunden waren eigentlich sehr sympathisch. Der Schaffner dimmte bald nach Abfahrt das Licht herunter und ich stopfte mir auf meiner oberen Liege die Musik-Knöppe in die Ohren und genoss das Freiheitsgefühl, dass mich in solchen Momenten immer befällt. Es ist schon ein ungeheures Glück, dass man in der Lage ist, sich den Luxus des Reisens leisten zu können.

So. 28.09. 18:00 – Karait Almaty vs FK Aktobe 2:0 (Premjer Liga), 10.000 Zuschauer (1.500 Gäste)

Um 7:30 Uhr fuhren wir auf die Minute genau am Bahnhof ‚Almaty 2‘ ein. Hut ab, für diese Leistung, nach 4200 Kilometern exakt null Verspätung zu haben. Unser ‚Hotel Tahar‘ war nur ein paar hundert Meter Fußweg vom Vokzal entfernt und mit Hilfe Einheimischer wurde es auch schnell gefunden. Zum Tour-Abschluss hatten wir uns noch mal richtig was gegönnt! Dunkle Gänge mit Linoleum-Boden, einfachste Zimmer mit Bad auf dem Gang in feinster Platte. Herrlich. Aber da wir aufgrund der frühen Abflugzeit nur Aussicht auf drei, vier Stunden Schlaf hatten, eben vollkommend ausreichend. Bild Knapp dreißig Euro waren fällig dafür, was ungefähr neunundzwanzig zu viel waren. Immerhin konnten wir den Raum sofort haben und legten uns noch ein, zwei Stündchen aufs Ohr, bevor wir eine kleine Sightseeing-Runde starteten. Das Wetter war leider nicht so toll. Bild Die Wolken hingen sehr tief und versperrten den Blick auf das Bergpanorama der nördlichsten Ausläufer des Tien Shan. Schade – muss ein großartiger Anblick sein. Erster Anlaufpunkt war der ‚Park der 28 Panfilovzy‘. Dort befindet sich die orthodoxe Christi-Himmelfahrt-Kathedrale ein sehr prunkvolles Gotteshaus, wie es im russisch-orthodoxen Glauben üblich ist. Zweihundert Meter dahinter wurde das Kriegsdenkmal zu Ehren der Soldaten des General Panfilov errichtet, der mit seiner Einheit im zweiten Weltkrieg gegen die Wehrmacht gekämpft hat. Das Denkmal wirkt ziemlich bedrohlich, was dadurch untermalt wird, dass es aus schwarzem Granit gefertigt wurde. Nobbi vermeldete nun, dass ihm sein Hungergefühl eindeutige Signale ans Hirn sendete. Wir suchten ein Cafe auf und Nobbi und ich bestellten Pizza und Bier. Ja genau! Da sich mein Innenleben seit über 24 Stunden nicht mehr negativ gemeldet hatte, ging ich volles Risiko. Die gewählte ‚Pizza Sucuk‘ war höchstens durchschnittlich, aber nach mehr als drei Tagen ohne normale Ernährung gerät selbst so ne Teigscheibe zu einem Feuerwerk für die Sinne. Bild Tobias verzichtete lieber, da sich seine Situation einfach nicht bessern wollte. Mit der einzigen Metro-Linie fuhren wir ins Regierungsviertel. Dort angekommen rebellierte mein Darm-Trakt gegen die zugeführte Mafia-Torte. Zumindest schien es so und ich suchte in einem nahen Kino Erleichterung. War aber ein ziemlicher Fehlalarm, denn es kam in der dortigen Keramik-Abteilung zu keinerlei Zwischenfällen. Bild Also inspizierten wir den ‚Palast der Republik‘, der heute, da Almaty den Status der Hauptstadt an Astana verloren hat, für kulturelle Veranstaltungen genutzt wird. Weiter ging es zum ‚Platz der Republik‘, wo sich das Unabhängigkeits-Denkmal und der ‚Maslikhat‘, der Stadtrat, befinden. Natürlich sahen wir uns alles natürlich nur von außen an. Im Straßenbild fiel auf, dass in Kasachstans Metropole offensichtlich eine satte gut betuchte Oberschicht besteht. Man sieht reichlich fette Karren und gut gekleidete zwielichtig wirkende Typen mit den entsprechenden vor sich hin stöckelnden und kurz berockten Puppen. Wirkt schon alles sehr russisch, denn auch dieses ist ja irgendwie ein Markenzeichen des neueren Russlands. Langsam wurde es dann auch Zeit, sich zum ‚Ortaliq Stadion’ zu bewegen. Wir kehrten noch in eine Kantine ein, wo sich Tobias todesmutig einen Teller Nudeln gönnte. Ich beließ es mal lieber bei einer Tasse schwarzem Tee. Nobbi war eh alles egal. Er ignorierte die latenten Problemchen, die er noch hatte und zog sich ein Stück Kuchen rein. Weiter ging es zum Stadion, wo wir eine knappe Stunde vor Kick off eintrafen.

Bild Für den Einheitspreis von 500 Tenge, etwas mehr als zwei Euro, erwarben wir Tickets für die überdachte Haupttribüne. Nobbi traf noch zwei ihm bekannte und mir unbekannte Gesichter, von denen er vorher wusste, dass sie ebenfalls in der Region unterwegs waren. Bild Das große Oval ist schon ein sehr ansprechendes Teil. Zunächst erblickt man ein wuchtiges Hauptportal, ein typisches Merkmal vieler großer Stadion in aktuellen und ehemaligen sozialistischen Ländern. Der Ground selbst ist erst vor wenigen Jahren komplett renoviert worden. Die Haupttribüne verfügt über ein neues Dach, die Kurven und die Gegenseite sind ungedeckt. Die bunten Sitzschalen sind in den Landesfarben gehalten und bilden auf der Gegenseite den Schriftzug ‚Kazakhstan’. Dort befinden sich auch die vier Flutlichtmasten einträchtig nebeneinander, während die Lichtanlage der Hauptseite in das Dach integriert ist. Das Stadion füllte sich sehr ordentlich und damit deutlich mehr als ich es erwartet hätte. Das Treffen zwischen dem Tabellenführer aus der Ex-Hauptstadt und dem Dritten aus Aktobe zog offensichtlich. Überraschenderweise versammelten sich im Away-Sektor gut und gerne 1.500 Leute. Ich möchte aber behaupten, dass von diesen nicht einer tatsächlich aus Aktobe stammte, den die Entfernung nach Almaty beträgt schlappe 2.300 Kilometer. Bild Die Gäste zeigten eine zwar einfache aber doch recht gelungene Zettel-Choreo. In einer Region, in der man mit so etwas mal überhaupt nicht rechnet, empfindet man ja schon allein für den Versuch tiefe Dankbarkeit. Der Heim-Support war eher nervig. Auf der Haupttribüne gab es ein paar Trommler und die Masse skandierte immer wieder eintönig und nervtötend den Vereinsnamen. Bild Auch im Gästebereich war es nur minimal abwechslungsreicher. Hier findet sich also noch gewaltiges Verbesserungspotential. Es gab in einem Kurvensektor noch eine weitere Heim-Gruppe, die schon eher nach europäisch orientiertem Support aussah und auch ein, zwei Doppelhalter offenbarte. Nur war aufgrund der Entfernung zu unserem Platz nichts von ihnen zu vernehmen. Das Spielniveau war überraschend hoch. Zwar hatte ich registriert, dass die kasachischen Vertreter in der CL- und EL-Quali sehr ordentlich mitgespielt und die Gruppenphasen nur knapp verpasst hatten, aber so einen interessanten, beinahe fehlerfreien Kick hatte ich hier nicht erwartet. Die Bayern mal ausgenommen, hätte hier wohl jeder Bundesligist ziemliche Mühe gehabt, um die beiden Teams zu bezwingen. Aktobe begann stark und als es langsam nur noch eine Frage der Zeit schien, bis der erste Gäste-Treffer fallen würde, nutze Kairat eine kurze Unachtsamkeit und machte das Ding, wobei dem Torhüter auch die Sicht auf den Schuss von der Strafraumgrenze verdeckt war. Danach war das Spiel ausgeglichen und als die Gastgeber in der zweiten Halbzeit den zweiten Treffer erzielten, hatte Aktobe nicht mehr die Möglichkeiten, dem Spiel noch eine Wende aufzudrücken. Die Punkte blieben also in Almaty und Kairat marschiert damit weiter auf den Meistertitel und damit die Titelverteidigung zu. Unser Ziel war es nun, so schnell als möglich in die Federn zu kommen, denn es blieben aufgrund der frühen Abflugzeit ja nur wenige Stunden Schlaf. Eine gute Stunde nach dem Abpfiff lagen wir in der Waagerechten.

Mo. 28.09. 19:30 – SV Rödinghausen vs Rot-Weiss Essen 0:1 (Regionalliga West), 2.243 Zuschauer (800 Gäste)

Gegen 2:00 Uhr mussten wir bereits aus den Federn. Eine kurze Dusche, die Klamotten in den Koffer gestopft und mit dem Taxi fuhren wir für 1.500 Tenge zum Airport. Mit einer Stunde Verspätung startete ‚Ukraine International‘ gen Kiew. Wir hatten das Glück, noch Plätze am Notausgang zu bekommen. Dämlicherweise haben wir uns dafür selbst so gefeiert, dass wir versäumten uns direkt nach Erlöschen der Anschnallzeichen freie Reihen im hinteren Teil des Flugzeugs zu sichern. Der Vogel war nämlich nicht voll und es blieben einige Reihen unbesetzt. Da hätte man gut den fehlenden Schlaf nachholen können. Im Sitzen fällt mir das Schlafen persönlich ja immer sehr schwer. Ich war so mutig, mir das Bord-Frühstück zu gönnen, was dann auch keine umgehenden Folgen hatte. Zum Frühstück gab es nur ein heißes Getränk. Softdrinks hätte man bezahlen müssen. Das einzige Getränk, auf das man während des gesamten Fluges kostenfrei zurückgreifen konnte, war stilles Wasser. Aber auch so gingen die sechseinhalb Stunden Flug bis Kiew irgendwie rum. Dort durften wir nun über vier Stunden Transit-Zeit tot kloppen. Mit zwanzig Minuten Verspätung ging es weiter nach Berlin-Tegel, was mir schon wieder Sorgen, wegen meinem Mitfahrer-Platz machte, da eh schon alles sehr knapp würde. Auf diesem Flug gab es außer dem Labberwasser gar kein kostenloses Getränk. Also Leute ehrlich, ich hab ja euer Konzept begriffen, dass ihr günstige Flüge auf Mittel- und Langstrecke anbieten wollt und daher keinen umfassenden Bordservice anbietet. Aber das muss dann doch auch vorher entsprechend kommuniziert werden, damit die Passagiere, die das erste Mal mit Euch unterwegs sind, nicht aus allen Wolken fallen. Kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass man mit diesem Konzept auf Dauer Erfolg hat. Kann mir aber auch scheißegal sein, da ich wohl kaum noch einmal in die Verlegenheit kommen werde, diese Airline zu nutzen. Und wenn die mir doch mal auf irgendeiner Strecke in die Quere kommen, werde ich liebend gerne verzichten und lieber ein paar Taler mehr investieren. Der Flug-Captain schaffte es mit einer Glanzleistung nicht eine einzige Sekunde aufzuholen und das Gepäck lies auch lange auf sich warten. Mein Gedärm rächte sich zudem für Pizza und Frühstück und machte wieder einen Schritt in die falsche Richtung. Außerdem machte sich eine fette Bronchitis richtig breit, die sich seit Samstag langsam eingeschlichen hatte. Als die Koffer endlich da waren, verabschiedete ich mich von Tobias und Nobbi. Besten Dank für Eure wieder einmal sehr angenehme Begleitung und dass man sich gegenseitig absolut aufeinander verlassen kann!

Ein Taxi brachte mich zum Bahnhof Zoo. Nachdem klar war, dass der glorreiche RWE am heutigen Abend in Rödinghausen antreten musste, stand fest, dass ich meinen gebuchten Flug mit dem Kranich nach Düsseldorf nicht wahrnehmen würde. Denn besagte Partie passte wunderbar zum Heimweg in den Pott. Über Mitfahrgelegenheit hatte ich mich für 15:15 Uhr ab Bahnhof Zoo bis Bielefeld eingebucht. Laura sollte meine Fahrerin sein und ich hatte auf einen weißen VW zu achten. Später durfte es auf keinen Fall losgehen, da ich sonst den vereinbarten Treffpunkt mit Krösus, Marcel und Marco verpassen würde, die mich an der A2-Ausfahrt Herford einsammeln wollten. Krösus und Marcel fuhren selber direkt nach der Rückkehr von einer Moldawien-Tour vom Dortmunder Airport aus zum Spiel. Es wurde viertel nach drei, zwanzig nach, fünf vor halb und ich wollte gerade meine Sachen nehmen und zurück zum Airport fahren, da stand Laura vor mir. Laura war circa 1,70 Meter groß, trug Brille und Cap… und war männlich. Der weiße VW war ein ‚Multivan’ und ich war Fahrgast Nummer acht. Ist ja bekannt, dass gängige über Mitfahrgelegenheit angebotene Strecken gewerblich an der Steuer vorbei bedient werden. Naja, war letztlich auch egal. Musik ins Ohr und ab dafür. Jetzt blieb nur zu hoffen, dass es keine Staus geben würde, denn dann war der Plan nicht mehr umzusetzen. Herr Laura fuhr dann aber wirklich ordentlich und von entspannter Verkehrslage begünstigt, kamen wir dem Treffpunkt näher, so dass ich langsam an den Spielbesuch glauben konnte. Meine drei roten Genossen kamen mir dann noch ein Stück entgegen, so dass ich bereits Höhe Porta Westfalica aus der Fahrgemeinschaft raus kam und wir nun eine gute Stunde Zeit hatten, um die letzten 40 Kilometer zu bewältigen. Der Zubringer auf die A30 war aber leider elendig verstopft und die Jungs hatten auch die genaue Adresse des ‚Wiehenstadion‘ nicht, so dass wir in dem Kaff auch noch suchen mussten und dann doch erst einige Minuten nach Anpfiff im Stadion waren. Bild Etwa 800 Rot-Weisse hatten den Weg ins östliche Westfalen gefunden. Ganz ausverkauft war die Hütte trotzdem nicht. Der Gästebereich auf der Längsseite gegenüber der Haupttribüne ist eine ziemliche Zumutung. Von der oberen der drei Stufen kann man soeben über den Zaun linsen, der aus dicken Stangen besteht und nur wenig Durchblick bietet. Die Roten begannen überlegen und standen auch in der Deckung endlich mal sicher. Dazu zeigte Schnapper Heimann ausnahmsweise mal ordentliche Ansätze in Sachen Strafraumbeherrschung. Wollen wir mal hoffen, dass die Defensivleistung nicht nur eine Eintagsfliege war, sondern ein Aufwärtstrend. So stand am Ende hinten auch endlich mal die Null. Und da vorne unter etwas skurrilen Umständen die Kirsche einmal ins Netz befördert wurde, fuhren alle heute zu ergatternden Punkte mit ins Ruhrgebiet. Mitte der ersten Hälfte wurde die Partie für zehn Minuten unterbrochen, da im Ultra-Sektor ordentlich gezündelt wurde. Der Referee drohte für den Wiederholungsfall direkt mal den Abbruch der Partie an. Dabei hatte er die Situation nur falsch aufgefasst. Schließlich war es ja dunkel und die Ultras wollten durch nur die überschaubare Lichtanlage des ‚Wiehenstadion’ unterstützen, indem sie selbst ein wenig Licht anmachten. Als es gegen Ende der Partie noch einmal lichterloh brannte, hatte der Schiri die Situation entweder endlich begriffen oder seine Drohung vergessen. Jedenfalls lief der Kick einfach weiter und ging ohne weitere Sanktionen zu Ende. Harre man der Geldstrafe, die da folgen wird. Zur Belohnung, dass man die Tortur auf einem Montag-Abend auf sich nahm, hatte es während der zweiten Hälfte angefangen zu regnen. Der zynische Wunsch von Marco, dass es dann doch bitte auch schütten möge, wie seinerzeit im unüberdachten Block beim Away-Kick in Koblenz wurde prompt erhört und es regnete Hunde, Katzen und Fischgräten. Gut, dass ich reisebedingt noch Sachen zum Wechseln im Auto hatte.

Die Rückfahrt verlief unspektakulär. Mir fielen nach fast vierundzwanzig Stunden ohne Schlaf endlich mal die Augen zu. Mit kleinem Abstecher über Dortmund-Holzwickede, um Marco an seinem Auto abzusetzen, gelangten wir in die Heimat, wo ich gegen Mitternacht die heimische Wohnungstür aufschloss und mich umgehend zu meiner Herzdame ins Bett kuschelte. Elf ereignisreiche Tage waren zu Ende gegangen. Die bereiste Region erfüllte meine Erwartungen komplett. Dieser Mix aus Orient und verblasstem Sozialismus ist eine sehr reizvolle Mischung und die Tatsache, dass man sich – Bukhara und Samarqand ausgenommen – von den Touristenwegen ziemlich fern halten konnte, ermöglichte interessante Einblicke in die Lebensweisen und Eigenarten der Menschen. Die gesundheitlichen Nebenwirkungen mussten leider akzeptiert werden. Meine Verdauungsprobleme verzogen sich über eine Woche nach Rückkehr auch endgültig und die Bronchitis verließ mich wenige Tage danach. Auf eine Antibiotika-Behandlung hatte ich verzichtet, da das entsprechende Medikament wiederum den Verdauungstrakt aufs Neue belastet hätte. Aber wie sagten schon Größen der ‚Szene’? Hoppen muss auch mal weh tun!

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(Manni Breuckmann)


 
 
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